Der Mann ohne Gesicht
Spielt »Nuits rouges« in einer unwahrscheinlichen Gegenwart oder in einer allgegenwärtigen Vergangenheit? Handelt es sich um einen entrückten Thriller oder um einen thrilleresken Alptraum? Nach einem Drehbuch des Feuillade-Enkels Jacques Champreux erzählt Georges Franju die wüste Geschichte eines skrupellosen Mannes ohne Gesicht, der, unterstützt von einer schönen Frau ohne Namen und einer Armee lobotomierter Sklaven, dem legendären Schatz der Templer nachjagt. Es ist die bedingungslose Lust an einem ebenso naiven wie überfeinerten Kino, an zugleich schlichten und rätselhaften Bilder, an kindischen Maskenspielen und kultivierten Mystifikationen, die die Macher umtreibt. »Nuits rouges«, die kondensiert-sprunghafte Spielfilmfassung eines Fernsehfeuilletons, ist anachronistischer Pulp, surreale Poesie, respektvolle Parodie auf »Fantômas« und seine Freunde: auf Dr. Mabuse, auf rote Teufel, auf reitende Leichen. Franju schließt das dunkle Mittelalter kurz mit der pittoresken Welt des Fotografen Atget und mit dem Zeitalter ferngelenkter Autos, stupider Videospiele, omnipräsenter Überwachung. Ein rechtschaffen verrückter Chirurg und ein gnadenlos schusseliger Detektiv, radioaktiv aufgeladenes Gold und vermummte Zombiekiller, Fehden rivalisierender Geheimbünde im Untergrund und tödliche Scharmützel auf nächtlichen Dachlandschaften – »Nuits rouges« nimmt dies alles wichtig und nichts davon ernst.
R Georges Franju B Jacques Champreux K Guido Bertoni M diverse A Robert Luchaire S Gilbert Natot P Raymond Froment D Jacques Champreux, Gayle Hunnicutt, Gert Fröbe, Josephine Chaplin, Ugo Pagliai | F & I | 105 min | 1:1,66 | f | 20. November 1974
# 1029 | 9. Oktober 2016
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