Ein Kloster hoch oben in der kristallklaren Luft des Himalaya – einst lebten in dem abgelegenen Kastell die Frauen eines indischen Fürsten, nun beginnen dort fünf Schwestern eines anglikanischen Ordens ihr tätiges Werk zur schulischen Erziehung und medizinischen Versorgung der örtlichen Jugend. Die Isolierung in majestätisch-abweisender Natur und exotisch-fremder Gesittung konfrontiert die europäischen Nonnen mit längst überwunden geglaubten Anfechtungen: Der Zusammenhalt der kleinen Gruppe zerfällt in individuelle Sinnkrisen, unterdrückte Leidenschaften brechen sich Bahn, selbst die so willensstark scheinende sister superior (Deborah Kerr) schaut schließlich hilflos-entsetzt in den Abgrund ihres eigenen tiefen Zwiespalts … Schauplatz ist eine jener grandiosen inneren Landschaften, die nur das Kino schaffen kann: Von Ausstatter Alfred Junge komplett im Studio errichtet, von Kameramann Jack Cardiff mit bald beherrscht-eisiger, bald sinnlich-lodernder Technicolor-Farbigkeit durchflutet, wird die ständig von einem schneidenden Wind durchwehte Gebirgseinsamkeit zum szenischen Abbild der dramatischen Konflikte zwischen (Selbst-)Kontrolle und (Fremd-)Erregung, zwischen (religiöser) Gefaßtheit und (körperlicher) Ekstase. Mit »Black Narcissus« gestalten Powell und Pressburger einen Film der expressiven (und existentiellen) Kontraste: reinweiße Nonnentracht gegen eine gebräunte Männerbrust, spirituelle Blässe gegen einen knallrot geschminkter Mund, Gemüse gegen Blumen, Zivilisation gegen Instinkte. Und über allem thront der alte heilige Mann, schweigt beharrlich, denkt sich seinen Teil – oder auch nicht.
R Michael Powell, Emeric Pressburger B Michael Powell, Emeric Pressburger V Rumer Godden K Jack Cardiff M Brian Easdale A Alfred Junge S Reginald Mills P Michael Powell, Emeric Pressburger D Deborah Kerr, Kathleen Byron, David Farrar, Flora Robson, Sabu | UK | 100 min | 1:1,37 | f | 24. April 1947
Und über allem thront der alte heilige Mann, schweigt beharrlich, denkt sich seinen Teil – oder auch nicht.
AntwortenLöschenVielleicht denkt er dasselbe wie die Zuschauer, die die gleichen Schlüsse aus dem Ende ziehen wie ich. Zunächst könnte der Schluss etwas unbefriedigend wirken - keiner der Konflikte wird einer überzeugenden Lösung zugeführt. Eigentlich sollte noch eine Szene folgen, in der Deborah Kerr wieder in ihrem Mutterkloster ist. Die Szene wurde gedreht, aber Powell ließ sie zum Glück weg. So besteht der Schluss darin, dass es zu regnen beginnt. Und das ist natürlich nicht irgendein Regen, sondern der Monsun, und der sagt uns: Moment mal, wir sind ja in Indien. Sowas wie Anfang und Ende einer Geschichte gibt es hier gar nicht, das ist nur eine Illusion. Es gibt nur die zyklische Wiederkehr des immer gleichen. (In Renoirs THE RIVER, ebenfalls nach einem Roman von Rumer Godden entstanden, erfüllt der ewig dahinfließende Ganges diese symbolische Funktion, was hier auch relativ explizit ausgesprochen wird.) Und schon sieht man das alles trotz der vorhergehenden Dramatik ganz gelassen - wie der Alte auf dem Berg.
Ich liebe diesen Film, während Rumer Godden ihn hasste (im Gegensatz zu THE RIVER, wo sie auch am Drehbuch mitarbeitete - den liebe ich aber auch).
Die Rückkehr der (verbliebenen) Nonnen ins Kloster hätte allerdings die erzählerische Kreisbewegung des Films vollends geschlossen, wogegen das Einsetzen des Monsuns auch als – sozusagen dramaturgische – Bestätigung von Mr. Deans Prophezeiung verstanden werden kann, der den Schwestern »Zeit bis zum nächsten Regen« gab. Wie auch immer – ich finde das Ende, so wie es ist, auch sehr überzeugend, und erzählerisch stimmiger als eine weitere Szene hinter Klostermauern ist es wohl allemal.
AntwortenLöschen»The River« kenne ich leider (noch) nicht. Soweit ich weiß, hat Renoir ausschließlich an Originalschauplätzen gedreht (?) – das hielt die Autorin der Vorlage vielleicht für überzeugender als die filmische Verwandlung Indiens in eine Provinz von Archers-Land …
»The River« kenne ich leider (noch) nicht. Soweit ich weiß, hat Renoir ausschließlich an Originalschauplätzen gedreht (?)
LöschenJa, Renoir hat komplett in Bengalen gedreht. Was nicht einfach war, weil der Produzent, ein Blumengroßhändler aus LA (der nichts mit den Hollywoodstudios zu tun hatte, außer dass er gelegentlich die Oscar-Zeremonien mit Blumen ausgestattet hatte) vom Geschäft keine Ahnung hatte und Renoir sich neben der Regie auch um die ganze Logistik kümmern musste. Andererseits mischte sich der Produzent im Gegensatz zu den Studios nicht in die Regie ein, sondern ließ Renoir völlig freie Hand, was für ihn nach den Jahren in Hollywood eine Befreiung war.
Location Scout für THE RIVER war Satyajit Ray, damals noch Angestellter einer Werbeagentur. Er hatte in der Zeitung gelesen, dass Renoir in Kalkutta war, suchte ihn im Hotel auf und bot sich an. Renoir bestärkte ihn dann in seinen Plänen, selbst Regisseur zu werden und PATHER PANCHALI zu verfilmen.
Danke für die Infos – und ein Hoch auf die Floristen! :)
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