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5.5.65

Thomas l’imposteur (Georges Franju, 1965)

Thomas, der Schwindler

»Cette guerre comença dans le plus grand désordre.« Schuf er in seiner Louis-Feuillade-Hommage »Judex« eine Phantasmagorie der »nicht glücklichen« Zeit vor dem Ersten Weltkrieg, wendet sich Georges Franju mit der Adaption eines Romans von Jean Cocteau dem großen Völkerschlachten selbst zu. Protagonisten der Erzählung sind die princesse de Bormes (Emmanuelle Riva), »une amoureuse folle des modes«, glänzender Mittelpunkt der Pariser Gesellschaft, die auf eigene Verantwortung Verwundetentransporte von der Front organisiert, und der halbwüchsige Thomas (Fabrice Rouleau), dem sich als vermeintlichem Neffen eines berühmten Generals alle Türen öffnen, wodurch er die Mission der extravaganten Aristokratin hilfreich unterstützen kann. Die Prinzessin und Thomas gehen in den Krieg wie in ein Theaterstück, sie auf der Suche nach Zerstreuung und Abenteuer, er weil er Spiel und Wirklichkeit nicht auseinanderhalten kann (oder will). Franju, selbst ein schwarzer Romantiker, hält den Film kunstvoll in der Schwebe zwischen Imagination und Realität, zeigt das Kriegsgeschehen bald als grausames Wirken totaler Zerstörungskräfte, bald als absurden Rummel, bald als dunkles Märchen mit brennenden Pferden und malerischen Ruinen. Die klangvolle Stimme von Jean Marais begleitet den jugendlichen Titelhelden bis an den Ort seiner Bestimmung, die Dünen der belgischen Küste: »Der Friedhof der Seeleute in Nieuport gleicht einem abgetriebenen Segelschiff. Ein tiefer Schlaf hält die Mannschaft umfangen.«

R Georges Franju B Jean Cocteau, Michel Worms, Georges Franju, Raphael Cluzel V Jean Cocteau K Marcel Fradetal M Georges Auric A Claude Pignot S Gilbert Natot P Eugène Lépicier D Emmanuelle Riva, Fabrice Rouleau, Jean Servais, Sophie Darès, Rosy Varte, Jean Marais | F | 94 min | 1:1,66 | sw | 5. Mai 1965

# 11117 | 29. Mai 2018

1.3.50

Orphée (Jean Cocteau, 1950)

Orpheus

L'amour à mort ... Der antike Mythos, gesehen durch die Brille eines künstlerischen Tausendsassas – Jean Cocteau hat Esprit, Geschmack, Fantasie genug, den legendären Dichter der griechischen Sagenwelt plausibel und originell in eine pariserisch anmutende Nachkriegsgegenwart (samt dekorativer Trümmerszenerien und existentialistischer Literatenbohème) zu versetzen. Clou der kinematographischen Adaption: Der hochfahrend-selbstgewisse Poet (Jean Marais in der Titelrolle) gerät in einen gefühlsmäßigen Zwiespalt zwischen der beabsichtigten Rückführung der geliebten (wenn auch bisweilen vernachlässigten) Gattin Eurydike (Marie Déa) aus der Unterwelt – wo ein kafkaesker Gerichtshof nach unerforschlichem Ratschluß über das Schicksal der Verstorbenen (wie auch der Lebenden) befindet – und der amourösen Verfallenheit an den Tod selbst, den die aparte Maria Casarès mit feurig-dunkler Faszinationskraft verkörpert. Cocteaus Stärke als Cinéast liegt insbesondere in der Verwendung ebenso einfacher wie kostbarer filmischer Mittel: Zeitlupen und rückwärts laufende Aufnahmen, negative Bilder und quecksilbrige Spiegeltricks transformieren scheinbare Alltäglichkeiten in außerordentliche Phänomene und lassen die literarische Illusion zur greifbaren Realität werden.

R Jean Cocteau B Jean Cocteau K Nicolas Hayer M Georges Auric A Jean d’Eaubonne S Jacqueline Sadoul P André Paulvé D Jean Marais, Maria Casares, François Périer, Maria Déa, Juliette Gréco | F | 95 min | 1:1,37 | sw | 1. März 1950

# 1032 | 18. November 2016

21.9.45

Les dames du Bois de Boulogne (Robert Bresson, 1945)

Die Damen vom Bois de Boulogne

Eine hochgradig emotionale Dreiecksgeschichte – vorgetragen (fast) ohne Emotion. Ein komplexes psychologisches Drama – verhandelt (fast) ohne Psychologie. Eine exemplarische moralische Erzählung – entwickelt (fast) ohne Moral. Kino als Schachpartie, als Gedankenspiel, als Modellversuch: Hélène (María Casares – eisig) wird, nicht ohne ihr Zutun, von ihrem Gefährten Jean (Paul Bernard – blind) verlassen und treibt ihn, um Rache für ihre enttäuschte Liebe zu nehmen, in die Arme von Agnès (Elina Labourdette – (un-)schuldig), einer jungen Frau mit zweifelhaftem Vorleben (sie war, vulgo: eine Nutte). Situiert im, gestalterisch stark abstrahierten, Milieu der gehobenen (bzw. abgestürzten) Bourgeoisie, läuft »Les dames du Bois de Boulogne« auf einen melodramatischen Höhepunkt zu, der (dann doch) ein gewisses filmisches Quantum an Emotion, Psychologie sowie Moral freisetzt und dabei die Strippenzieherin (auch noch) um den Genuß der Vergeltung bringt… Robert Bressons entschiedene erzählerische Verknappung, Jean Cocteaus strenger literarischer Dialog, Philippe Agostinis subtil schlichte Bilder, nicht zu vergessen die klassizistisch inspirierten Roben von Madame Grès, einer der großen Couturières des 20. Jahrhunderts – all dies zusammen formt einen Film von hoher ästhetischer Noblesse, von großer intellektueller Klarheit und, ja: von tiefer menschlicher Empfindung.

R Robert Bresson B Robert Bresson, Jean Cocteau V Denis Diderot K Philippe Agostini M Jean-Jacques Grunenwald A Max Douy S Jean Feyte P Raoul Ploquin D María Casares, Paul Bernard, Elina Labourdette, Lucienne Bogaert, Jean Marchat | F | 86 min | 1:1,37 | sw | 21. September 1945

13.10.43

L’éternel retour (Jean Delannoy, 1943)

Der ewige Bann

Das Drehbuch zu »L’eternel retour«, von Jean Cocteau seinem Freund Jean Marais auf den schönen Leib gedichtet, transponiert die uralte (wohl keltische) Legende der leidenschaftlichen, unglücklich endenden Liebe zwischen Tristan und Isolde in eine mythisch-irrealisierte Gegenwart. Zwar gibt es Automobile und Boote mit Dieselmotor, Kneipenschlägereien und moderne Badezimmer, dann aber wieder kommt ein Liebestrank zu seinem mirakulösen Recht, und der Held nähert sich zu Pferde einer malerischen Burg, ganz wie ein Ritter in sagenhafter Vorzeit. Der (sehr literarisch bleibende) amour fou zwischen Patrice (strahlend: Marais) und Nathalie (berückend: Madeleine Sologne), der Gemahlin seines Onkels Marc, wird von einer mißgünstigen Verwandtschaft argusaugenhaft beobachtet und genüßlich hintertrieben – bis der Tod die beiden schicksalhaft füreinander Bestimmten vereint. Jean Delannoy inszeniert die jungen Liebenden in edlen Bildern (Kamera: Roger Hubert) und romantischem Dekor (Ausstattung: Georges Wakhévitch) als zeitlos idealisiertes, zugleich hochmodisches Paar, als makellose, archetypische Stars, auf deren blondem Haar zauberische Spitzlichter tanzen, während die mediokren Neider (wie im Märchen) alt, häßlich oder zwergenhaft verwachsen daherkommen. Die von diesen (im Grunde zutiefst bedauernswerten) Widersachern repräsentierte Niedertracht mag im Hier und Jetzt triumphieren, doch – so die tröstende Botschaft des Films – sie findet ihre Grenze an den Pforten der Ewigkeit, deren Wächter nur die Reinen im Herzen passieren lassen.

R Jean Delannoy B Jean Cocteau K Roger Hubert M Georges Auric A Georges Wakhévitch S Suzanne Fauvel P André Paulvé D Madeleine Sologne, Jean Marais, Jean Murat, Junie Astor, Piéral | F | 107 min | 1:1,37 | sw | 13. Oktober 1943