23.1.62

Jules et Jim (François Truffaut, 1962)

Jules und Jim 

Der erste Akt von »Jules et Jim« ist die vielleicht berückendste (und beglückendste) halbe Stunde, die je fürs Kino erzählt wurde: In der wahlverwandtschaftlichen ménage à trois zwischen den beiden Freunden Jules (Oskar Werner) und Jim (Henri Serre) und ihrer Königin Catherine (Jeanne Moreau), in der fröhlichen Atemlosigkeit, der offenherzigen Reinheit, der verspielten Ernsthaftigkeit des Trios liegt die ganze Hochstimmung der Welt von Gestern, die Seligkeit des alten Europa vor der Katastrophe. Das zwiespältige Vorspruch des Films – »Tu m’as dit je t’aime. Je t’ai dit attends. J’allais dire prends-moi. Tu m’as dit va-t-en.« – hätte zu denken geben können, ebenso die merkwürdig tonlose, kühl registrierende Berichterstatterstimme (Michel Subor) aus dem Off; der große Knall schließlich, der in Gestalt des Großen Krieges mit seinen Grabenkämpfen, Gasangriffen, Völkermorden über die Menschheit im allgemeinen und die Liebenden im besonderen kommt, läßt alles in Scherben fallen: Die Idee (oder Illusion?) von der (Neu-)Erfindung der Liebe als umfassender Harmonie aus dem Geist einer alles verstehenden, alles erlaubenden Freundschaft realisiert sich nicht. Es bleibt ein Tropfen Hoffnung auf den heißen Stein der Frustration, es bleibt das zermürbende Hin und Her der Beziehungen, es bleibt eine Autofahrt in die Erlösung … François Truffaut vermeidet in seiner kongenialen Adaption des autobiographischen Romans von Henri-Pierre Roché jede banale Herleitung oder einfache Erklärung des Tuns und Lassens der drei Seelenfreunde aus der Psychologie ihrer Charaktere; durch die exquisite Einfachheit der Inszenierung, in den schwebenden Franscope-Bildern von Raoul Coutard, zu den bald schwungvollen, bald schwermütigen Kompositionen von Georges Delerue bleiben Jules et Jim et Catherine dennoch keine literarischen Konstrukte – bis zum konsequenten Schluß des Geschehens faszinieren sie als beinahe körperlich präsente Wesen im filmischen tourbillon de la vie.

R François Truffaut B François Truffaut, Jean Gruault V Henri-Pierre Roché K Raoul Coutard M Georges Delerue A Fred Capel S Claudine Bouché P François Truffaut, Marcel Berbert D Jeanne Moreau, Oskar Werner, Henri Serre, Marie Dubois, Boris Bassiak | F | 105 min | 1:2,35 | sw | 23. Januar 1962

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