27.10.79

Der Willi-Busch-Report (Niklaus Schilling, 1979)

»Mädchen, 5, sagt Wiedervereinigung voraus! Wie verhält sich Bonn?« Was der Antike die Säulen des Herakles waren, bedeutet zu Zeiten des Kalten Krieges der Eiserne Vorhang: non plus ultra … Friedheim ist ein Nest an der innerdeutschen Grenze; die ›Werra-Post‹ ist ein Provinzblättchen, dessen Verlaufszahlen seit Jahrzehnten rückläufig sind. Willi Busch (Tilo Prückner) und seine Schwester Adelheid betreiben die ererbte ›Werra-Post‹ im abgeschiedenen Friedheim mit dem liebenswert-vernagelten Eigensinn echter Hinterwäldler. Weil im Nichts der welthistorischen Peripherie nichts passiert, erfindet Lokalreporter Willi (»Wie wohl ist dem, der dann und wann / Sich etwas Schönes dichten kann!«) zur Steigerung der Auflage kurzerhand packende Neuigkeiten: einen mysteriösen Telefonzellenvandalen, ein politisches Verkündigungswunder, die mörderischen Aktivitäten eines Agentenrings. Die journalistische Imagination wird schließlich von der Wirklichkeit ein- und überholt: Das Leben ahmt nicht nur die Kunst nach sondern auch die Sensationspresse … In Niklaus Schillings schizophrener Heimat-Humoreske knattert (oder fliegt?) der rasende Berichterstatter in einem Messerschmitt Kabinenroller durch das Zonenrandgebiet; dem besessenen Nachrichtenjäger folgt, gleichsam schwerelos, das erste Steadicam-Equipment der Kinogeschichte (Kamera: Wolfgang Dickmann). Die ins Surreal-Hysterische kippende Borderline-Story verquickt Liebe und Spionage, Geschichte und Geschichten, Schöpfergeist und Wahnsinn; am Ende der mehr und mehr zerflatternden Schose steigen Wahrlügner Willi die selbsterdachten Nachrichten derart zu Kopfe, daß er nach einem schweren Anfall von Grenzkoller abtransportiert werden muß: »Na, jetzt hat er seine Ruh! / Ratsch! Man zieht den Vorhang zu.«

R Niklaus Schilling B Niklaus Schilling K Wolfgang Dickmann M Patchwork A Christa Molitor S Niklaus Schilling P Elke Haltaufderheide D Tilo Prückner, Dorothea Moritz, Kornelia Boje, Hannes Kaetner, Klaus Hoser | BRD | 103 min | 1:1,85 | f | 27. Oktober 1979

# 775 | 21. September 2013