Es beginnt mit einem Geschwisterstreit: die Schwester aus dem Westen ist entgeistert über den Bruder aus dem Osten, der sich (als Hausvertrauensmann) zum unkritischen Parteigänger der Unfreiheit in einer Gesellschaft der Angst entwickelt habe; er widerspricht ihr und schickt zum Beweis, daß niemand in seinem Staat in Furcht lebe, anonyme Drohbriefe (»Es ist alles herausgekommen!«) an die fünf Parteien seiner Hausgemeinschaft; die Probe aufs Exempel mißglückt – alle Angeschriebenen, die Lehrerin und der Volksrichter, der Lebensmittelhändler mit Frau und drei Söhnen, der Philosophieprofessor mit Gattin und adliger Schwiegermutter, ja selbst der denunziatorische Pressezeichner, flüchten Hals über Kopf vor der namenlosen Gefahr auf die andere Seite des Eisernen Vorhangs (wo auch nicht alles Gold ist, was glänzt) ... Gerhard T. Buchholz, als Regisseur, Szenarist und Produzent einer der wenigen originären Autorenfilmer der jungen Bundesrepublik, unterzieht die konkrete deutsch-deutsche Situation der Nachkriegszeit einer leichten künstlerischen Verfremdung (die DDR heißt nicht DDR, die BRD nicht BRD, die Begriffe Sozialismus und Kapitalismus werden mehr oder weniger kunstvoll umschifft) und entwickelt aus seiner etwas papiernen Prämisse eine wunderliche Mischung von Politsatire und Gesellschaftsdrama, Paranoiakomödie und ideologischem Mysterienspiel. Zwar scheint die propagandistische Hauptstoßrichtung des Werkes eindeutig (»Alle Unfreiheit ist tödlich, wenn sie von materialistischen Gewalten ausgeht.«), doch läßt Buchholz dabei auch der Verfettung und Entmenschung, der schnöden Man-kann-ja-nicht-allen-helfen-Mentalität der vermeintlich besten aller Wirtschafts(wunder)welten eine durchaus (zivilisations)kritische Würdigung angedeihen.
R Gerhard T. Buchholz B Gerhard T. Buchholz K Peter Zeller M Hans-Martin Majewski A Max Arthur Bienek S Gertrud Hinz-Nischwitz P Gerhard T. Buchholz D Barbara Rütting, Horst Niendorf, Lu Säuberlich, Alf Marholm, Paul Albert Krumm | BRD | 97 min | 1:1,37 | sw | 29. Mai 1952
# 1049 | 26. März 2017
29.5.52
23.5.52
Rancho Notorious (Fritz Lang, 1952)
Engel der Gejagten
»Oh listen, listen well«, heißt der Sänger das Publikum, während die Anfangstitel laufen: »Listen to the legend of Chuck-a-Luck, Chuck-a-Luck, listen to the wheel of fate.« Fritz Langs »tale of the old frontier« erzählt die Geschichte des Farmarbeiters Vern Haskell (Arthur Kennedy), der nach Ermordung seiner Braut auf die Jagd nach dem Täter geht. Mehrfach kommentiert der Sänger strophenweise das Geschehen – ein Kunstgriff, der die extreme Theatralität des (fast ausschließlich im Studio gedrehten) B-Films ironisch betont … Seine Nachforschungen führen Vern zur Ranch ›Chuck-a-Luck‹ und deren Besitzerin Altar Keane (Marlene Dietrich), die gesuchten Banditen gegen Bezahlung Unterschlupf gewährt. In diversen Flashback-Berichten wird das fast mythische Bild dieser durch und durch unabhängigen Frau gezeichnet: wie sie auf dem Rücken eines Mannes ein Juxrennen durch einen Saloon reitet, wie sie in großer Robe eine von zwei Schimmeln gezogene Kutsche durch eine staubige Grenzstadt lenkt, wie sie mit Hilfe des charmanten Revolverhelden Frenchy Fairmont (Mel Ferrer) beim Glücksspiel (›Chuck-a-Luck‹) jenes Vermögen gewinnt, das es ihr gestattet, sich eine (zeitweilig) gesicherte Existenz im Schatten des Gesetzes aufzubauen. Als sie leibhaftig ins Zentrum der Handlung tritt, erscheint die Patronin des Hideouts gleichermaßen herrisch (»I am the boss of this ranch. I make the rules.«) und wehmütig – ihre Zeit, die große Zeit des Wilden Westens, so ahnt sie wohl, geht zu Ende: »Go away«, sagt Altar zu Vern, dem ihr Herz sich zuneigt, »go away and come back ten years ago.« Aber die Uhr läßt sich nicht zurückstellen, weder für die alternde Schönheit, noch für den Gunman oder den Rächer. Das Schicksalsrad dreht sich unaufhaltsam – »round and round with a whispering sound, it spins, it spins the old story of hate, murder and revenge«.
R Fritz Lang B Daniel Taradash, Silvia Richards K Hal Mohr M Emil Newman, Ken Darby A Wiard Ihnen S Otto Ludwig P Howard Welsch D Marlene Dietrich, Arthur Kennedy, Mel Ferrer, Lloyd Gough, Gloria Henry | USA | 89 min | 1:1,37 | f | 23. Mai 1952
# 934 | 18. Januar 2015
»Oh listen, listen well«, heißt der Sänger das Publikum, während die Anfangstitel laufen: »Listen to the legend of Chuck-a-Luck, Chuck-a-Luck, listen to the wheel of fate.« Fritz Langs »tale of the old frontier« erzählt die Geschichte des Farmarbeiters Vern Haskell (Arthur Kennedy), der nach Ermordung seiner Braut auf die Jagd nach dem Täter geht. Mehrfach kommentiert der Sänger strophenweise das Geschehen – ein Kunstgriff, der die extreme Theatralität des (fast ausschließlich im Studio gedrehten) B-Films ironisch betont … Seine Nachforschungen führen Vern zur Ranch ›Chuck-a-Luck‹ und deren Besitzerin Altar Keane (Marlene Dietrich), die gesuchten Banditen gegen Bezahlung Unterschlupf gewährt. In diversen Flashback-Berichten wird das fast mythische Bild dieser durch und durch unabhängigen Frau gezeichnet: wie sie auf dem Rücken eines Mannes ein Juxrennen durch einen Saloon reitet, wie sie in großer Robe eine von zwei Schimmeln gezogene Kutsche durch eine staubige Grenzstadt lenkt, wie sie mit Hilfe des charmanten Revolverhelden Frenchy Fairmont (Mel Ferrer) beim Glücksspiel (›Chuck-a-Luck‹) jenes Vermögen gewinnt, das es ihr gestattet, sich eine (zeitweilig) gesicherte Existenz im Schatten des Gesetzes aufzubauen. Als sie leibhaftig ins Zentrum der Handlung tritt, erscheint die Patronin des Hideouts gleichermaßen herrisch (»I am the boss of this ranch. I make the rules.«) und wehmütig – ihre Zeit, die große Zeit des Wilden Westens, so ahnt sie wohl, geht zu Ende: »Go away«, sagt Altar zu Vern, dem ihr Herz sich zuneigt, »go away and come back ten years ago.« Aber die Uhr läßt sich nicht zurückstellen, weder für die alternde Schönheit, noch für den Gunman oder den Rächer. Das Schicksalsrad dreht sich unaufhaltsam – »round and round with a whispering sound, it spins, it spins the old story of hate, murder and revenge«.
R Fritz Lang B Daniel Taradash, Silvia Richards K Hal Mohr M Emil Newman, Ken Darby A Wiard Ihnen S Otto Ludwig P Howard Welsch D Marlene Dietrich, Arthur Kennedy, Mel Ferrer, Lloyd Gough, Gloria Henry | USA | 89 min | 1:1,37 | f | 23. Mai 1952
# 934 | 18. Januar 2015
Abonnieren
Posts (Atom)