Die Ballade vom Soldaten
Eine alte Frau sieht in die Ferne, ihr Blick folgt einer Straße. Vor Jahren ist ihr Sohn auf dieser Straße weggefahren und nicht zurückgekommen … Für seine Tapferkeit vor dem Feind (er hat »aus Angst« zwei deutsche Panzer abgeschossen) erhält der 19jährige Funker Aljoscha (blühend: Wladimir Iwaschow) sechs Tage Heimaturlaub: zwei Tage für den Weg ins Dorf, zwei Tage zum Reparieren von Mutters Dach, zwei Tage für den Weg zurück zur Front. Doch dieselbe Unbekümmertheit, die ihn zum Helden machte, verhindert, daß der junge Rotarmist seine strenge Reiseplanung einhält. Immer wieder läßt er sich vom Moment forttragen: Wenn er einen vergrämten Invaliden begleitet und ihm neuen Lebensmut gibt, wenn er die Frau eines Kameraden aufsucht, um ihr ein Stück Seife als (kostbares!) Geschenk zu bringen, wenn er für das Mädchen Schura (anmutig: Schanna Prochorenko), dem er unterwegs begegnete, Wasser holt und die Weiterfahrt seines Zuges verpaßt. Als er schließlich sein Dorf erreicht, bleiben ihm nur wenige Minuten: Das kurze Wiedersehen zwischen Aljoscha und seiner Mutter ist ein Abschied für immer … Ein paar Tage zwischen Krieg und Liebe, ein paar Tage, die zur Lebensreise werden: Bei allem Sinn für realistische Dramatik und die Poesie des Augenblicks beweist Grigori Tschuchrai gesunden Mut zum großen Gefühl, um seine humanistische Botschaft ans Publikum zu bringen. Er kann es sich erlauben, denn die Natürlichkeit der jugendlichen Hauptdarsteller bewahrt den Film vor jedem falschen Ton platter Sentimentalität. »Ballada o soldatje« betört und erschüttert als komprimierter Bildungsroman zwischen condition humaine und éducation sentimentale, als pikareske Fahrt durch zerstörte Städte und geschundene Landschaften, als unschuldig-zärtliche Romanze, als Hohelied auf Offenheit, Menschlichkeit und Individualismus, als bewegender Nachruf auf einen wundervollen Jungen, der vielleicht ein wundervoller Mann geworden wäre.
R Grigori Tschuchrai B Walentin Jeschow, Grigori Tschuchrai K Wladimir Nikolajew, Era Saweljewa M Michail Siw A Boris Nemetschek S Marija Timofejewa P Mosfilm D Wladimir Iwaschow, Schanna Prochorenko, Antonina Maximowa, Jewgeni Urbanski, Nikolai Krjutschkow | SU | 88 min | 1:1,37 | sw | 1. Dezember 1959
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