»Pour comprende Alex, il faut parfois oublier les dossiers. Il faut rêver de lui.« Alain Resnais’ Traum vom Hochstapler Alexandre Stavisky alias Serge Alexandre alias ›le beau Sacha‹ … Paris, Anfang der 1930er Jahre: Stavisky (mondän: Jean-Paul Belmondo), Sohn eines braven Zahnarztes aus der Ukraine, erfindet nicht nur sich selbst sondern auch das Geld, das er mit vollen Händen ausgibt. Der falsche Weltmann logiert im ›Claridge‹, hüllt seine Muse Arlette in weißen Zobel, finanziert Revuen und Staatsstreiche, diniert mit der crème de la crème aus Wirtschaft, Gesellschaft und Politik. Als seine finanziellen Luftnummern auffliegen, erschüttert der folgende Skandal die III. Republik bis ins Mark. Ein Film über die Verschwendung als Investition, über den Kredit als Illusion, auf der Imperien errichtet werden. »Un rôle de spectre peut me convenir«, sagt der Titelheld über sich, und tatsächlich schwebt Stavisky wie ein Geist (»Personne ne sais que je suis.«) durch die luxuriösen Kulissen des Spiels: Theaterbühnen, Casinos, Hotelhallen – Transiträume eines trügerischen Vergnügens – sind die Hauptschauplätze der betörend morbiden Zeitrevue. Der ergreifend schöne Nachruf auf eine so extravagante wie desolate Ära verbindet Stummfilmkolportage style Fantômas mit der überfeinerten Ästhetik einer Epochendämmerung à la Visconti, verknüpft den Abgesang auf den Finanzkapitalismus mit einem Seitenblick auf die gescheiterte Hoffnung der Revolution in der Person des exilierten Leo Trotzki. Selten nur werden historisch-politische Stoffe mit einem solchen Höchstmaß an erzählerischem Raffinement (Buch: Jorge Semprún) und visueller Delikatesse (Kamera: Sacha Vierny, Kostüme: Yves Saint-Laurent) dargeboten. Die phänomenale, fragil-nostalgische Musik von Stephen Sondheim und eine großartige Besetzung – Boyer, Duperey, Lonsdale, Périer, Rich – vervollkommnen Resnais’ bitter-süße Suche nach einer verlorenen Zeit.
R Alain Resnais B Jorge Semprún K Sacha Vierny M Stephen Sondheim A Jacques Saulnier S Albert Jurgenson P Jean-Paul Belmondo D Jean-Paul Belmondo, Charles Boyer, Anny Duperey, François Périer, Michael Lonsdale, Claude Rich | F & I | 120 min | 1:1,66 | f | 15. Mai 1974
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