28.10.60

Die junge Sünderin (Rudolf Jugert, 1960)

Eine Frau will nach oben oder Wie angelt man sich einen Millionär. Was eine derartige Ambition in Wirtschaftswunderzeiten mit Sünde zu tun haben soll (wie es der Titel des Films insinuiert) bleibt offen – zumal Eva (!), die Heldin dieses bundesrepublikanischen Entwicklungsromans, bei aller Gier nach Reichtum und gesellschaftlicher Anerkennung ihre Unberührtheit geradezu löwinnenhaft verteidigt … Eva Reck (Karin Baal) und ihre beste Freundin Carola Ortmann (Vera Tschechowa) wurden, zu Beginn des Zweiten Weltkrieges, am gleichen Tag im gleichen Haus geboren, die eine im Keller als Tochter armer Leute, die andere im ersten Stock mit dem sprichwörtlichen silbernen Löffel im Mund. Die Familien bleiben über die bewegten Jahre hinweg in engem Kontakt. Zur attraktiven jungen Dame gereift, lebt Eva als Hauskind in der riesigen Villa der Ortmanns, schreckt nicht davor zurück, Carolas verwitweten Vater (Rudolf Prack) ins Visier zu nehmen, malt sich schon die Hochzeit aus: »300 Gäste, nur Prominenz. Und alles kommt in die Zeitung, mit Bildern.« – »Geld allein macht nicht glücklich«, mahnt kopfschüttelnd ihre rechtschaffene Mutter (Grethe Weiser). »Doch«, widerspricht Eva, »Geld macht glücklich! Weil man nicht mehr danke sagen muß.« Rudolf Jugert zeichnet Eva ohne Mißbilligung, aber auch ohne Sympathie, er nimmt sie als lebendigen Ausdruck der sozialen Marktwirtschaft und ihres Wahlspruchs »Wohlstand für alle«. »Sie sind der Typ der arbeitenden jungen Frau von heute«, sagt jener (reiche) Mann zu Eva, den sie nach einigen Umwegen schließlich heiraten wird. Er meint es als Kompliment. Und wenn am Ende jeder Topf einen Deckel gefunden hat, singt wissend eine samtige Stimme: »Es muß ja nicht gleich Liebe sein, / Wenn’s manchmal auch so scheint.«

R Rudolf Jugert B Peter Berneis, Maria von der Osten-Sacken K Ekkehard Kyrath, Werner M. Lenz M Ernst Simon A Otto Pischinger, Helga Hareither S Aribert Geier P Kurt Ulrich D Karin Baal, Vera Tschechowa, Rudolf Prack, Grethe Weiser, Paul Hubschmid | BRD | 93 min | 1:1,66 | sw | 28. Oktober 1960

# 887 | 26. Juni 2014

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