4.12.59

À double tour (Claude Chabrol, 1959)

Schritte ohne Spur 

Als Prolog eine lange Kamerafahrt, über einen Teich mit künstlichen Blumen, durch einen Garten, in ein gelbes Haus, das an einen japanisches Teepavillon erinnert, vorbei an einer Staffelei, über einen blauen Teppich voller verstreuter Gegenstände, Kleidungsstücke, umgestürzte Gläser und Figuren, bis zu einem kinetischen Objekt, einer rotierenden polychromen Scheibe, die einen hypnotischen Effekt erzeugt. Die eigentliche Erzählung beginnt mit einem Fensterladen, der geöffnet wird, und endet mit einer aufflammenden Laterne; dazwischen ein Frühlingstag in der Provence, strahlender Himmel, blühender Mohn, eine große Villa, eine kaputte Familie, eine attraktive Nachbarin, ein Mord, ein Geständnis … Mittels durchdachter Farbdramaturgie, einer originellen Rückblendenkonstruktion und dem exzessiven Einsatz von Spiegeln schafft Claude Chabrol ein südfranzösisches Äquivalent zur amerikanischen Southern Gothic. »À double tour« präsentiert, in stellenweise grotesker Überzeichnung, eine dysfunktionale Sippschaft – repressive Mutter, blockierter Vater, verweichlichter Sohn, indifferente Tochter – in vollgestopften Interieurs, auf die farbige Glasfenster grünliche Verwesungsschimmer werfen. Zwei Katalysatoren, der impertinente Schwiegersohn in spe (Belmondo gibt dem Affen Zucker), und eine Künstlerin sans gêne, lassen die erstarrten Konventionen, die Verkarstung der Gefühle, die Zerrüttung und die Häßlichkeit der bürgerlichen Lebenswelt sichtbar werden. Vor der Tat betrachtet der Mörder sein Gesicht im Spiegel und stellt fest: »C’est le visage d’un mort vivant, la négation, la laideur.« Also muß die Schönheit sterben, und mit ihr vergeht das Versprechen auf Freiheit.

R Claude Chabrol B Claude Chabrol, Paul Gégauff V Stanley Ellin K Henri Decaë M Paul Misraki A Jacques Saulnier, Bernard Evein S Jacques Gaillard P Raymond Hakim, Robert Hakim D Jean-Paul Belmondo, Madeleine Robinson, Antonella Lualdi, Jacques Dacqmine, André Jocelyn | F & I | 100 min | 1:1,66 | f | 4. Dezember 1959

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