4.12.63

Judex (Georges Franju, 1963)

Judex

Poetische Reanimation eines Stummfilm-Mythos: Georges Franju läßt Louis Feuillades rächenden Serienhelden ›Judex‹ als romantischen Richter von eigenen Gnaden wiederauferstehen (die Titelrolle spielt der amerikanische Magier Channing Pollock, der für Präsidenten und Königinnen zauberte). Die Handlung verwickelt einen bösen Bankier und seine ätherische Tochter, ein gieriges Frauenzimmer und ihren verschlagenen Liebhaber, einen vorwitzgen Bengel und einen gutmütigen Detektiv in ein naiv-spukhaftes Abenteuer voller Camouflagen (u. a. falsche Nonnen) und Enthüllungen (z. B. verlorene Söhne), voller doppelter Böden und ungestorbener Tode. »Judex« sucht die Atmosphäre einer verlorenen Zeit (»qui ne fut pas heureuse – 1914«) und findet sie wieder als zärtlichen Alptraum, als schwarz-weiße Dichtung über Rache und Gerechtigkeit sowie (indirekt) über das Geld, jene dämonische Kraft, die alles bewegt und vieles zerstört. Franju, ein später Surrealist, nimmt gestalterischen Bezug auf die unheimliche Klarheit des ganz frühen Kinos, auf die Collagen von Max Ernst, in der sich die Gespenster der Vergangenheit zu beklemmenden Gegenwarten formieren, und auf die animalisch-anthropomorphen Figurationen des Illustrators Grandville: In der vielleicht schönsten und geheimnisvollsten des Szene dieses schönen und geheimnisvollen Werks werden, anläßlich eines festlichen Kostümballs, die Protagonisten mittels realistischer Vogelmasken in phantastische Tierwesen verwandelt – das Sichtbare (die Gestalt) und das Unsichtbare (der Gehalt) verschmelzen bildhaft zu filmischer Einheit.

R Georges Franju B Jacques Champreux, Francis Lacassin V Louis Feuillade K Marcel Fradetal M Maurice Jarre A Robert Giordani S Gilbert Natot P Robert de Nesle D Channing Pollock, Francine Bergé, Edith Scob, Michel Vitold, Jacques Jouanneau | F & I | 104 min | 1:1,66 | sw | 4. Dezember 1963

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