Eine spröde Männerfreundschaft in Schwarzweiß, Breitwand 1:1,66 und Originalton, eine Elegie auf das Sterben der Kinos (mit einem Seitenblick auf den Dämmerschlaf der Provinzzeitungen), eine Lastwagenreise entlang der deutsch-deutschen Grenze (mit einem Motorradabstecher an den Rhein), ein Roadmovie … Ohne, wie im grüblerischen Vorgängerfilm, Rekurs auf die Hochkultur zu nehmen, schauen Wim Wenders und sein Kameramann Robby Müller mit befreiter Offenheit auf das kleine geteilte Land, betrachten es wie einen unbekannten Kontinent; von der Elbe bis nach Oberfranken begleiten sie zwei Drifter, die zufällig aufeinandertreffen und, aus der Laune des Augenblicks heraus, eine Zeitlang zusammenbleiben: Bruno (»King of the Road«: Rüdiger Vogler) fährt mit seinem umgebauten Möbeltransporter durchs Zonenrandgebiet und repariert alte Filmprojektoren, Robert (»Kamikaze«: Hanns Zischler) hat seine Frau verlassen und läßt sich durch den Sommer treiben. Es wird nur wenig gesprochen, gelesen, Musik gehört, es wird gekackt, gepißt, gewichst, und langsam, ganz langsam gewinnen die Protagonisten schemenhafte Konturen; Lebensgeschichten sind zu erahnen, Sehnsüchte und Ängste werden spürbar, Konflikte brechen auf. So entwickelt sich, in nur von der Straße miteinander verbundenen Episoden, ein Versuch über die Möglichkeiten und Unmöglichkeiten des Alleinseins, über fremde Väter und abhandene Frauen, über schweifende Fluchten und die amerikanische Kolonisierung des Unterbewußtsein – für die Wenders elegante Beispiele liefert, wenn er Nicholas Ray und John Ford zitiert, wenn er deutsche Orte zeigt, wie von Walker Evans fotografiert. Die lakonische Heimat- und Nabelschau endet angemessen unbestimmt: »Es muß alles ganz anders werden.«
R Wim Wenders B Wim Wenders K Robby Müller M Improved Sound Limited A Heidi Lüdi S Peter Przygodda P Wim Wenders D Rüdiger Vogler, Hanns Zischler, Lisa Kreuzer, Marquard Bohm, Rudolf Schündler | BRD | 175 min | 1:1,66 | sw | 4. März 1976
# 1033 | 28. November 2016
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