Beruf: Reporter
»People disappear every day.« – »Every time they leave the room.« Die Handlung des Thrillers, behauptet Georg Seeßlen, sei eine umgekehrte Form der Befreiung, eine Befreiung, die erzwungen wird. Michelangelo Antonioni verfolgt in seiner Polit- und Paranoia-Thriller-Variation einen anderen Ansatz: nicht die Befreiung des Protagonisten wird erzwungen, sondern die Unmöglichkeit der Befreiung konstatiert. Der britische Journalist David Locke (Jack Nicholson), in der Sahara auf der glücklosen Jagd nach einer Story über den Kampf zwischen Rebellen und Regierungstruppen, nutzt die Gelegenheit, seiner ungeliebten Existenz zu entfliehen, indem er die Identität eines plötzlich verstorbenen Hotelnachbarn annimmt und Hinweisen im Taschenkalender des Mannes folgt, der, wie sich alsbald zeigt, als Waffenhändler im Auftrag der Freischärler tätig war. Antonioni und sein Autor Mark Peploe verarbeiten, freilich in beklemmender Zerdehnung, die klassischen Zutaten des Genres – illegale Geschäfte, verschwörerische Machenschaften, konspirative Treffen, heimliche Verfolgung –, und der Hauch einer Erinnerung an Alfred Hitchcocks »North by Northwest« schwebt über Lockes Nachforschung, Flucht, Passage, die ihn, in Begleitung einer mysteriösen Frau ohne Namen (Maria Schneider), aus der nordafrikanischen Wüste, über London, München und Barcelona, in ein karstiges Andalusien führt, das dem Ausgangspunkt dieser Reise ans Ende des Tages auf blendend-unheimliche Weise ähnelt. Weglaufen endet im Nichts, ein anderes Selbst bietet keine anderen Möglichkeiten, die Lösung eines Rätsel liegt jederzeit und allerorts in gleich weiter Ferne, so aussichtslos wie Befreiung erscheinen Erkenntnis und Verständigung: »Your question are much more revealing about yourself than my answer would be about me.«
R Michelangelo Antonioni B Mark Peploe, Michelangelo Antonioni, Peter Wollen K Luciano Tovoli A Piero Poletto S Michelangelo Antonioni, Franco Arcalli P Carlo Ponti D Jack Nicholson, Maria Schneider, Jenny Runacre, Ian Hendry, Stephen Berkoff | I & F & E | 126 min | 1:1,85 | f | 18. Februar 1975
# 1155 | 10. April 2019
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18.2.75
4.10.73
Gott schützt die Liebenden (Alfred Vohrer, 1973)
Wer kennt schon den anderen? Wer kennt schon sich selbst? Paul Holland (Harald Leipnitz) liebt Sybille Loredo (Gila von Weitershausen), macht ihr einen Heiratsantrag. Als Paul von einer Geschäftsreise nach Hause zurückkehrt, ist Sybille verschwunden, und als er sie wiederfindet, ist sie nicht mehr Sybille … Ein Drama des Mißtrauens und der Täuschung, ein Todesspiel der verwirrten Gefühle und der verwischten Identitäten: Sybille heißt eigentlich Viktoria Brunswick, war Undercover-Ermittlerin, angesetzt auf eine berüchtigte Familie von Drogenhändlern. Mamma Trenti residiert in einer nordspanischen Bergfestung, ihre drei Söhne erledigen das Tagesgeschäft. Viktoria verliebte sich in Emilio, den Jüngsten (Nino Castelnuovo), der auch der Liebling seiner Mutter ist und der Verlobte von Laura, die sich wiederum, von Emilio verlassen, in Anna verwandelt, äußerlich eine Hure mit Herz, innerlich ein Engel der Rache, bereit kaputtzumachen, was sie kaputtmachte … Nach und nach werden alle Beteiligten vom heißlaufenden Karussell der Doppelungen ins Aus geschleudert, während Alfred Vohrer, alle Handlungsfäden souverän in der Hand haltend, die ungemütlichen Abseiten von Berlin, Wien und Barcelona erkundet. Mit Glaubensfragen oder Religiosität hat der Film, anders als der Titel nahelegt, kaum etwas zu tun. Zwar versteckt sich Sybille/Viktoria auf ihrer Flucht vor der Vergangenheit vorübergehend in einem Nonnenkloster, aber Gott, macht Simmel glauben, schützt in dieser unseren Welt niemanden mehr. Er scheint nicht nur tot zu sein, mein könnte fast meinen, es habe ihn nie gegeben.
R Alfred Vohrer B Manfred Purzer V Johannes Mario Simmel K Charly Steinberger M Hans-Martin Majewski S Eva Kohlschein P Luggi Waldleitner D Harald Leipnitz, Gila von Weitershausen, Andrea Jonasson, Nino Castelnuovo, Walter Kohout | BRD & I & E | 105 min | 1:1,66 | f | 4. Oktober 1973
# 856 | 16. April 2014
R Alfred Vohrer B Manfred Purzer V Johannes Mario Simmel K Charly Steinberger M Hans-Martin Majewski S Eva Kohlschein P Luggi Waldleitner D Harald Leipnitz, Gila von Weitershausen, Andrea Jonasson, Nino Castelnuovo, Walter Kohout | BRD & I & E | 105 min | 1:1,66 | f | 4. Oktober 1973
# 856 | 16. April 2014
13.3.59
Ware für Katalonien (Richard Groschopp, 1959)
Das Leben schreibt die schönsten Geschichten. Zum Beispiel die Geschichte von Hasso Schützendorf, der große Mengen optischer Geräte (Fotoapparate, Feldstecher, Fernrohre) aus der Deutschen Demokratischen Republik ins kapitalistische Ausland schmuggelt (bzw. von Spießgesellen schmuggeln läßt) und dortselbst mit Millionengewinn verscherbelt. Das volkseigene Kino der solchermaßen ökonomisch geschädigten DDR kann diese schöne Geschichte natürlich nicht ungestraft geschehen lassen und schreibt (= filmt) sie deswegen entschieden um. Auf der Defa-Leinwand kommen zwei VP-Offiziere den kriminellen Aktivitäten des Optik-Schiebers Hasso Teschendorf (genannt »der Spanier«) gewitzt auf die Schliche und souverän in die Quere. Die Karriere des unlizensierten Interzonenhändlers endet (ganz anders als in der Wirklichkeit), nach einer dramatischen Verfolgungsjagd, auf der Ostseite des Brandenburger Tores. Richard Groschopp setzt diesen frommen Wunschtraum vom Sieg der sozialistischen Gerechtigkeit mit politisch bewußtem Genreschmackes und einer gehörigen Portion Hintertreppenwitz in Szene.
R Richard Groschopp B Lothar Creutz, Carl Andrießen, Richard Groschopp K Eugen Klagemann M Hans Hendrik Wehding A Erich Zander S Helga Emmrich P Willi Teichmann D Hartmut Reck, Heinz-Dieter Knaup, Eva-Maria Hagen, Ivan Malré, Wilfried Ortmann, Hanna Rimkus | DDR | 99 min | 1:1,37 | sw | 13. März 1959
# 978 | 21. November 2015
R Richard Groschopp B Lothar Creutz, Carl Andrießen, Richard Groschopp K Eugen Klagemann M Hans Hendrik Wehding A Erich Zander S Helga Emmrich P Willi Teichmann D Hartmut Reck, Heinz-Dieter Knaup, Eva-Maria Hagen, Ivan Malré, Wilfried Ortmann, Hanna Rimkus | DDR | 99 min | 1:1,37 | sw | 13. März 1959
# 978 | 21. November 2015
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