Vor 20 Jahren war Paul Jordan (Maurice Ronet) ein großer Hollywood-Star, dann heiratete er eine reiche Frau (Suzy Kendall), verfiel dem Alkohol, schwängert schließlich seine Stieftochter (Susanne Uhlen). Der abgehalfterte Mime will wieder spielen, um sowohl dem exklusiven Elend wie auch den emotionalen Familienverwicklungen zu entfliehen; er akzeptiert das Angebot eines europäischen Nachwuchsregisseurs, fährt nach Wien, wo er die Hauptrolle in einem Film mit dem beziehungsreichen Titel »Oppression« übernehmen soll … Gerd Oswald, der sich aller formalen Manierismen der frühen Vohrerschen Simmel-Verfilmungen konsequent enthält, und Manfred Purzer, dessen Bearbeitung die im Roman beschriebene lastende Schuld aus der Backstory des Protagonisten tilgt, destillieren aus der sentimentalen Säuferkolportage eine surreal-existenzialistische Studie über Schwermut und Stolz, über Sucht und die Suche nach dem Glück im Vergessen. Ronets erbarmenswert verlebte Weltläufigkeit beschwört in mehr als einer Szene die Erinnerung an seine Performance in Louis Malles Depressionsdrama »Le feu follet« herauf: Ebensowenig wie Alain Leroy taugt Paul Jordan zum Sympathieträger, und erweckt doch in seiner verzweifelten Hilf-, Halt- und Hoffnungslosigkeit, so etwas wie unwillkürliches Mitleid. Der Gegensatz zwischen der kühlen, bisweilen mokanten Distanz der Inszenierung und der eigentümlichen, fast desorientierenden Sprunghaftigkeit des Handlungsverlaufs verbindet anschaulich die Schilderung äußerer und innerer Zustände um und in einem Helden von der besonders traurigen Gestalt.
R Gerd Oswald B Manfred Purzer V Johannes Mario Simmel K Charly Steinberger M Klaus Doldinger A Ernst Wurzer S Lotte Klimitschek P Luggi Waldleitner D Maurice Ronet, Suzy Kendall, Susanne Uhlen, Balduin Baas, Christine Wodetzky | BRD & A | 105 min | 1:1,66 | f | 23. Oktober 1975
# 857 | 16. April 2014
19.10.75
Inside Out (Peter Duffell, 1975)
Ein genialer Bluff
Es war einmal im Zweiten Weltkrieg, da hat ein ranghoher Nazi Gold versteckt, viel Gold, sehr viel Gold, und zwar im Bunker seines Landhauses, irgendwo nördlich von Berlin. 30 Jahre später gehen ein in London residierender Ex-US-Major (glücksritterlich: Telly Savalas), ein Ex-Juwelendieb (berufsjugendlich: Robert Culp), ein Ex-Wehrmachtsoffizier (verkniffen: James Mason) und ein Ex-Landser (verschreckt: Günter Meisner) daran, den Schatz nach allen Regeln der Heist-Kunst zu bergen. Peter Duffell hält sich nicht länger als unbedingt nötig mit historischen, narrativen oder technischen Wahrscheinlichkeiten auf, macht großzügig Gebrauch von glücklichen Zufällen, billiger Trickserei und surrealer Erfindungsgabe – grandiose Klimax: Reinhardt Holtz (Wolfgang Lukschy als Rudolf-Heß-Korrelat) wird für ein paar Stunden aus dem Spandauer Kriegsverbrechergefängnis (»Siegfried prison«!) entführt, um vollgedrogt in nächtlicher Hakenkreuzkulisse mit einem bellenden Hitler-Wiedergänger konfrontiert zu werden, der ihm, dem verschwitzt dienstfertigen Ex-Bonzen, das güldene Geheimnis entlockt –, damit seine schrägen Helden den ehrgeizigen Plan (diesseits und jenseits des Eisernen Vorhangs) erfolgreich über die Bühne bringen können; so gelingt dem furchtlosen Regisseur, trotz haarsträubender Abschreibungsästhetik und unpassend dudeliger Musikuntermalung, eine Räuberpistole von souveräner Abstrusität
R Peter Duffell B Judd Bernard K John Coquillon M Konrad Elfers A Peter Lamont S Thom Noble P Judd Bernard D Telly Savalas, James Mason, Robert Culp, Günter Meisner, Aldo Ray, Adrian Hoven | UK & BRD & USA | 97 min | 1:1,85 | f | 19. Oktober 1975
# 1079 | 11. Oktober 2017
Es war einmal im Zweiten Weltkrieg, da hat ein ranghoher Nazi Gold versteckt, viel Gold, sehr viel Gold, und zwar im Bunker seines Landhauses, irgendwo nördlich von Berlin. 30 Jahre später gehen ein in London residierender Ex-US-Major (glücksritterlich: Telly Savalas), ein Ex-Juwelendieb (berufsjugendlich: Robert Culp), ein Ex-Wehrmachtsoffizier (verkniffen: James Mason) und ein Ex-Landser (verschreckt: Günter Meisner) daran, den Schatz nach allen Regeln der Heist-Kunst zu bergen. Peter Duffell hält sich nicht länger als unbedingt nötig mit historischen, narrativen oder technischen Wahrscheinlichkeiten auf, macht großzügig Gebrauch von glücklichen Zufällen, billiger Trickserei und surrealer Erfindungsgabe – grandiose Klimax: Reinhardt Holtz (Wolfgang Lukschy als Rudolf-Heß-Korrelat) wird für ein paar Stunden aus dem Spandauer Kriegsverbrechergefängnis (»Siegfried prison«!) entführt, um vollgedrogt in nächtlicher Hakenkreuzkulisse mit einem bellenden Hitler-Wiedergänger konfrontiert zu werden, der ihm, dem verschwitzt dienstfertigen Ex-Bonzen, das güldene Geheimnis entlockt –, damit seine schrägen Helden den ehrgeizigen Plan (diesseits und jenseits des Eisernen Vorhangs) erfolgreich über die Bühne bringen können; so gelingt dem furchtlosen Regisseur, trotz haarsträubender Abschreibungsästhetik und unpassend dudeliger Musikuntermalung, eine Räuberpistole von souveräner Abstrusität
R Peter Duffell B Judd Bernard K John Coquillon M Konrad Elfers A Peter Lamont S Thom Noble P Judd Bernard D Telly Savalas, James Mason, Robert Culp, Günter Meisner, Aldo Ray, Adrian Hoven | UK & BRD & USA | 97 min | 1:1,85 | f | 19. Oktober 1975
# 1079 | 11. Oktober 2017
15.10.75
L’incorrigible (Philippe de Broca, 1975)
Der Unverbesserliche
Kaum aus dem Gefängnis entlassen, geht Victor Vauthier (ungehemmt: Jean-Paul Belmondo) schon wieder seinen zwielichtigen Geschäften nach. Ob er zum x-ten Mal das Luxusappartement einer betuchten Geliebten verscherbelt oder nichtexistierende Waffen an kriegslüsterne afrikanische Generäle losschlägt, vor keiner Escroquerie schreckt der spitzbübische Lebenskünstler zurück. Gleich Fantômas ein Meister der Maske, liegt dem charmanten Tausendsassa jedoch jede Bosheit fern. Philippe de Broca zeigt den professionellen Bluff als genuines Lebensmodell im entwickelten Kapitalismus und präsentiert mit Victor nicht nur einen turbomotorisch-unverbesserlichen Hochstapler und fröhlich-asozialen Trickbetrüger sondern vor allem einen erfindungsreichen Impressario des eigenen Lebens und fantasievollen Verführer, dessen famose Gaunereien auch scheinbar gefestigte Charaktere in halbseidene Welten zu entführen vermögen – wie zum Beispiel die pflichteifrige Bewährungshelferin Marie-Charlotte Pontalec (Geneviève Bujold), die eher zufällig, aber durchaus geneigt die Freuden der Gesetzlosigkeit entdeckt. Die kriminelle Erweckung der jungen Frau ist – Ironie des schwindlerischen Schicksals! – zugleich der Moment, da der Mann für alle Fälle an die Grenzen seines Improvisationstalents stößt.
R Philippe de Broca B Michel Audiard, Philippe de Broca V Alex Varoux K Jean Penzer M Georges Delerue A François de Lamothe S Françoise Javet P Alexandre Mnouchkine, Georges Dancigers, Jean-Paul Belmondo D Jean-Paul Belmondo, Geneviève Bujold, Julien Guiomar, Charles Gérard, Capucine, Andréa Ferréol | F | 100 min | 1:1,66 | f | 15. Oktober 1975
# 1004 | 16. Mai 2016
Kaum aus dem Gefängnis entlassen, geht Victor Vauthier (ungehemmt: Jean-Paul Belmondo) schon wieder seinen zwielichtigen Geschäften nach. Ob er zum x-ten Mal das Luxusappartement einer betuchten Geliebten verscherbelt oder nichtexistierende Waffen an kriegslüsterne afrikanische Generäle losschlägt, vor keiner Escroquerie schreckt der spitzbübische Lebenskünstler zurück. Gleich Fantômas ein Meister der Maske, liegt dem charmanten Tausendsassa jedoch jede Bosheit fern. Philippe de Broca zeigt den professionellen Bluff als genuines Lebensmodell im entwickelten Kapitalismus und präsentiert mit Victor nicht nur einen turbomotorisch-unverbesserlichen Hochstapler und fröhlich-asozialen Trickbetrüger sondern vor allem einen erfindungsreichen Impressario des eigenen Lebens und fantasievollen Verführer, dessen famose Gaunereien auch scheinbar gefestigte Charaktere in halbseidene Welten zu entführen vermögen – wie zum Beispiel die pflichteifrige Bewährungshelferin Marie-Charlotte Pontalec (Geneviève Bujold), die eher zufällig, aber durchaus geneigt die Freuden der Gesetzlosigkeit entdeckt. Die kriminelle Erweckung der jungen Frau ist – Ironie des schwindlerischen Schicksals! – zugleich der Moment, da der Mann für alle Fälle an die Grenzen seines Improvisationstalents stößt.
R Philippe de Broca B Michel Audiard, Philippe de Broca V Alex Varoux K Jean Penzer M Georges Delerue A François de Lamothe S Françoise Javet P Alexandre Mnouchkine, Georges Dancigers, Jean-Paul Belmondo D Jean-Paul Belmondo, Geneviève Bujold, Julien Guiomar, Charles Gérard, Capucine, Andréa Ferréol | F | 100 min | 1:1,66 | f | 15. Oktober 1975
# 1004 | 16. Mai 2016
10.10.75
Lisztomania (Ken Russell, 1975)
Lisztomania
Der Begriff ›Lisztomania‹ ist die (zeitgenössische) Beschreibung des entfesselten, stark erotisch aufgeladenen Fankults um den Pianisten Franz Liszt, der Mitte des 19. Jahrhunderts, lange vor den notorischen Zelebritäten der Pop- und Rockmusik, die Konzertsäle Europas zum Kochen brachte. Ken Russells »Lisztomania« synthetisiert aus historisch-biographischen Versatzstücken ein ausschweifend-anachronistisches Kitsch’n’Glam-Spektakel über den Künstler als mediale Skulptur, über die geilen Triebe der Kulturindustrie. Aus der Familiengeschichte des Tastenstars (Liszts Tochter Cosima heiratete den Komponisten Richard Wagner) leitet Russell – in kühner Verschmelzung der spezifischen Qualitäten von Leni Riefenstahl, Arthur Freed und Mel Brooks – zudem eine grellbunte Reflexion über die Verwandtschaft musikalischer und politischer Massenphänomene ab: Schwärmerei und Wollust, Ekstase und Hysterie, Sensation und Skandal, Mythos und Wahn bestimmen in beiden Fällen die Interaktion zwischen Bühne und Publikum. Auf dem Höhepunkt des Films exorziert der geschäftstüchtige Gefühlsmensch und lässige Weiberheld Liszt (›The Who‹-Frontmann Roger Daltrey) seinen fanatisch-dämonischen Schwiegersohn Wagner (Paul Nicholas), der mit Hilfe opiatischer Klänge einen teutonischen Übermenschen als Anführer der kommenden Herrenrasse kreiert – die Musik (= Politik) der (auch körperlichen) Liebe triumphiert über die Politik (= Musik) der (auch geistigen) Zerstörung: »I'm gonna live in peace at last, / Forgiven for my past … / Peace at last.«
R Ken Russell B Ken Russell K Peter Suschitzky M Rick Wakeman A Philip Harrison S Stuart Baird P Roy Baird, David Puttnam D Roger Daltrey, Sara Kestelman, Paul Nicholas, Fiona Lewis, Veronica Quilligan | UK | 103 min | 1:2,35 | f | 10. Oktober 1975
Der Begriff ›Lisztomania‹ ist die (zeitgenössische) Beschreibung des entfesselten, stark erotisch aufgeladenen Fankults um den Pianisten Franz Liszt, der Mitte des 19. Jahrhunderts, lange vor den notorischen Zelebritäten der Pop- und Rockmusik, die Konzertsäle Europas zum Kochen brachte. Ken Russells »Lisztomania« synthetisiert aus historisch-biographischen Versatzstücken ein ausschweifend-anachronistisches Kitsch’n’Glam-Spektakel über den Künstler als mediale Skulptur, über die geilen Triebe der Kulturindustrie. Aus der Familiengeschichte des Tastenstars (Liszts Tochter Cosima heiratete den Komponisten Richard Wagner) leitet Russell – in kühner Verschmelzung der spezifischen Qualitäten von Leni Riefenstahl, Arthur Freed und Mel Brooks – zudem eine grellbunte Reflexion über die Verwandtschaft musikalischer und politischer Massenphänomene ab: Schwärmerei und Wollust, Ekstase und Hysterie, Sensation und Skandal, Mythos und Wahn bestimmen in beiden Fällen die Interaktion zwischen Bühne und Publikum. Auf dem Höhepunkt des Films exorziert der geschäftstüchtige Gefühlsmensch und lässige Weiberheld Liszt (›The Who‹-Frontmann Roger Daltrey) seinen fanatisch-dämonischen Schwiegersohn Wagner (Paul Nicholas), der mit Hilfe opiatischer Klänge einen teutonischen Übermenschen als Anführer der kommenden Herrenrasse kreiert – die Musik (= Politik) der (auch körperlichen) Liebe triumphiert über die Politik (= Musik) der (auch geistigen) Zerstörung: »I'm gonna live in peace at last, / Forgiven for my past … / Peace at last.«
R Ken Russell B Ken Russell K Peter Suschitzky M Rick Wakeman A Philip Harrison S Stuart Baird P Roy Baird, David Puttnam D Roger Daltrey, Sara Kestelman, Paul Nicholas, Fiona Lewis, Veronica Quilligan | UK | 103 min | 1:2,35 | f | 10. Oktober 1975
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