Erstaunlich vitale sozialistische Romanze um eine staatsbürgerlich engagierte Lehrerin (Annekathrin Bürger), die den drögen Kollegen gegen einen sympathischen (und attraktiven) Baubrigadier eintauscht. Die schwarzweiße Totalvision-Kamera (Peter Krause) beobachtet nicht nur intensiv die Schwierigkeiten der Paarfindung unter den Bedingungen der wissenschaftlich-technischen Revolution, sie sieht auch freudig zu, wie das alte Berlin in Trümmer sinkt, um Platz für die architektonischen Errungenschaften der Ostmoderne zu machen – während in den genormten Schulbauten (›Typ Dresden‹) der Mensch von morgen erzogen wird. Mit seinen Impressionen aus der Zeit unter Ulbricht gibt sich Autor und Regisseur Rolf Römer zwar kinematographisch betont unangepaßt, schlendert aber im Grunde recht artig auf der Straße der ideologischen Affirmation. Trotz alledem: ein Film so locker und leicht, der schwimmt sogar in Club-Cola.
R Rolf Römer B Rolf Römer K Peter Krause M Klaus Lenz A Heike Bauersfeld S Brigitte Krex P Bernd Gerwien D Annekathrin Bürger, Frank Obermann, Petra Hinze, Hans-Dieter Knaup, Rolf Römer | DDR | 97 min | 1:2,35 | sw | 29. Januar 1970
29.1.70
21.1.70
Le passager de la pluie (René Clément, 1970)
Der aus dem Regen kam
Trilogie des contes policiers (1) … Ein Zitat aus Lewis Carrolls »Alice in Wonderland« gibt Hinweis auf Richtung und Tempo der Erzählung sowie auf das ungläubige Staunen, aus dem die verfolgte Heldin nicht mehr heraus kommen wird: »Either the well was very deep, or she fell very slowly, for she had plenty of time as she went down to look about her and to wonder what was going to happen next.« Die Alice aus René Cléments südfranzösischem Märchenthriller heißt Mélancolie Mau genannt Mellie (Marlène Jobert); stets weiß gekleidet, verheiratet mit einem obsessiv-eifersüchtigen Mann, blieb ein Teil von ihr das 13jährige Mädchen, das seine Mutter einst mit einem fremden Mann beim Sex erwischte, woraufhin der gehörnte Vater die Familie verließ. Eines verregneten Tages, ihr Gatte ist auf Reisen, sieht Mellie dem Bus, der sonst nie hält, einen Fremden entsteigen, der sie fixiert und verfolgt, sodann überfällt und vergewaltigt. Sie erschießt den Mann, wirft seine Leiche heimlich ins Meer – doch schon am nächsten Morgen taucht ein mysteriöser Amerikaner auf, der sie des Mordes bezichtigt. Die Absichten von Harry Dobbs (Charles Bronson) liegen im Dunkeln, sein Verhalten schwankt zwischen Brutalität und Süffisanz. Wie in Trance stürzt Mellie immer tiefer in den Schacht, fällt durch die rätselhafte Welt der Großen, eine Welt der Gewalt und der Bedrohung: In der bizarrsten Episode des Geschehens gerät sie in ein Pariser maison de plaisir, wo ihr die Herzkönigin in Gestalt einer mondän-sadistischen Puffmutter begegnet. Schock und Zauber lösen sich schließlich im Moment der Überführung, der (leider?) auch der Augenblick des Erwachsenwerdens ist … Die Bezüge zu Alfred Hitchcock – das unschuldige Schuldigwerden, die Auflösung von Gewißheit im Strudel der Angst, der Name des Vergewaltigers: Mac Guffin – sind nicht zu übersehen (auch das Mutter-Tochter-Thema aus »Marnie«, einem der traumartigsten Filme Hitchcocks, klingt an), doch der schlafliedhafte Erzählrhythmus, die bewußten Rollenspiele der Figuren, die unbefangene Antipsychologie, die Absage an äußere Kausalität zugunsten einer inneren, subjektiven Wirklichkeit verleihen »Le passager de la pluie«, diesem somnambulen rite de passage, sein ganz eigenes, hypothetisch-irreales Kolorit.
R René Clément B Sébastien Japrisot K Andreas Winding M Francis Lai A Pierre Guffroy S Françoise Javet P Serge Silberman D Marlène Jobert, Charles Bronson, Anny Cordy, Jill Ireland, Jean Gaven | F & I | 120 min | 1:1,85 | f | 21. Januar 1970
Trilogie des contes policiers (1) … Ein Zitat aus Lewis Carrolls »Alice in Wonderland« gibt Hinweis auf Richtung und Tempo der Erzählung sowie auf das ungläubige Staunen, aus dem die verfolgte Heldin nicht mehr heraus kommen wird: »Either the well was very deep, or she fell very slowly, for she had plenty of time as she went down to look about her and to wonder what was going to happen next.« Die Alice aus René Cléments südfranzösischem Märchenthriller heißt Mélancolie Mau genannt Mellie (Marlène Jobert); stets weiß gekleidet, verheiratet mit einem obsessiv-eifersüchtigen Mann, blieb ein Teil von ihr das 13jährige Mädchen, das seine Mutter einst mit einem fremden Mann beim Sex erwischte, woraufhin der gehörnte Vater die Familie verließ. Eines verregneten Tages, ihr Gatte ist auf Reisen, sieht Mellie dem Bus, der sonst nie hält, einen Fremden entsteigen, der sie fixiert und verfolgt, sodann überfällt und vergewaltigt. Sie erschießt den Mann, wirft seine Leiche heimlich ins Meer – doch schon am nächsten Morgen taucht ein mysteriöser Amerikaner auf, der sie des Mordes bezichtigt. Die Absichten von Harry Dobbs (Charles Bronson) liegen im Dunkeln, sein Verhalten schwankt zwischen Brutalität und Süffisanz. Wie in Trance stürzt Mellie immer tiefer in den Schacht, fällt durch die rätselhafte Welt der Großen, eine Welt der Gewalt und der Bedrohung: In der bizarrsten Episode des Geschehens gerät sie in ein Pariser maison de plaisir, wo ihr die Herzkönigin in Gestalt einer mondän-sadistischen Puffmutter begegnet. Schock und Zauber lösen sich schließlich im Moment der Überführung, der (leider?) auch der Augenblick des Erwachsenwerdens ist … Die Bezüge zu Alfred Hitchcock – das unschuldige Schuldigwerden, die Auflösung von Gewißheit im Strudel der Angst, der Name des Vergewaltigers: Mac Guffin – sind nicht zu übersehen (auch das Mutter-Tochter-Thema aus »Marnie«, einem der traumartigsten Filme Hitchcocks, klingt an), doch der schlafliedhafte Erzählrhythmus, die bewußten Rollenspiele der Figuren, die unbefangene Antipsychologie, die Absage an äußere Kausalität zugunsten einer inneren, subjektiven Wirklichkeit verleihen »Le passager de la pluie«, diesem somnambulen rite de passage, sein ganz eigenes, hypothetisch-irreales Kolorit.
R René Clément B Sébastien Japrisot K Andreas Winding M Francis Lai A Pierre Guffroy S Françoise Javet P Serge Silberman D Marlène Jobert, Charles Bronson, Anny Cordy, Jill Ireland, Jean Gaven | F & I | 120 min | 1:1,85 | f | 21. Januar 1970
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