Der Pfandleiher
»Everything that I loved was taken away from me, and ... I did not die.« Rod Steiger als menschlich gefrorener KZ-Überlebender Sol Nazerman: Der Betreiber einer Pfandleihe in Spanish Harlem sieht alltäglich dem Elend ins Gesicht – doch was sind die Wunden, die Schmerzen, die Narben der anderen gegen seine eigene Verletzung, die ihn zum lebenden Toten gemacht hat? New York wird zum grauen Spiegel der Gespenster, die Nazerman heimsuchen: Eine überfüllte U-Bahn gemahnt an den Transport ins Vernichtungslager, in einer Bandenkeilerei hallt das Echo wachmannschaftlicher Prügelorgien wider, der Verführungsversuch durch eine Prostituierte evoziert Bilder des SS-Bordells, in dem seine Frau geschändet wurde. Steiger, kein Darsteller, der für Subtilität oder underplay bekannt wäre, bleibt auch als seelisch Gelähmter ein Ausbund an explosiver schauspielerischer Energie, wodurch das Porträt eines Paralysierten zur vibrierenden Demonstration gerät. Ebenso ambivalent erscheint – neben dem von sanftem Lyrismus in pulsierende Hektik kippenden Score (Quincy Jones) – der Gegensatz zwischen der gestalterischen Überhöhung der im Studio gebauten Innenräume sowie den (mitunter recht kitschigen) Erinnerungssequenzen und dem ganz unmittelbaren filmischen Zugriff auf die urbane Realität, der an Meister der street photography wie William Klein oder Robert Frank denken läßt (Kamera: Boris Kaufman). Zur Vergegenwärtigung der biographischen Zerrissenheit seiner Titelfigur kontrastiert Regisseur Sidney Lumet peinigende Nähe und eisige Distanzierung, die inszenatorischen Doppelbelichtungen von Faktizität und Mystifikation machen »The Pawnbroker« zu einem Beispiel für etwas, das man vielleicht »abstrakten Naturalismus« nennen könnte.
R Sidney Lumet B Morton Fine, David Friedkin V Edward Lewis Wallant K Boris Kaufman M Quincy Jones A Richard Sylbert S Ralph Rosenblum P Philip Langner, Roger Lewis D Rod Steiger, Geraldine Fitzgerald, Brock Peters, Jaime Sánchez, Thelma Oliver | USA | 116 min | 1:1,85 | sw | 26. Juni 1964
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