28.10.77

The Serpent’s Egg (Ingmar Bergman, 1977)

Das Schlangenei 

»Go to hell!« – »Where do you think we are?« Ingmar Bergman schickt Dr. Mabuse ins Cabaret. »The scene is Berlin, the evening of Saturday, November 3, 1923.« Abel Rosenberg (mit versoffener Klarheit: John Carradine), Jude, Amerikaner, abgetakelter Trapezartist, stromert nach dem Selbstmord seines Bruders durch das Inflationschaos der Reichshauptstadt. Seine Exschwägerin, die Tingeltangeldiseuse und Gelegenheitsnutte Manuela (mit grüner Lockenperücke: Liv Ullmann), und der Arzt und (Menschen-)Forscher Dr. Hans Vergérus (mit gefährlich-randloser Brille: Heinz Bennent), ein geheimnisvoll-unheimlicher Bekannter aus sonnigen Jugendjahren, kreuzen Abels Wege durch das irdische Jammertal. Verzweiflung, Hoffnungslosigkeit und die Ahnung von der kommenden großen Katastrophe ziehen wie giftige Nebelschwaden durch die Seelen der Menschen – und durch die Straßen der Stadt, in die sich ein Sturzbach von übel zugerichteten Leichen ergießt, allesamt Opfer unverständlicher Gräueltaten: Verbrechen, die der aufrechte Inspektor Bauer (Gert Fröbe), seiner preußischen Beamtenpflicht folgend, mit trübsinniger Hartnäckigkeit aufzuklären versucht … Bergman, von schwedischen Steuerbürokraten ins Münchner Exil getrieben, inszeniert, fern der Heimat, in einer der grandiosesten jemals in Deutschland errichteten Filmarchitekturen (Rolf Zehetbauer), einmal mehr eine Vision der Hölle auf Erden – eine Gesellschaft in Auflösung, Menschen in Angst, Körper in Qualen – und einen poetisch-politischen rückblickenden Ausblick auf den (aus der Furcht und dem Entsetzen der von Gott verlassenen Kreaturen) heraufsteigenden Faschismus: »I wake up from a nightmare and find that real life is worse than the dream.«

R Ingmar Bergman B Ingmar Bergman K Sven Nykvist M Rolf A. Wilhelm A Rolf Zehetbauer S Jutta Hering P Dino De Laurentiis D Liv Ullmann, David Carradine, Gert Fröbe, Heinz Bennent, James Whitmore | USA & BRD | 120 min | 1:1,66 | f | 28. Oktober 1977

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