25.5.72

Frenzy (Alfred Hitchcock, 1972)

Frenzy

»Just thinking about the lusts of men makes me want to heave.« Unter den Fanfarenklängen des Titelvorspanns rühmlich heimgekehrt in die Vaterstadt London, erzählt Alfred Hitchcock mit »Frenzy« die ultimative Version seiner immer wieder variierten Lieblingsgeschichte: Der unschuldig in Verdacht Geratene ist in diesem Fall der abgehalfterte, stets mißgelaunte Ex-Offizier Richard Blaney (»Do I look like a sex murderer to you?« – Jon Finch), der fälschlicherweise für einen Serienkiller gehalten wird; als wahrer Mörder (der seine weiblichen Opfer mit Krawatten stranguliert) entpuppt sich schon bald dessen bester Freund Bob Rusk (»Don't forget, Bob's your uncle.« – Barry Foster), ein leutseliger, allseits geschätzter Obst- und Gemüsegroßhändler in Covent Garden – R. B., B. R. … die spiegelbildliche Symmetrie der Initialen gibt einen Hinweis auf Nähe (und Austauschbarkeit) von Verbrechen und Lauterkeit, von Reinheit und Sünde. Hitchcock – der mit kulinarischer Lust das Schreckbild geschlechtlicher Entartung malt und sich mit sinnenhafter Wonne den Freuden (und Alpträumen) des Essens ergibt – schwelgt in nostalgischen Heimatgefühlen, während er zugleich eine beklemmende (und weitsichtige) Studie des Zerfalls gesellschaftlicher Zusammenhänge auftischt: »Frenzy« schildert nicht einfach den schockierenden Einzelfall eines wahnsinnigen Sexualwürgers, sondern stellt die Untaten in den Zusammenhang von antisozialen Phänomenen wie krankhafter Ichbezogenheit und latenter Gewaltbereitschaft, Beziehungslosigkeit und Kontaktunfähigkeit. Das auffallend bieder gezeichnete Milieu der Handlung und die betonte Humorigkeit des Tonfalls wirken dabei so zweischneidig wie doppelbödig: Einerseits verschleiern sie konsumentenfreundlich die allumfassende Tristesse, andererseits lassen sie die detailliert geschilderten Brutalitäten um so greller (und vielsagender) aufscheinen. PS: »Dear Jesus, help me. Help me!«

R Alfred Hitchcock B Anthony Shaffer V Arthur La Bern K Gil Taylor M Ron Goodwin A Syd Cain Ko Julie Harris S John Jympson P Alfred Hitchcock D Jon Finch, Barry Foster, Anna Massey, Barbara Leigh-Hunt, Alex McCowen | UK | 116 min | 1:1,85 | f | 25. Mai 1972

4.5.72

Play It Again, Sam (Herbert Ross, 1972)

Mach’s noch einmal, Sam

Woody-Allen-Boulevard-Cocktail mit reichlich Charme, Esprit, (Kino-)Nostalgie, einem guten Schuß Klamauk und einem kleinen Spritzer Weltschmerz, von Herbert Ross einfühlsam-kompetent gemischt und formbewußt inszeniert: Filmkritiker Allan Felix wird von seiner Frau Nancy verlassen (»Oh, face it, Allan. You may be very sweet but you're not sexy.«), fällt in ein tiefes Loch des Selbstzweifels, aus dem ihm die guten Ratschläge seines Idols Huphrey Bogart (»I never saw a dame yet that didn't understand a good slap in the mouth or a slug from a 45.«), vor allem aber die Zuneigung von Linda (Diane Keaton), der Frau seines besten Freundes Dick, heraushelfen … Liebe und Leid, Leben und Kunst, gefühlsmäßige Irrungen und zwischenmenschliche Wirrungen spätmodern-neurotischer Großstädter – all die Themen, die Woody Allen in zahllosen Variationen immer wieder durchspielen wird, klingen an, zurückhaltend instrumentiert, noch ohne die kompositorische Finesse und die psychologischen Zwischentöne, die Filme wie »Manhattan« oder »Hannah and Her Sisters« in den Rang von Meisterwerken heben werden … »If that plane leaves the ground, and you're not on it with him, you'll regret it. Maybe not today, maybe not tomorrow, but soon, and for the rest of your life.« – »That's beautiful!« – »It's from ›Casablanca‹. I waited my whole life to say it.«

R Herbert Ross B Woody Allen V Woody Allen K Owen Roizman M Billy Goldenberg A Ed Wittstein S Marion Rothman P Arthur P. Jacobs D Woody Allen, Diane Keaton, Tony Roberts, Jerry Lacy, Susan Anspach | USA | 85 min | 1:1,85 | f | 4. Mai 1972

# 825 | 10. Januar 2014