Tagebuch einer Kammerzofe
»J’aime l’armée, la religion, l’ordre, ma patrie surtout. Un bandit aimerait tout ça?« Célestine (Jeanne Moreau) reist mit der Bahn von Paris in die nordfranzösische Provinz, um bei der landadeligen Familie Monteil in Stellung zu gehen. Mit kühler, ironisch gefärbter Objektivität registriert die Bedienstete ihre neue Umgebung: Madame, frustriert und frigide, beargwöhnt Monsieur, der jedem Rock hinterherhechelt, unterdes der betagte Patriarch seinem Fetisch für Schnürstiefel frönt und der viril-sadistische Kutscher, voller Haß auf alles Fremde, chauvinistische Pamphlete verfaßt. Es ist eine bigotte, graue, feindselige, eine bei allem Sauberkeitsfimmel zutiefst schmutzige Welt, die Luis Buñuel durch die Augen der scharfblickenden Kammerzofe betrachtet, eine Welt, in der Schmetterlinge erschossen werden und Schnecken über die Beine lustgemordeter Mädchen kriechen. Daß Célestine letztlich per Heirat zum Mitglied der depravierten Gesellschaft aufsteigt, kann als kapitulative Resignation oder als konsequente Ausnutzung von Möglichkeiten begriffen werden. Indem Buñuel seine Adaption des zur Jahrhundertwende erschienenen Romans von Octave Mirbeau in die frühen 1930er Jahre verlegt, interpretiert er die herrschende bürgerliche Gesinnung, eine ungute Mischung aus selbstmitleidiger Verbitterung und mörderischer Aggression, als (eine) Triebkraft des heraufziehenden Faschismus.
R Luis Buñuel B Luis Buñuel, Jean-Claude Carrière V Octave Mirbeau K Roger Fellous A Georges Wakhévitch S Louisette Hautecœur P Serge Silberman, Michel Safra D Jeanne Moreau, Georges Géret, Michel Piccoli, Françoise Lugagne, Jean Ozenne | F & I | 101 min | 1:2,35 | sw | 4. März 1964
# 1028 | 6. Oktober 2016
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen