»Es geschieht ihnen ganz recht, wenn’s jetzt Krieg gibt. Es gibt so viel Haß hier.« Wien, Sommer 1914. Leutnant Franz Ferdinand Trotta (András Bálint) heiratet kurz vor Beginn der Feindseligkeiten Elisabeth Kovacs (Doris Kunstmann), die Tochter eines geschäftigen Uniformschneiders. Nachdem der Tod eines alten Dieners die Hochzeitsnacht verpfuscht hat, reist Trotta tags darauf, unter dem hysterischen Jubel der Massen, im Erster-Klasse-Coupé an die Front ab. Als er vier Jahre später in einem Güterzug zurückkehrt, herrscht gespenstische Stille: Die Donaumonarchie ist untergegangen, die Welt von Gestern liegt in Trümmern. Johannes Schaafs freie Adaption des Romans »Die Kapuzinergruft« von Joseph Roth verdichtet die Katastrophe des Ersten Weltkrieg zu einer kurzen Schwarzblende, um sich sodann den Erscheinungsformen der angerichteten Zerstörung zu widmen: eine Gesellschaft zwischen Katatonie und Revolution, Menschen zwischen halbherziger Agilität und elegischer Wurstigkeit. »Kommt eh der Komet«, lautet eine alte Wiener Lebensweisheit, und Schaaf illustriert diese profunde Erkenntnis in Szenen von surrealer Ironie: Ob (vor dem Krieg) fettleibige Militärs wie träge Walrösser aus dem Heilwasser eines Thermalbades auftauchen, oder (nach dem Krieg) das ehrwürdige Trotta’sche Stadtpalais in eine Familienpension von zweifelhafter Vornehmheit umgewandelt wird – alles Tun ist Ausdruck von Schwäche, von Zwiespalt, von Lähmung. Das Leben wird zur Reminiszenz, zur Erinnerung an eine glorreiche Vergangenheit, die nie mehr war als eine schöne Lüge im Walzertakt. »Ich bin nichts, ich hab nichts, ich kann nichts«, resümiert der Titelheld, der Krieg, Land und Frau verloren hat, und beharrt dennoch auf seiner Identität: »Ich bin der Trotta.« Ein anderer Gescheiterter, einer, der sich konsequenterweise selbst ins Irrenhaus eingewiesen hat, entgegnet ihm: »Trotta? Der ist schon längst tot. Mir scheint, Sie sind ein Schwindler.«
R Johannes Schaaf B Johannes Schaaf, Maximilian Schell V Joseph Roth K Wolfgrang Treu M Eberhard Schoener A Mátyás Varga S Dagmar Hitz P Johannes Schaaf, Heinz Angermeyer D András Bálint, Doris Kunstmann, Rosemarie Fendel, Elma Bulla, István Iglódi | BRD | 95 min | 1:1,37 | f | 16. November 1971
# 966 | 1. August 2015
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