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23.10.75

Bis zur bitteren Neige (Gerd Oswald, 1975)

Vor 20 Jahren war Paul Jordan (Maurice Ronet) ein großer Hollywood-Star, dann heiratete er eine reiche Frau (Suzy Kendall), verfiel dem Alkohol, schwängert schließlich seine Stieftochter (Susanne Uhlen). Der abgehalfterte Mime will wieder spielen, um sowohl dem exklusiven Elend wie auch den emotionalen Familienverwicklungen zu entfliehen; er akzeptiert das Angebot eines europäischen Nachwuchsregisseurs, fährt nach Wien, wo er die Hauptrolle in einem Film mit dem beziehungsreichen Titel »Oppression« übernehmen soll … Gerd Oswald, der sich aller formalen Manierismen der frühen Vohrerschen Simmel-Verfilmungen konsequent enthält, und Manfred Purzer, dessen Bearbeitung die im Roman beschriebene lastende Schuld aus der Backstory des Protagonisten tilgt, destillieren aus der sentimentalen Säuferkolportage eine surreal-existenzialistische Studie über Schwermut und Stolz, über Sucht und die Suche nach dem Glück im Vergessen. Ronets erbarmenswert verlebte Weltläufigkeit beschwört in mehr als einer Szene die Erinnerung an seine Performance in Louis Malles Depressionsdrama »Le feu follet« herauf: Ebensowenig wie Alain Leroy taugt Paul Jordan zum Sympathieträger, und erweckt doch in seiner verzweifelten Hilf-, Halt- und Hoffnungslosigkeit, so etwas wie unwillkürliches Mitleid. Der Gegensatz zwischen der kühlen, bisweilen mokanten Distanz der Inszenierung und der eigentümlichen, fast desorientierenden Sprunghaftigkeit des Handlungsverlaufs verbindet anschaulich die Schilderung äußerer und innerer Zustände um und in einem Helden von der besonders traurigen Gestalt.

R Gerd Oswald B Manfred Purzer V Johannes Mario Simmel K Charly Steinberger M Klaus Doldinger A Ernst Wurzer S Lotte Klimitschek P Luggi Waldleitner D Maurice Ronet, Suzy Kendall, Susanne Uhlen, Balduin Baas, Christine Wodetzky | BRD & A | 105 min | 1:1,66 | f | 23. Oktober 1975

# 857 | 16. April 2014

2.9.60

Schachnovelle

Das Schicksal eines Wiener Aristokraten, der den Nazis nicht zu Diensten sein will: Werner von Basil (Curd Jürgens) half der katholischen Kirche, Kunstschätze in Sicherheit zu bringen, Kostbarkeiten, auf die sich nach dem »Anschluß« das besondere Interesse der neuen Machthaber richtet. Einer von ihnen ist der platinblonde Gestapo-Karrierist Hans Berger (Hansjörg Felmy), der die Persönlichkeit des stolzen Basil zu brechen gedenkt, indem er ihn in strenge Einzelhaft sperrt: kein Gespräch, kein gedrucktes Wort, keinerlei geistige Anregung – Bedingungen, unter denen ein Kulturwesen die Willenskraft früher oder später verlieren muß … Gerd Oswald, als Jugendlicher aus der Heimat vertrieben, hat Entwurzelung und Unmenschlichkeit am eigenen Leib erlebt: Sicherlich auch aufgrund ganz persönlicher Erfahrungen gelingt ihm das eindringliche Porträt eines zwangsweisen Widerständlers, dem ein zufällig ergattertes Schach-Lehrbuch (»150 Meisterpartien«) den isolierten Intellekt einerseits vor Austrocknung bewahrt, andererseits vollends zu zerrütten droht. Das Schachbrett wird für den Gefangenen gleichermaßen zum erlösenden Freiraum wie zum beschränkenden Gitternetz, aus dem er sich kaum mehr zu retten weiß. Indem er Stefan Zweigs Erzählung um eine ambivalente Frauenfigur bereichert, die zwischen den rivalisierenden Männern steht, verschiebt Oswald die poltisch-ideelle Thematik zusehends ins Melodramatische und beschert dem harten Kampf von Schwarz und Weiß eine eher zuckrige Auflösung.

R Gerd Oswald B Harold Medford, Herbert Reinecker, Gerd Oswald V Stefan Zweig K Günther Senftleben M Hans-Martin Majewski A Wolf Englert, Ernst Richter S Klaus M. Eckstein P Luggi Waldleitner D Curd Jürgens, Mario Adorf, Hansjörg Felmy, Claire Bloom, Albert Lieven | BRD | 104 min | 1:1,37 | sw | 2. September 1960

# 942 | 7. Februar 2015

22.11.59

Am Tag, als der Regen kam (Gerd Oswald, 1959)

»Charlie Brown, der hat nur immer Unsinn im Sinn.« Eine Jugendbande in (West-)Berlin: Unter Führung des herrischen, dabei höchst ver­letzbaren Werner (trinkt nur Milch: Mario Adorf), überfallen manierliche Rowdys (alle gehen – der Tarnung halber – ordentlichen Berufen nach) lüsterne Autofahrer oder mürrische Geldboten (ausnahmslos unsympathische, bezasterte Kleinbürgertypen), planen schließlich einen bewaffneten Coup auf die Abendkasse eines Autobusdepots; sie wollen alles und zwar sofort, das schöne Leben heute und nicht später – schließlich weiß niemand, ob es nicht vielleicht morgen schon den großen (atomaren) Knall gibt. Einer der Jungs, Bob (Christian Wolff), der sich verliebt hat (in ein nettes Mädchen aus dem Osten), einer, der weiter denkt als an den Kick, an den Augenblick, will aussteigen, was natürlich nicht erlaubt ist, weswegen sein verzweifeltes Befreiungsmanöver in einer Tragödie enden muß … Gerd Oswald – gebürtiger Berliner, Emigrant, Regisseur von Genrefilmen in Hollywood – nutzt die äußerlich und innerlich kaputte Stadt (die schäbigen Wohnlauben, die schuttigen Brachen, die Katakomben des zerstörten Reichstags) als Schauplatz eines dichten, visuell pointierten Noir-Krimis, der von Verlangen und Verbrechen erzählt, von abgewirtschafteten Vätern (schmierig-suberb: Gert Fröbe als versoffener Arzt ohne Approbation) und skeptischen Söhnen, die nicht so taff sind, wie sie glauben – und auch (metaphorisch) vom Regen, vom lang ersehnten, heiß erflehten, der eines Tages die Bäume erblühen, die Träume erwachen, die Glocken erklingen, von Liebe sie singen lassen wird.

R Gerd Oswald B Heinz-Oskar Wuttig, Gerd Oswald, Will Berthold K Karl Löb M Martin Böttcher A Paul Markwitz, Hans-Jürgen Kiebach S Brigitte Fredersdorf P Artur Brauner D Mario Adorf, Gert Fröbe, Christian Wolff, Corny Collins, Elke Sommer | BRD | 89 min | 1:1,37 | sw | 22. November 1959

25.6.58

Screaming Mimi

Die blonde Venus

Ein psychopathischer Messerstecher attackiert eine Blondine, die im Begriff steht, eine Dusche zu nehmen. Anders als Alfred Hitchcock, der eine ähnliche Situation zwei Jahre später zum fulminant durchkomponierten Mittel- und Höhepunkt eines Horrorthrillers formen wird, knallt Gerd Oswald die Szene in brutaler Kürze an den Anfang seines nachtschwarzen Pulp-Reißers. Tänzerin Virginia Wilson (Anita Ekberg) überlebt den Anschlag äußerlich unverletzt (ihr Stiefbruder erschießt den Angreifer), doch verwirrt sich ihr Geist über das schreckliche Erlebnis. »Screaming Mimi« verknüpft die Geschichte der Traumatisierten und des Nervenarztes Dr. Greenwood, der in manischer Liebe zu seiner Patientin entbrennt und ihr sein weiteres Leben widmet, mit den journalistischen Recherchen zu einer seltsamen Mordserie im Umfeld des (von Burlesque-Legende Gypsy Rose Lee geführten) Amüsierschuppens »El Madhouse« (!), wo die genesene (?) Virginia unter dem Namen Yolanda in einer spektakulären Show-(off)-Nummer auftritt. Burnett Guffeys schmuddlig-kontrast­reiche Schwarzweiß-Bilder verleihen der exaltierten Noir-Fantasie die Aura eines leicht unterbelichteten Klassikers; Ekberg (»the stripper who went to far«) bewegt sich (häufig in Begleitung einer imposanten Dogge namens ›Devil‹) wie eine Schlafwandlerin durch die spukhaft-grelle Erzählung, in die tödliche Obsessionen wie dunkle Schatten fallen, und wo die kitschige Porzellanfigur einer schreienden Frau von altem und von neuem Unheil kündet.

R Gerd Oswald B Robert Blees V Fredric Brown K Burnett Guffey M Mischa Bakaleinikoff A Cary Odell S Gene Havlick, Jerome Thoms P Harry Joe Brown, Robert Fellows D Anita Ekberg, Philip Carey, Gypsy Rose Lee, Harry Townes, Romney Brent | USA | 79 min | 1:1,85 | sw | 25. Juni 1958

# 940 | 5. Februar 2015

9.1.57

Crime of Passion

Das war Mord, Mr. Doyle

Ein straffer Thriller über das Scheitern einer Frau »in a world made by men and for men« … Als ambitionierte Journalistin hat Kathy Ferguson (Barbara Stanwyck) erreicht, was sie erreichen kann: eine tägliche Ratgeberkolumne bei der ›San Francisco Post‹ und große Popularität bei den Leser(inne)n. Der lustlose Chefredakteur erwartet von ihr freilich nicht mehr als »a regular dose of schmaltz«, und als der virile police lieutenant Bill Doyle (Sterling Hayden) aus Los Angeles in Erscheinung tritt, läuft die eingeschworene Junggesellin (»For marriage, I read life sentence.«) mit fliegenden Fahnen in den Ehestand über. Bald schon frustriert von der Dumpfheit des Vorstadtlebens (pokernde Männer, tratschende Frauen) und der dickfelligen Genügsamkeit ihres Gatten, sucht Kathy einen Ausweg aus dieser Hölle der Mittelmäßigkeit: In der Absicht, Bills Karriere zu befördern, knüpft sie Kontakt zu dessen Vorgesetztem, Inspektor Pope (Raymond Burr) … Auch wenn manches unverblümt ausgesprochen wird (»Don’t you have any vision?«), deutet Gerd Oswald persönliche Wechselbeziehungen – sexuelle Attraktion und intellektuelle Anziehung – zumeist nur diskret an und studiert, auf welche Art die animalischen Instinkte seiner Hauptfiguren – Kathy erscheint wie eine Raubkatze, Bill wie ein Bär, Pope wie ein Silberrücken – die Handlung an ein schlimmes Ende treiben: Mit einer gewaltsamen Tat provoziert Kathy einen Nachweis von Bills kriminalistischer Befähigung und damit die bittere Pointe des Films.

R Gerd Oswald B Jo Eisinger K Joseph LaShelle M Paul Dunlap A Leslie Thomas S Marjorie Fowler P Herman Cohen D Barbara Stanwyck, Sterling Hayden, Raymong Burr, Fay Wray, Royal Dano | USA | 85 min | 1:1,66 | sw | 9. Januar 1957

# 941 | 6. Februar 2015

12.6.56

A Kiss Before Dying (Gerd Oswald, 1956)

Ein Kuß vor dem Tode

»I'm a man with a shameful, sinister secret.« Bud Corliss (Robert Wagner), Korea-Kriegsheld und Student an einer kleinen Universität in Arizona, hadert mit seiner Herkunft aus einfachen Verhältnissen. Der kompromißlose Aufstiegswille des attraktiven Ehrgeizlings findet sein Ziel in Dorie Kingship (Joanne Woodward), der Tochter eines reichen Kupfergrubenbesitzers. Eine ungeplante Schwangerschaft und Dories Wunsch, die väterliche Vormundschaft abzustreifen, bringen Buds Vorhaben, sich dem strengen Magnaten als idealer Schwiegersohn zu präsentieren, ernsthaft in Gefahr. Ohne jeden Skrupel räumt der geschmeidige Karrierist daraufhin alles Hindernde aus dem Weg … Gerd Oswalds Debütfilm (nach dem Debütroman von Ira Levin) vermißt mit sachlicher Präzision die (selbst-)zerstörerischen Dimensionen des American Dream, zeigt das Doppelgesicht des einst von Jean de Crèvecœur besungenen »neuen Menschen, der nach neuen Prinzipien handelt«. Die Besetzung des kaltblütigen Psychopathen (»Haven't you heard? Love conquers all.«) mit einem archetypischen boy next door, die emotional beherrschte Erzählung in ungekünstelten CinemaScope-Kompositionen und starken, klaren Farben sowie die Inszenierung schwärzester Momente in hellem Sonnenschein verleihen dem späten Film noir ein hohes Maß an ironischer Distanz. Dazu paßt, daß Buds Streben nach Glück ihn schließlich in eben jene Grube führt, von der er immer geträumt hat.

R Gerd Oswald B Lawrence Roman V Ira Levin K Lucien Ballard M Lionel Newman A Addison Hehr S George A. Gittens P Robert L. Jacks D Robert Wagner, Virginia Leith, Joanne Woodward, Jeffrey Hunter, Mary Astor | USA | 94 min | 1:2,35 | f | 12. Juni 1956

# 939 | 5. Februar 2015