11.2.63

Nattvardsgästerna (Ingmar Bergman, 1963)

Licht im Winter 

»Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?« Ein dunkler Sonntag im November: Pastor Tomas (!) Ericsson (Gunnar Björnstrand) zelebriert die Messe in einer fast leeren Kirche. Nach dem Abendmahl wird in kargen Szenen das Drama entrollt: Der Geistliche, vom Tod seiner Frau nachhaltig erschüttert, fühlt sich von Gott verlassen, ist außerstande, einem am ›Zeitalter der Angst‹ verzweifelnden Fischer (Max von Sydow) seelischen Beistand zu leisten, klagt stattdessen über die eigene Glaubenskrise, weist angeekelt die opferbereite Zuneigung seiner ehemaligen Geliebten, einer altjüngferlichen Lehrerin (Ingrid Thulin), zurück. Mit »Nattvardsgästerna« (= Abendmahlsgäste – der Originaltitel weiß nichts von einem »Licht im Winter«), einem unfaßbar (und unnahbar) präzise exekutierten Thesenstück, beginnen Bergman und sein Kameramann Sven Nykvist ihre Erkundungsfahrten in die menschliche Physiognomie: Insistierende Großaufnahmen dringen in psychologische Tiefen vor, die mit Dialogen kaum zu ergründen wären. (Überhaupt Nykvist: Was wären Bergmans Filme ohne sein unendlich fein moduliertes Licht, ohne seinen Mut zur Leere, ohne seinen durchdringenden Blick, der Gedanken in Bilder verwandelt?) Das eisige Endspiel mündet (nach wenigen Stunden erzählter Zeit) in einen niederschmetternden Zirkelschluß: Wieder steht der Pastor vor einer »Gemeinde«; die Bänke sind nun (bis auf eine nicht zu beirrende Ungläubige) vollkommen verwaist. Doch der Dienst an einem schweigenden Gott geht weiter… Wie es bei Beckett heißt: »Man muß weitermachen, ich kann nicht weitermachen, man muß weitermachen, ich werde also weitermachen.«

R Ingmar Bergman B Ingmar Bergman K Sven Nykvist M Erik Nordgren A P. A. Lundgren S Ulla Ryghe P Allan Ekelund D Gunnar Björnstrand, Ingrid Thulin, Gunnel Lindblom, Max von Sydow, Allan Edwall | S | 81 min | 1:1,37 | sw | 11. Februar 1963

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