14.10.55

Himmel ohne Sterne (Helmut Käutner, 1955)

»Hier und drüben, das ist so wie Amerika und Asien, nur ein bißchen weiter auseinander.« Eine Liebe in Deutschland: Anna (Eva Kotthaus), Fabrikarbeiterin aus dem Osten, die ihren sechsjährigen Sohn Jochen zu sich holen will, trifft Karl (Erik Schumann), einen Grenzpolizisten aus dem Westen, der ihr bei der interzonalen Kindesentziehung behilflich ist. Die traurige Romanze, die sich aus der zufälligen Begegnung entwickelt, spielt diesseits und jenseits des Eisernen Vorhangs, zwischen Broditz in Thüringen und Oberfeldkirch in Franken. Helmut Käutner weigert sich, beinahe demonstrativ, einer Seite den Vorzug vor der anderen zu geben: Der Westen genießt gedankenlos die wiedererwachte Kaufkraft, im Osten herrschen systemischer Mangel und ideologische Schurigelei; keiner, so wird überall scheinfromm herausposaunt, hat die Grenze gemacht, und alle tun natürlich immer nur ihre Pflicht. Im Niemandsland, in der Ruine eines aufgelassenen Bahnhofs, kommt die Zärtlichkeit zu ihrem Recht, doch ihre Gegenwart ist nicht von Dauer: Trennende Schranken liegen längst über Schienen, die verbinden sollten. »Himmel ohne Sterne« ist nicht frei von augenfälligen Symbolismen, doch es überwiegt die nüchterne Beobachtung einer anormalen Normalität. Die Schizophrenie der Verhältnisse wird insbesondere sichtbar an den beiden Großelternpaaren des kleinen Jochen, der vom historischen Dilemma (noch) nichts weiß: Im Westen Annas Schwiegereltern, deren Sohn im Krieg gefallen ist, die geschäftstüchtigen Kaufleute Friese (Gustav Knuth und Camilla Spira), sentimental und selbstsüchtig; im Osten die greisen Kaminskis (Erich Ponto und Lucie Höflich), grundanständig doch alptraumverloren aus der Zeit gefallen. Gegenseitig hat man sich abgeschrieben. »Laß die Dinge, wie sie sind. Wie sie sind, sind sie gut«, sagt der alte Friese zu Anna, während Großvater Kaminski ihr kundtut: »Es gibt eine Grenze. Auch für dich.« »Und das mitten in Deutschland!« ruft hilflos ein Wachposten, nachdem er vorschriftsgemäß die Schäferhunde von der Leine gelassen hat.

R Helmut Käutner B Helmut Käutner K Kurt Hasse M Bernhard Eichhorn A Hans Berthel, Robert Stratil S Anneliese Schönnenbeck P Harald Braun D Eva Kotthaus, Erik Schumann, Erich Ponto, Lucie Höflich, Gustav Knuth, Camilla Spira, Horst Buchholz | BRD | 108 min | 1:1,37 | sw | 14. Oktober 1955

# 880 | 13. Juni 2014

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