Sie küßten und sie schlugen ihn
François Truffauts semiautobiographische Abrechnung mit den Autoritäten seiner Jugend: Als sei er selbst noch einmal 12½, stellt der Regisseur sein Alter Ego, den halbwüchsigen Antoine Doinel (intensiv: Jean-Pierre Léaud), frontal einem verständnislos-unverständlichen Milieu gegenüber, das mit dem Tunnelblick der Pubertät betrachtet wird: Die Mutter ist ein garstiges Flittchen, der (Stief-)Vater ein überforderter Schlappschwanz, die Lehrer erscheinen als bösartige Witzfiguren; Momente der Freundlichkeit, gar des Verstehens zwischen den Generationen (= Fronten) sind trügerisch, werden im nächsten Augenblick schon wieder von gefühlskalten Böen hinfortgeweht. Alle gegen einen – einer gegen alle: Dem ungeliebten Antoine, der seine Liebe Balzac und dem Kino schenkt, bleibt nichts als die Flucht aus der Gemeinheit – in die Matineen und auf den Rummel, in die Bücher und in die Pariser Nacht –, ein (mitunter kleinkrimineller) Freiheitsdrang, der von den elterlichen, schulischen, schließlich auch polizeilichen Gewalten nur als Renitenz gedeutet werden kann, die gebrochen werden muß. Durch die konsequente filmische Verabsolutierung der Perspektive des ungestüm-bevormundeten Helden verzichtet Truffaut zwar (willentlich) auf eine differenzierte Beschreibung des eng(herzig)en Kosmos seines Entwicklungsromans, führt (und trifft) aber auf diese Weise mitten hinein in die problematische Seelenwelt seines so melancholischen wie couragierten Protagonisten.
R François Truffaut B François Truffaut, Marcel Moussy K Henri Decaë M Jean Constantin A Bernard Evein S Marie-Josèphe Yoyotte P François Truffaut D Jean-Pierre Léaud, Claire Maurier, Albert Rémy, Guy Decomble, Patrick Auffay | F | 99 min | 1:2,35 | sw | 4. Mai 1959
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