18.9.70

Die Feuerzangenbowle (Helmut Käutner, 1970)

Nachdem er 1964 mit seiner Adaption der »Lausbubengeschichten« von Ludwig Thoma (wohl unwillentlich) zum Auslöser einer Flut von harmlos-deftigen Lümmel-, Pennen- und Paukerfilmen geworden war, liefert Helmut Käutner, auf dem Höhepunkt der Welle, mit der dritten (erstmals farbigen) Verfilmung von Heinrich Spoerls humorigem Gymnasialpunsch einen weiteren Beitrag zu diesem spezifisch bundesdeutschen Komödien-Subgenre. Ohne erkennbare künstlerische Ambition gießt Käutner einmal mehr die vorgestrig-behagliche Provinzialität und die altbekannten Schülerstreiche der Vorlage auf, ignoriert mit geradezu konterrevolutionärer Dickfälligkeit den Zeitgeist einer gesellschaftlichen Umbruchsphase. Theo Lingen (hilflos stotternd), Uschi Glas und Rudolf Schündler wurden direkt aus den Besetzungslisten der Lümmel-Filme übernommen, zuverlässige Chargenspieler wie Willi Rose (als Pedell) oder Willy Reichert (als Professor Bömmel) tun ihr Bestes, Hans Richter, der in der 1944er-Fassung die Schulbank drückte, kehrt als Studienrat in die Anstalt zurück, Nadja Tiller gibt die genüßlich outrierte Darbietung einer Stummfilmdiva. Einzig Walter Giller in der Hauptrolle des falschen Primaners bringt einen neuen Ton in das alte Lied: Giller, der seine Figuren stets eher ausstellt als nachfühlt, spielt den Pfeiffer mit drei F wie ein Zitat, schafft damit eine Distanz, aus der, beispielsweise, die ironische Hinterfragung nostalgischer Sehnsüchte möglich wäre. Doch Käutner ist in diesem Werk, das sein letztes fürs Kino bleiben wird, offenkundig nicht mehr daran interessiert, irgendetwas zur Diskussion zu stellen. Wie schon Wallenstein sagte: »Das war kein Heldenstück.«

R Helmut Käutner B Helmut Käutner V Heinrich Spoerl K Igor Oberberg M Bernhard Eichhorn A Michael Girschek S Jane Sperr P Horst Wendlandt D Walter Giller, Uschi Glas, Theo Lingen, Fritz Tillmann, Nadja Tiller | BRD | 100 min | 1:1,66 | f | 18. September 1970

# 883 | 22. Juni 2014

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