26.10.62

What Ever Happended to Baby Jane? (Robert Aldrich, 1962)

Was geschah wirklich mit Baby Jane?

Unsere Leichen leben noch: Bette Davis und Joan Crawford, deren Pfirsichblüte gefühlte 100.000 Flaschen Champagner (bzw. Pepsi Cola) zurückliegt, in einer vulgär-expressionistischen Showbiz-Horror-Burleske. Robert Aldrich exemplifiziert an der Geschichte zweier alt gewordener Ex-Stars, der in verzehrendem Haß miteinander verschraubten Hudson-Schwestern – Baby Jane (das kindisch-blonde Gift) und Blanche (die brünette (nicht ganz so unschuldige) Unschuld) –, Oscar Levants Schmähruf auf die Traumfabrik: »Behind the phony tinsel of Hollywood lies the real tinsel.« Während Baby Jane, umfangen von Schall und Wahn (vor allem Wahn) des längst vergangenen Ruhms, in den Ruinen ihrer glänzenden Vergangenheit lebt, sitzt die einst schönere und begabtere Blanche, der psychotischen Schwester hilflos ausgeliefert, gelähmt im Rollstuhl (und muß sich auch schon mal eine gebratene Ratte servieren lassen). In einer grauenhaft komischen Sado-Maso-Geisterbahnfahrt durch Schuld, Lebenslügen und (Zicken-)Terror werden die offenen Rechnungen des blutsverwandten Alptraumpaares immer wieder neu beglichen.

R Robert Aldrich B Lukas Heller V Henry Farrell K Ernest Haller M Frank De Vol A William Glasgow S Michael Luciano P Robert Aldrich D Bette Davis, Joan Crawford, Victor Buono, Wesley Addy, Maidie Norman | USA | 134 min | 1:1,85 | sw | 26. Oktober 1962

25.10.62

Das zweite Gleis (Joachim Kunert, 1962)

Ein kleines Nest irgendwo in der DDR: Walter Brock (Albert Hetterle), Fahrdienstleiter auf einem Rangierbahnhof, stellt einen Dieb, läßt ihn jedoch laufen, weil es sich bei dem Mann (wie sich zeigen wird) um ein Gespenst aus seiner Vergangenheit handelt. Mit den Augen von Brocks Tochter Vera (Annekathrin Bürger) bewegt sich der Film gleichsam durch den dichten Dampf der Lokomotiven und über das Gewirr der Gleise, um Licht ins Dunkel einer trüben (Familien-)Geschichte zu bringen (Drehbuch: Günter Kunert – der Lyriker). In wohlkomponierten, extrem kontrastreichen Schwarzweißbildern (Kamera: Rolf Sohre), zu bald verträumt, bald schrill tönenden Harfenklängen erzählt »Das zweite Gleis« einprägsam-beklemmend von Schuld und Verdrängung, von Vertrauen und Täuschung, von Feigheit und (zu) später Reue.

R Joachim Kunert B Günter Kunert, Joachim Kunert K Rolf Sohre M Pavel Simai A Gerhard Helwig S Christel Röhl P Bernhard Gelbe D Albert Hetterle, Annekathrin Bürger, Horst Jonischkan, Walter Richter-Reinick, Helga Göring | DDR | 80 min | 1:1,37 | sw | 25. Oktober 1962

24.10.62

The Manchurian Candidate (John Frankenheimer, 1962)

Botschafter der Angst

Herrlich kaltschnäuzige Mischung aus Paranoia-Thriller und Politsatire – in puncto spöttisch-surrealer Bösartigkeit wird nur Stanley Kubricks Nuklearfarce »Dr. Strangelove« Vergleichbares bieten. Selten wurde der US-Staats- und Medienzirkus gnadenloser vorgeführt, selten wurden das Thema »american angst« raffinierter verhandelt als in John Frankenheimers Story eines von den Kommunisten gehirngewaschenen All-american-Schläfers (Laurence Harvey), der den Präsidentschaftskandidaten abknallen soll. Dank Angela Lansburys lustvoll-monströser Matronen-Performance entwickelt sich »The Manchurian Candidate« zudem (neben Alfred Hitchcocks »Psycho«) zu einem der ganz großen Mutter-Horror-Filme: »You know that I want nothing for myself. You know that my whole life has been devoted to helping you ...« – »Mother, stop it!«

R John Frankenheimer B George Axelrod V Richard Condon K Lionel Lindon M David Amram A Richard Sylbert S Ferris Webster P John Frankenheimer, George Axelrod D Frank Sinatra, Laurence Harvey, Janet Leigh, Angela Lansbury, Henry Silva | USA | 126 min | 1:1,85 | sw | 24. Oktober 1962

5.10.62

Dr. No (Terence Young, 1962)

James Bond 007 jagt Dr. No

Mit schmalem Budget liefert »Dr. No« die Blaupause für das jahrzehntelang gültige, ebenso einfache wie effektive Konstruktionsprinzip ›Bond‹: Der Protagonist, attraktive Verkörperung des Guten, ausgestattet mit allen inneren und äußeren Freiheiten, insbesondere jener, töten zu dürfen, wann immer es ihm beliebt, tritt an gegen das fleischgewordene Böse, will sagen: gegen die Negation der Freiheit – und triumphiert: Der ›Eros des Westens‹ (des Individualismus, der Liberalität, des Versprechens auf Glück) siegt über den ›Geist, der stets verneint‹. Orte des Geschehens sind ein holzgetäfeltes Amtszimmer in London (als Ausgangspunkt der gefährlichen Exkursion und allzeit sicherer Hafen) sowie diverse fotogene Weltgegenden und alarmierend extravagante Interieurs; Frauen (= girls) zeigen sich (freizügig) von ihrer appetitlichen und willigen Seite; die Erzählung verarbeitet allerkleinste Fetzen von Realität zu einem überlebensgroßen Sex&Crime-Märchen für Erwachsene. In »Dr. No« (man beachte den schlicht-genialen Rollennamen des Widersachers (und Versuchers), der von Joseph Wiseman mit mabusehafter Dämonie interpretiert wird) spielt Terence Young alle Motive mit leichter Hand durch, läßt jedoch die Entwicklung von Spannung zugunsten einer gewissen, von Ursula Andress inkarnierten, karibischen Lässigkeit in den Hintergrund treten: »Underneath the mango tree / Me honey and me can watch for the moon. / Underneath the mango tree / Me honey and me make boolooloop soon.«

R Terence Young B Richard Maibaum, Johanna Herwood, Berkely Mather V Ian Fleming K Ted Moore M Monty Norman A Ken Adam S Peter Hunt P Albert R. Broccoli, Harry Saltzman D Sean Connery, Ursula Andress, Joseph Wiseman, Anthony Dawson, Bernard Lee | UK | 110 min | 1:1,85 | f | 5. Oktober 1962