Ich bin Kuba
Der Mensch und die Geschichte – eine optimistische Tragödie … Ein Episodenfilm über die Vorgeschichte der kubanischen Revolution? Eher eine filmische Symphonie über eine revolutionäre Situation: vier Sätze über gesellschaftliche Bedingungen, die im Umsturz gipfeln. Eine Prostituierte aus den Slums von Havanna (mit ihrem Verlobten, einem Obsthändler, und einem reichen amerikanischen Freier); ein alter Bauer (mit seinen halbwüchsigen Kindern und dem Grundbesitzer, der ihm die Existenz raubt); ein couragierter Student (mit seinen Kommilitonen und den Schergen des Systems); ein verarmter Landarbeiter (mit seiner Familie und den Kämpfern der Rebellenarmee) – diese Figuren, kaum als Träger von Handlung zu bezeichnen, gleichen, wie die imposanten Landschaften und die dramatischen Stadtansichten, wie die hochragenden Palmen und das wogende Zuckerrohr, ikonischen Motiven einer epochalen filmischen Komposition. Michail Kalatosows rhythmische Inszenierung und Sergei Urussewskis grafische Kamera lösen sich (fast) vollständig aus der Indienstnahme durch die Erzählung, orchestrieren stattdessen eine einmalige audiovisuelle Erfahrung, ein Weitwinkel-Poem von zäher Todesmacht und ihrer lebensgefährlichen Überwindung, eine ungeniert hymnische Liebeserklärung an ein Land und seine Menschen. Infrarotfotografie verzaubert alle Pflanzen in glänzende Zuckerkristalle, virtuose Plansequenzen setzen sich über räumliche Beschränkungen hinweg wie Revolutionäre über scheinbar eherne Verhältnisse. »Soy Cuba« endet mit dem Sieg der Aufständischen, mit einem endlosen Strom von Jubelnden. Die Geschichte, deren Motor (nach Joseph Brodsky) mit Sterbenden befeuert wird, macht Pause.
R Michail Kalatosow B Jewgeni Jewtuschenko, Enrique Pineda Barnet K Sergei Urussewski M Carlos Fariñas A Jewgeni Swidetelew S Nina Glagolewa P Semjon Mariachin, Miguel Mendoza D Luz María Collazo, Jean Bouise, Raúl García, José Gallardo, Raquel Revuelta | SU & C | 141 min | 1:1,37 | sw | 6. September 1964
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