Die Sanfte
»Je suis ici, l’autre est ailleurs, et le silence est terrible.« (Paul Claudel) ... Fahrt durch das nächtliche Paris. Dichter Verkehr, Passanten, Leuchtreklamen. Eine Hand an der Klinke einer Glastür. Der Rücken einer Frau in Schwarz, die durch die Tür in einen Salon tritt. Blick zum Balkon: ein wippender Schaukelstuhl, ein umstürzender Tisch, ein zu Boden fallender Blumentopf. Ein weißer Schal, der vor der Fassade eines Wohnhauses langsam zu Boden schwebt. Das Quietschen von Bremsen. Autos, die am Straßenrand halten. Beine, die über das Trottoir laufen. Die Sirene eines nahenden Krankenwagens. Eine blonde Frau, die mit ausgestreckten Gliedern bäuchlings auf dem Asphalt liegt. Neben ihrem Kopf ein Blutfleck. Am Totenbett der jungen Frau (Dominique Sanda) fragt (sich) ihr Mann – im (Selbst-)Gespräch mit einer alten Haushälterin – weniger nach dem Grund für ihren scheinbar anlaßlosen Selbstmord, als danach, ob sie ihn liebte, ob sie ihn möglicherweise betrog, ob sie wußte, daß er sie liebt. Indem er den Mann Szenen einer Ehe – die sich dem Zuhörer und Betrachter in erster Linie als Momente des Mißverstehens, der Fremdheit, des Schweigens zwischen dem kühlen Pfandleiher und der empfindsamen Träumerin präsentieren – erinnernd rekapitulieren läßt, führt Robert Bresson in seiner freien Bearbeitung einer Dostojewski-Erzählung nicht nur Gegenwart und Vergangenheit parallel, sondern konfrontiert auch das Leben und den Tod, der alle Antworten mit sich nimmt. Ein stilles Meisterwerk über das Geheimnis, den Zweifel, die Einsamkeit zu zweit – und über die Nacht »qui est commune et incommunicable«.
R Robert Bresson B Robert Bresson V Fjodor M. Dostojewski K Ghislain Cloquet M diverse A Pierre Charbonnier S Raymond Lamy P Mag Bodard D Dominique Sanda, Guy Frangin, Jane Lobre | F & B | 88 min | 1:1,66 | f | 28. August 1969
# 1128 | 23. Juni 2018
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