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22.12.54

Huis clos (Jacqueline Audry, 1954)

Geschlossene Gesellschaft

Die erste Frage des Neuankömmlings gilt den Folterwerkzeugen. Der joviale Hausdiener kann darüber nur lachen (er lacht überhaupt recht viel): In der Hölle benötigt man keine komplizierten Instrumente zur Marter der Verdammten. Es reichen ein intimer, leicht überheizter Salon style Napoléon III, geschlossene Türen und (jetzt wird es infam): zwei Mitbewohner. »Three’s a crowd«, sagt eine englische Redensart, ein französischer Dramatiker-Philosoph postuliert: »L’enfer c’est les autres« – und sperrt zum Beweis dieser These einen großsprecherisch-feigen Revoluzzer, ein reiches Flittchen sowie eine sarkastische Lesbe zusammen, die sich das (Nach-)Leben gegenseitig, man ahnt es: zur Hölle machen, indem sie Eigensucht und Selbstbetrug, Gier und Schuld der anderen mitleidlos enthüllen. Jacqueline Audrys Leinwand-Adaption des parabolischen Sartre-Stücks funktioniert immer dann, wenn sie die drei armen Teufel streiten, höhnen, zetern, heulen läßt – sobald der Film jedoch das geschmacklose Unterweltgemach verläßt, um in Flashbacks Vergangenheit und Charakter der Delinquenten zu illustrieren, verlieren sich mit der klaustrophobischen Enge des Settings auch die kammerspielhafte Konzentration und die gallig-ironische Härte des Befundes über die (ausweglose) menschliche Grundsituation.

R Jacqueline Audry B Pierre Laroche V Jean-Paul Sartre K Robert Juillard M Joseph Kosma A Maurice Colasson S Marguerite Beaugé P Edmond Ténoudji D Arletty, Franck Villard, Gaby Sylvia, Yves Deniaud, Nicole Courcel | F | 95 min | 1:1,37 | sw | 22. Dezember 1954

15.8.54

L'air de Paris (Marcel Carné, 1954)

Die Luft von Paris

Anderthalb Jahrzehnte nach »Le jour se lève« bringt Marcel Carné das Traumpaar des poetischen Realismus noch einmal zusammen: Jean Gabin und Arletty (»C’est peut-être pas la première fraîcheur«, wie sie bei einem gemeinsamen Blick in den Spiegel feststellt, »mais malgré tout c’est pas si mal.«) als mäßig erfolgreicher Boxtrainer Victor Le Garrec und dessen resignierte Ehefrau Blanche. Die Erzählung entwickelt sich nicht mehr ganz so poetisch wie einst und etwas weniger realistisch, der Ton klingt eine Spur trockener als früher, und die Fabel wirkt ein bißchen konstruierter: Der angegraute Coach trifft auf einen vielversprechenden jungen Mann (Roland Lesaffre), für den er ein starkes (nicht nur) professionelles Interesse entwickelt; seine Gattin sieht es erst mit spöttischem Verdruß, läßt dann ihrer (durchaus verständlichen) Eifersucht freien Lauf; der attraktive Nachwuchsboxer verliebt sich in eine feine Dame (Marie Daëms), steht somit vor der Entscheidung zwischen sportlicher Zukunft und Frau des Lebens … Immerhin nutzt Carné die im emotionalen Karree springende, kolportagehafte Story von »L’air (= ›die Luft‹, aber auch: ›das Aussehen‹ oder: ›die Melodie‹) de Paris« als Aufhänger für sorgfältige Milieuschilderungen – die Kamera (Roger Hubert) erkundet die kleinbürgerliche Enge hinter dem boulevard de Grenelle und die kalte Pracht auf der Île Saint-Louis, die tristen Massenquartiere der Nordafrikaner und die metropolitane Geschäftigkeit von Les Halles – sowie für die akkurate, sachlich-ironische Beschreibung einer in die Jahre gekommenen Ehe. PS: »L’amitié, c’est comme l’amour, c’est bien souvent à sens unique …«

R Marcel Carné B Marcel Carné, Jacques Sigurd V Jacques Viot K Roger Hubert M Maurice Thiriet A Paul Bertrand S Henri Rust P Robert Dorfmann, Cino Del Duca D Jean Gabin, Arletty, Roland Lesaffre, Marie Daëms, Maria Pia Casilio | F & I | 110 min | 1:1,37 | sw | 15. August 1954

5.12.42

Les visiteurs du soir (Marcel Carné, 1942)

Die Nacht mit dem Teufel 

»Démons et merveilles …« Südfrankreich, 1485: In der Gestalt fahrender Sänger ziehen zwei Diener des Teufels durchs Land, um Kummer und Zwietracht unter die Menschen zu bringen. Im provenzalischen Palast des Baron Hugues verdreht eine(r) der beiden Satansbraten (Arletty wechselt die Geschlechter so nonchalant wie die Gewänder) dem Schloßherrn sowie dessen künftigem Schwiegersohn die Köpfe, während sich der andere Spielmann (Alain Cuny) in des Adeligen schöne Tochter (Marie Déa) verliebt, der er doch nur schöne Augen machen sollte. Der Herr der Finsternis (Jules Berry kann lachen wie der Leibhaftige) sieht sich genötigt, in Persona zu erscheinen, um diese (allzu innige) gegenseitige Affektion zu unterbinden – doch die Liebe, sie währet immerdar, und das Herz der Liebenden, es schlägt, es schlägt, es schlägt … Marcel Carné und Jacques Prévert, le couple idéal des poetischen Realismus, zelebrieren die romantisch-diabolischen Aventüren mit feierlicher Emphase und souveräner Gestaltungskraft: »Les visiteurs du soir« spielt in einer einzigartig kostbaren (dabei ganz und gar nicht konfliktfreien) Welt, im reinen Weiß sonnenüberfluteter Tage, im unergründlichen Schwarz mondloser Nächte; Bilder (Roger Hubert) und Dekors (Alexandre Trauner) nähern sich der rätselhaft-klaren Ästhetik mittelalterlicher Buchmalerei, Préverts Dialoge und Chansons sprechen von der Unverlierbarkeit des Heils (auch und gerade im Angesicht des Bösen), Carnés Inszenierung zaubert Szenen für die filmische Ewigkeit. Ein magischer Glanzpunkt des französischen Kinos.

R Marcel Carné B Jacques Prévert, Pierre Laroche K Roger Hubert M Maurice Thiriet, Joseph Kosma A Alexandre Trauner, Georges Wakhévitch S Henri Rust P André Paulvé D Arletty, Marie Déa, Jules Berry, Fernand Ledoux, Alain Cuny | F | 120 min | 1:1,37 | sw | 5. Dezember 1942