Meine Nacht bei Maud
Six contes moraux, 3: Der von Jean-Louis Trintignant verkörperte Protagonist (und Erzähler) – Mitte 30, Ingenieur bei Michelin in Clermont-Ferrand, praktizierender Katholik – beobachtet in der Messe eine zurückhaltend wirkende (blonde) Frau (Marie-Christine Barrault) – und schlagartig wird ihm bewußt, daß er sie, die er nicht kennt, von der er nichts weiß: heiraten wird. Bevor es soweit ist, verbringt er (ungeplant – heftiger weihnachtlicher Schneefall hindert ihn am Nachhausefahren) eine Nacht und den folgenden Tag bei und mit der freigeistigen (brünetten) Maud (Françoise Fabian), der (geschiedenen) Freundin eines (marxistischen) Bekannten. Die kurze Begegnung gleicht einem gedankenvollen Redestrom, der kontroverse Überlegungen zu Themenpaaren wie Zufall und Bestimmung, ewige Liebe und Abnutzung der Gefühle, Körper und Geist, freier Wille und göttliche Gnade, Religiosität und Unglaube, Prinzipienfestigkeit (= Treue) und Flexibilität (= Seitensprung) heraufspült und wieder verschlingt. Éric Rohmer inszeniert seine winterlichen scènes de la vie de province als strenges psychologisches Rezitationsdrama, das dank der stupenden Sensibilität von Kameramann Néstor Almendros trotz entschiedener räumlicher Beschränkung eine erstaunliche visuelle Spannkraft entfaltet. Leise (fast überhörbare) sommerliche Ironie verrät sich erst in der kolportagehaften Schlußpointe. PS: »Kommt, reden wir zusammen / wer redet, ist nicht tot …«
R Éric Rohmer B Éric Rohmer K Néstor Almendros A Nicole Rachline S Cécile Decugis P Barbet Schroeder, Pierre Cottrell D Jean-Louis Trintignant, Françoise Fabian, Marie-Christine Barrault, Antoine Vitezm Guy Léger | F | 110 min | 1:1,37 | sw | 15. Mai 1969
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