Brust oder Keule
Für seine Verdienste um die beiden heiligen Kühe Frankreichs – Küche und Sprache – soll Charles Duchemin (Louis de Funès), wortmächtiger Kulinarier und Herausgeber eines berühmten (und von vielen gefürchteten) Restaurantführers, in die Académie française aufgenommen werden. Bevor er, gewandet in den ehrwürdigen habit vert, das traditionelle Festessen im Kreise der ›Unsterblichen‹ genießen kann, muß Duchemin einerseits seinen Sohn und designierten Nachfolger Gérard (Coluche), der ein Doppelleben als Zirkusclown führt, bei der familiären Stange halten, andererseits in einem Fernsehduell die chemisch-industriellen Schweinereien des diabolischen Lebensmittel-Tycoons Jacques Tricatel (Julien Guiomar) ans Licht der Öffentlichkeit bringen. Duchemin gegen Tricatel, das heißt nicht nur ›grande cuisine‹ gegen ›malbouffe‹, sondern ganz allgemein: kulturelle Verfeinerung gegen profitgierige Barbarei. Gerade von einem doppelten Herzinfarkt genesen, wirkt die ewige Krawalltüte Louis de Funès in Claude Zidis satirischer Gastro-Farce etwas schallgedämpft; dem fröhlichen Wahnwitz seiner Reise vom Himmel der Feinschmeckerei in die Hölle der Fertiggerichte und wieder zurück tut dies freilich keinen Abbruch.
R Claude Zidi B Claude Zidi, Michel Fabre K Claude Renoir M Vladimir Cosma A Michel de Broin S Robert Isnardon, Monique Isnardon P Christian Fechner D Louis de Funès, Coluche, Julien Guiomar, Ann Zacharias, Claude Gensac, Marcel Dalio | F | 104 min | 1:2,35 | f | 27. Oktober 1976
# 900 | 4. August 2014
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27.10.76
1.8.76
Obsession (Brian De Palma, 1976)
Schwarzer Engel
»How did she die?« – »I killed her.« Ein Mann (Cliff Robertson) verliert, vermeintlich durch eigenes Zutun, seine Frau (Geneviève Bujold) an das Reich der Toten und fällt in einen Zustand emotionaler Lähmung; Jahre später trifft er auf ein Ebenbild der schmerzlich Entbehrten und begreift die Begegnung als zweite Chance, den Beweis seiner Liebe zu erbringen ... »What was she like?« – »She was very much like you.« Brian De Palma ist vielleicht der einzige Filmregisseur, der Epigonentum »groß« denkt, um es zu einer originären Kunstform mit eigenständiger ästhetischer Qualität zu entwickeln. In diesem Sinne gelingt es ihm (und seinem Autor Paul Schrader), mit der schwülen Phantasie über ein Thema von Alfred Hitchcock (beinahe) originaler zu wirken als das Original ... »How was it, Court?« – »The same.« (Fast) alles, was »Vertigo« ausmacht, findet sich potenziert in »Obsession«: das Doppelgängermotiv, das Drama eines schuldbehafteten Verlustes, die Gefangenschaft in der Depression, die traumartigen Erinnerungen, die Ab- und Überlagerungen der Zeit – die Kamerafahrten sind noch schwebender, das Licht schimmert noch milchiger, Bernard Herrmanns Score klingt noch herrmannesker. Abklatsch oder Pastiche, Hommage oder Travestie? Whatever. PS: Der Film trug passenderweise den Arbeitstitel »Déjà-vu«.
R Brian De Palma B Paul Schrader K Vilmos Zsigmond M Bernard Herrmann A Jack Senter S Paul Hirsch P Harry N. Blum, George Litto D Cliff Robertson, Geneviève Bujold, John Lithgow, Wanda Blackman, Sylvia Kuumba Williams | USA | 98 min | 1:2,35 | f | 1. August 1976
»How did she die?« – »I killed her.« Ein Mann (Cliff Robertson) verliert, vermeintlich durch eigenes Zutun, seine Frau (Geneviève Bujold) an das Reich der Toten und fällt in einen Zustand emotionaler Lähmung; Jahre später trifft er auf ein Ebenbild der schmerzlich Entbehrten und begreift die Begegnung als zweite Chance, den Beweis seiner Liebe zu erbringen ... »What was she like?« – »She was very much like you.« Brian De Palma ist vielleicht der einzige Filmregisseur, der Epigonentum »groß« denkt, um es zu einer originären Kunstform mit eigenständiger ästhetischer Qualität zu entwickeln. In diesem Sinne gelingt es ihm (und seinem Autor Paul Schrader), mit der schwülen Phantasie über ein Thema von Alfred Hitchcock (beinahe) originaler zu wirken als das Original ... »How was it, Court?« – »The same.« (Fast) alles, was »Vertigo« ausmacht, findet sich potenziert in »Obsession«: das Doppelgängermotiv, das Drama eines schuldbehafteten Verlustes, die Gefangenschaft in der Depression, die traumartigen Erinnerungen, die Ab- und Überlagerungen der Zeit – die Kamerafahrten sind noch schwebender, das Licht schimmert noch milchiger, Bernard Herrmanns Score klingt noch herrmannesker. Abklatsch oder Pastiche, Hommage oder Travestie? Whatever. PS: Der Film trug passenderweise den Arbeitstitel »Déjà-vu«.
R Brian De Palma B Paul Schrader K Vilmos Zsigmond M Bernard Herrmann A Jack Senter S Paul Hirsch P Harry N. Blum, George Litto D Cliff Robertson, Geneviève Bujold, John Lithgow, Wanda Blackman, Sylvia Kuumba Williams | USA | 98 min | 1:2,35 | f | 1. August 1976
26.1.76
Cría cuervos (Carlos Saura, 1976)
Züchte Raben
»Cría cuervos y te sacarán los ojos.« Wörtlich: Züchte Raben, und sie hacken dir die Augen aus. Im übertragenen Sinne: Undank ist der Welt Lohn. Vielleicht aber auch: Der Mensch ist ein Produkt seiner Umwelt … Ein Familienfilm. Im Mittelpunkt stehen die kleine Ana (Ana Torrent) und die erwachsene Ana (Geraldine Chaplin), die sich in die Zeit ihrer Kindheit zurückversetzt, als kurz nacheinander ihr Vater und ihre Mutter (Geraldine Chaplin) starben. Gegenwart und Vergangenheit gehen ineinander über, Realität und Einbildung laufen zusammen; die filmische Erzählung taucht durch die Ströme der Erinnerung, in die Wirbel der Imagination. Ein Familienalbum ohne strenge Chronologie: Impressionen, Episoden, Momente. Ein großes, dunkles Haus, im Zentrum von Madrid gelegen und doch wie aus der Welt gefallen; ein verwilderter Garten hinter einer hohen Mauer; ein Swimmingpool ohne Wasser. Drei Töchter. Die Mutter, musikalisch, liebevoll, todunglücklich, schließlich unheilbar krank. Der Vater, ein weibstoller Offizier. Die Tante, frostig, kontrolliert, überfordert. Die warmherzige Perle. Die Großmutter, stumm, gelähmt, versunken in alte Fotos an der Wand. Ferne Träume, enttäuschte Hoffnungen, hartnäckige Ängste: eine düstere Kindheit, eine unglückliche Ehe, ein lebloses Leben, Hoffnung auf die erlösende Wirkung eines magischen Gifts, immer wieder der Tod (der Eltern, eines Meerschweinchens, des Patriarchen) und immer wieder der unverwandte Blick der kleinen Ana, oft direkt in die Kamera, die Erwachsenen, den Zuschauer wortlos betrachtend, abschätzend, fragend, abgestoßen und neugierig, erschrocken und verständnisvoll, kritisch und mitleidig. Leitmotivische Musik: ein traditioneller Pasodoble, ein melancholisches Klavierstück und ein zeitgenössischer Schlager: »Como cada noche desperté / Pensando en ti / Y en mi reloj todas las horas vi pasar / Porqué te vas.« In etwa: Wie jede Nacht wachte ich auf, an dich denkend, und auf meiner Uhr sah ich all die Stunden vorbeiziehen, weil du gehst … Unauflösliche Verbindung aus Imperfekt und Präsens: Ich, ich wachte auf, sah, damals; du aber, du gehst, immer wieder. Carlos Saura malt den Verfall einer Familie, die Paralyse einer überlebten Gesellschaft, erlaubt sich dennoch eine Art von happy ending: Schulanfang, junge Mädchen auf dem Weg zum Unterricht. Eintritt in eine freiere Zukunft?
R Carlos Saura B Carlos Saura K Teo Escamilla M diverse A Rafael Palmero S Pablo G. del Amo P Elías Querjeta D Geraldine Chaplin, Ana Torrent, Mónica Randall, Florinda Chico | E | 112 min | 1:1,66 | f | 26. Januar 1976
# 833 | 24. Januar 2014
R Carlos Saura B Carlos Saura K Teo Escamilla M diverse A Rafael Palmero S Pablo G. del Amo P Elías Querjeta D Geraldine Chaplin, Ana Torrent, Mónica Randall, Florinda Chico | E | 112 min | 1:1,66 | f | 26. Januar 1976
# 833 | 24. Januar 2014
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7.3.75
Serkalo (Andrei Tarkowski, 1975)
Der Spiegel
Bewußtseinsstrom? Privatmythologie? Reflexion? Mystizismus? Der Wald. Das Wasser. Der Wind. Das Zimmer. Das Buch. Die Kunst. Frauen mit Dutt, die in die Landschaft sehen. Scheunen, die im Regen brennen. Gedichte, die durch die Räume der Erinnerung schweben. Mütter, die wie Ehefrauen aussehen, die wie Mütter aussehen, die wie Ehefrauen aussehen. Väter, die Söhne zurücklassen, die zu Vätern werden, die Söhne zurücklassen. Söhne, die stottern, und die sich als Männer mit ihren Frauen streiten, und die sich irgendwann zum Sterben legen und dann an ihre Mütter denken, die in die Landschaft sehen, und an ihre Väter, von denen sie zurückgelassen wurden. Das Rad, es dreht sich, es dreht sich immer im selben Matsch, im Matsch der großen Geschichte, durch die sich das Schicksal des Einzelnen (des Vereinzelten) quält: durch allgegenwärtigen Krieg und durch die bodenlose Angst unter den starren Augen jener, deren Name nicht genannt werden darf, durch den Strom der aufgehetzten Massen und durch die Drohung mit endgültiger Vernichtung. Und das Innere, das Ich ist ein Spiegel des Äußeren, der Welt, und das Äußere, die Welt ist ein Spiegel des Inneren, des Ichs, und das Leben ist ein Sprung in den Brunnen der Zeit, und die Zeit steht still in der Ewigkeit der Schöpfung, und sie rast durch Grotten, die kein Mensch ersann, zum sonnenlosen Meer, und die Seele ist ein Gespinst von Reminiszenzen und Träumen, von Phantasien und Illusionen, und der Glaube ist ein Kelch auf einem Tisch, und die Liebe ist eine Frau mit einem Kind, und die Hoffnung ist ein Vogel, der auffliegt aus einer Hand. Bewußtseinsstrom. Privatmythologie. Reflexion. Mystizismus. Tarkowski.
R Andrei Tarkowski B Andrei Tarkowski, Alexander Mischarin, Arseni Tarkowski (Gedichte) K Georgi Rerberg M diverse A Nikolai Dwigubski S Ljudmila Feiginowa P Mosfilm D Margarita Terechowa, Ignat Danilzew, Larissa Tarkowskaja, Anatoli Solonizin, Oleg Jankowski | SU | 108 min | 1:1,37 | sw & f | 7. März 1975
Bewußtseinsstrom? Privatmythologie? Reflexion? Mystizismus? Der Wald. Das Wasser. Der Wind. Das Zimmer. Das Buch. Die Kunst. Frauen mit Dutt, die in die Landschaft sehen. Scheunen, die im Regen brennen. Gedichte, die durch die Räume der Erinnerung schweben. Mütter, die wie Ehefrauen aussehen, die wie Mütter aussehen, die wie Ehefrauen aussehen. Väter, die Söhne zurücklassen, die zu Vätern werden, die Söhne zurücklassen. Söhne, die stottern, und die sich als Männer mit ihren Frauen streiten, und die sich irgendwann zum Sterben legen und dann an ihre Mütter denken, die in die Landschaft sehen, und an ihre Väter, von denen sie zurückgelassen wurden. Das Rad, es dreht sich, es dreht sich immer im selben Matsch, im Matsch der großen Geschichte, durch die sich das Schicksal des Einzelnen (des Vereinzelten) quält: durch allgegenwärtigen Krieg und durch die bodenlose Angst unter den starren Augen jener, deren Name nicht genannt werden darf, durch den Strom der aufgehetzten Massen und durch die Drohung mit endgültiger Vernichtung. Und das Innere, das Ich ist ein Spiegel des Äußeren, der Welt, und das Äußere, die Welt ist ein Spiegel des Inneren, des Ichs, und das Leben ist ein Sprung in den Brunnen der Zeit, und die Zeit steht still in der Ewigkeit der Schöpfung, und sie rast durch Grotten, die kein Mensch ersann, zum sonnenlosen Meer, und die Seele ist ein Gespinst von Reminiszenzen und Träumen, von Phantasien und Illusionen, und der Glaube ist ein Kelch auf einem Tisch, und die Liebe ist eine Frau mit einem Kind, und die Hoffnung ist ein Vogel, der auffliegt aus einer Hand. Bewußtseinsstrom. Privatmythologie. Reflexion. Mystizismus. Tarkowski.
R Andrei Tarkowski B Andrei Tarkowski, Alexander Mischarin, Arseni Tarkowski (Gedichte) K Georgi Rerberg M diverse A Nikolai Dwigubski S Ljudmila Feiginowa P Mosfilm D Margarita Terechowa, Ignat Danilzew, Larissa Tarkowskaja, Anatoli Solonizin, Oleg Jankowski | SU | 108 min | 1:1,37 | sw & f | 7. März 1975
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Zweiter Weltkrieg
9.5.73
Paper Moon (Peter Bogdanovich, 1973)
Paper Moon
»Just around the corner, / there’s a rainbow in the sky.« Mitte der 1930er Jahre im Mittleren Westen der USA. Moses Pray (Ryan O’Neal), der sich mit Bauernfängereien durchs Leben schummelt, willigt notgedrungen ein, Addie Loggings (Tatum O’Neal), die neunjährige Tochter einer verstorbenen Exgeliebten, von Kansas nach Missouri zu chauffieren, wo das Waisenmädchen bei einer Tante unterkommen soll. Auf der Fahrt durch flache, baumlose, unabsehbar weite Landschaften kommen der etwas unterbelichtete Schwindler und die ausgebuffte Göre sich langsam näher und miteinander ins Geschäft: Nicht nur eine gewisse Familienähnlichkeit (»the same jaw«) verbindet die beiden sondern vor allem der feste Wille, den Leuten das Geld aus der Tasche zu ziehen. »Paper Moon«, eine wirkungsvolle Mischung aus road movie, buddy film und sentimentaler Komödie, sympathisiert uneingeschränkt mit den Protagonisten, die ihren ganz persönlichen New Deal ins Werk setzen. Peter Bogdanovich verzichtet, wie schon in »The Last Picture Show«, tunlichst auf kommentierende Filmmusik, evoziert das Zeitgefühl durch den sparsamen Einsatz von populären Songs der Ära. Laszlo Kovacs’ beeindruckende tiefenscharf-kontrastreiche Schwarzweiß-Fotografie verweist auf die Arbeit des genialen Kameramanns Gregg Toland (der für John Ford das Depressionsdrama »The Grapes of Wrath« drehte) wie auch auf den schnörkellosen Dokumentarismus von Walker Evans oder Dorothea Lange, deren Bilder Not und Elend der Krisenzeit einprägsam festhielten. Freilich ist es Bogdanovich weniger um sozialkritischen Realismus zu tun als um eine bald zärtlich-distanzierte, bald ironisch-überspitzte Betrachtung der Schattenseiten des American way of life, die nicht ganz frei bleibt von nostalgischer Stimmungsmalerei: »Be like two fried eggs, / Keep your sunny side up!«
R Peter Bogdanovich B Alvin Sargent V Joe David Brown K Laszlo Kovacs M diverse A Polly Platt S Verna Fields P Peter Bogdanovich D Ryan O’Neal, Tatum O’Neal, Madeline Kahn, John Hillerman, P. J. Johnson | USA | 102 min | 1:1,85 | sw | 9. Mai 1973
# 963 | 10. Juli 2015
»Just around the corner, / there’s a rainbow in the sky.« Mitte der 1930er Jahre im Mittleren Westen der USA. Moses Pray (Ryan O’Neal), der sich mit Bauernfängereien durchs Leben schummelt, willigt notgedrungen ein, Addie Loggings (Tatum O’Neal), die neunjährige Tochter einer verstorbenen Exgeliebten, von Kansas nach Missouri zu chauffieren, wo das Waisenmädchen bei einer Tante unterkommen soll. Auf der Fahrt durch flache, baumlose, unabsehbar weite Landschaften kommen der etwas unterbelichtete Schwindler und die ausgebuffte Göre sich langsam näher und miteinander ins Geschäft: Nicht nur eine gewisse Familienähnlichkeit (»the same jaw«) verbindet die beiden sondern vor allem der feste Wille, den Leuten das Geld aus der Tasche zu ziehen. »Paper Moon«, eine wirkungsvolle Mischung aus road movie, buddy film und sentimentaler Komödie, sympathisiert uneingeschränkt mit den Protagonisten, die ihren ganz persönlichen New Deal ins Werk setzen. Peter Bogdanovich verzichtet, wie schon in »The Last Picture Show«, tunlichst auf kommentierende Filmmusik, evoziert das Zeitgefühl durch den sparsamen Einsatz von populären Songs der Ära. Laszlo Kovacs’ beeindruckende tiefenscharf-kontrastreiche Schwarzweiß-Fotografie verweist auf die Arbeit des genialen Kameramanns Gregg Toland (der für John Ford das Depressionsdrama »The Grapes of Wrath« drehte) wie auch auf den schnörkellosen Dokumentarismus von Walker Evans oder Dorothea Lange, deren Bilder Not und Elend der Krisenzeit einprägsam festhielten. Freilich ist es Bogdanovich weniger um sozialkritischen Realismus zu tun als um eine bald zärtlich-distanzierte, bald ironisch-überspitzte Betrachtung der Schattenseiten des American way of life, die nicht ganz frei bleibt von nostalgischer Stimmungsmalerei: »Be like two fried eggs, / Keep your sunny side up!«
R Peter Bogdanovich B Alvin Sargent V Joe David Brown K Laszlo Kovacs M diverse A Polly Platt S Verna Fields P Peter Bogdanovich D Ryan O’Neal, Tatum O’Neal, Madeline Kahn, John Hillerman, P. J. Johnson | USA | 102 min | 1:1,85 | sw | 9. Mai 1973
# 963 | 10. Juli 2015
16.5.71
Walkabout (Nicolas Roeg, 1971)
Walkabout
»Well, where are we now?« Die Antwort auf die Frage, wo wir sind, kann auch Aufschluß darüber geben, wer wir sind. Ein halbwüchsiges weißes Mädchen und ihr kleiner Bruder in einer Schule in Sydney, im Park der Stadt, im Pool des Apartmenthauses, sind andere als dieselben weißen Mittelklassekinder unterwegs im australischen Outback. Nachdem ihr Vater, auf einem Ausflug in die Wildnis von einem unerklärlichen Wahn ergriffen, zunächst versuchte, die Kinder zu erschießen, dann sich selbst tötete, sind die Geschwister plötzlich ganz auf sich gestellt: Sand und Felsen, Reptilien und Geier, tags die unerbittliche Sonne, nachts der gleichgültige Mond. Zivilisatorische Errungenschaften – Sprachfertigkeit, soziale Normen, Manieren – helfen in der Natur nicht weiter; ein junger Aborigine auf dem »Walkabout« (einem rituellen Initiationsgang durch das Buschland) rettet den planlos Umherirrenden das Leben. Anhand dieser Begegnung und der folgenden gemeinsamen Wanderung verhandelt Nicolas Roeg – kaum in Dialogen, vielmehr in ebenso überwältigenden wie verstörenden Bildern – Fragen von Identität und Kolonisierung, Harmonie und Destruktion, Erziehung und Entfaltung. Den Film, eine schillernde Mischung aus Coming-of-age-Story, anthropologischer Studie, Abenteuergeschichte und Culture-Clash-Drama durchzieht bei allem visuellen Fieber ein kühler Pessimismus. »Faites vos jeux, Messieurs dames«, gebietet zu Beginn eine Stimme aus dem Off. Immer wieder ins Bild gerückte Mauern lassen ein mögliches Glück von vorneherein als verlorenes Paradies erscheinen: »Rien ne va plus.«
R Nicolas Roeg B Edward Bond V James Vance Marshall K Nicolas Roeg M John Barry A Brian Eatwell S Antony Gibbs, Alan Pattillo P Si Litvinoff D Jenny Agutter, Lucien John (= Luc Roeg), David Gulpilil, John Meillon | UK & AUS | 100 min | 1:1,85 | f | 16. Mai 1971
# 1067 | 31. Juli 2017
»Well, where are we now?« Die Antwort auf die Frage, wo wir sind, kann auch Aufschluß darüber geben, wer wir sind. Ein halbwüchsiges weißes Mädchen und ihr kleiner Bruder in einer Schule in Sydney, im Park der Stadt, im Pool des Apartmenthauses, sind andere als dieselben weißen Mittelklassekinder unterwegs im australischen Outback. Nachdem ihr Vater, auf einem Ausflug in die Wildnis von einem unerklärlichen Wahn ergriffen, zunächst versuchte, die Kinder zu erschießen, dann sich selbst tötete, sind die Geschwister plötzlich ganz auf sich gestellt: Sand und Felsen, Reptilien und Geier, tags die unerbittliche Sonne, nachts der gleichgültige Mond. Zivilisatorische Errungenschaften – Sprachfertigkeit, soziale Normen, Manieren – helfen in der Natur nicht weiter; ein junger Aborigine auf dem »Walkabout« (einem rituellen Initiationsgang durch das Buschland) rettet den planlos Umherirrenden das Leben. Anhand dieser Begegnung und der folgenden gemeinsamen Wanderung verhandelt Nicolas Roeg – kaum in Dialogen, vielmehr in ebenso überwältigenden wie verstörenden Bildern – Fragen von Identität und Kolonisierung, Harmonie und Destruktion, Erziehung und Entfaltung. Den Film, eine schillernde Mischung aus Coming-of-age-Story, anthropologischer Studie, Abenteuergeschichte und Culture-Clash-Drama durchzieht bei allem visuellen Fieber ein kühler Pessimismus. »Faites vos jeux, Messieurs dames«, gebietet zu Beginn eine Stimme aus dem Off. Immer wieder ins Bild gerückte Mauern lassen ein mögliches Glück von vorneherein als verlorenes Paradies erscheinen: »Rien ne va plus.«
R Nicolas Roeg B Edward Bond V James Vance Marshall K Nicolas Roeg M John Barry A Brian Eatwell S Antony Gibbs, Alan Pattillo P Si Litvinoff D Jenny Agutter, Lucien John (= Luc Roeg), David Gulpilil, John Meillon | UK & AUS | 100 min | 1:1,85 | f | 16. Mai 1971
# 1067 | 31. Juli 2017
16.12.70
Peau d’âne (Jacques Demy, 1970)
Eselshaut
»La situation mérite attention.« Ein musikalisches Märchen über Verlangen und Inzest, mit sprechenden Rosen und aphrodisierendem Backwerk – psychedelisch, surreal, romantisch, kokett: Dem König der Blauen (Jean Marais) ist die Königin gestorben, und weil er ihr auf dem Totenbett versprechen mußte, dereinst nur eine noch Schönere zu ehelichen, verfällt der Monarch darauf, die einzige Tochter (Catherine Deneuve) zur Frau zu nehmen. Um ihren heiratswütigen Vater hinzuhalten, verlangt die Prinzessin – auf Anraten einer weltklugen Fee (Delphine Seyrig: »Mon enfant, on n’épouse jamais ses parents!«) – Kleider in der Farbe des Wetters, des Mondes, der Sonne, zu guter Letzt die Haut eines goldscheißenden Esels. Sie bekommt, was sie fordert, also bleiben ihr nur die Flucht, das Verstecken, die Maskerade als Schweinemagd, als häßlichste der Häßlichen, schmutzigste der Schmutzigen, allerletzte der Letzten. Natürlich wird sie unter der gräulichen Hülle, die sie tarnt, in ihrer Anmut, Unschuld, Hoheit erkannt – von einem Prinzen aus dem Reich der Roten (Jacques Perrin, der schon in »Les demoiselles de Rochefort« seinem »idéal féminin« nachjagte). In seiner kinematographischen Zauberküche amalgamiert Jacques Demy Cocteausche Es-war-einmal-Phantastik und comichaften Disney-Kitsch, popartige Extravaganz (ein Thron in Katzenform, eine gläserne Sphäre als Katafalk) und verblüffende Anachronismen (Gedichte aus der Zukunft, ein vom Himmel schwebender Helikopter) zu einem zeitlosen (von Michel Legrand kongenial in Töne gesetzten) Loblied auf die verrückte, die geheimnisvolle, die wahre Liebe: »Amour, amour, je t’aime tant.«
R Jacques Demy B Jacques Demy V Charles Perrault K Ghislain Cloquet M Michel Legrand A Jim Leon, Jacques Dugied S Anne-Marie Cotret P Mag Bodard D Catherine Deneuve, Jean Marais, Jacques Perrin, Delphine Seyrig, Micheline Presle | F | 89 min | 1:1,66 | f | 16. Dezember 1970
# 1127 | 13. Juni 2018
»La situation mérite attention.« Ein musikalisches Märchen über Verlangen und Inzest, mit sprechenden Rosen und aphrodisierendem Backwerk – psychedelisch, surreal, romantisch, kokett: Dem König der Blauen (Jean Marais) ist die Königin gestorben, und weil er ihr auf dem Totenbett versprechen mußte, dereinst nur eine noch Schönere zu ehelichen, verfällt der Monarch darauf, die einzige Tochter (Catherine Deneuve) zur Frau zu nehmen. Um ihren heiratswütigen Vater hinzuhalten, verlangt die Prinzessin – auf Anraten einer weltklugen Fee (Delphine Seyrig: »Mon enfant, on n’épouse jamais ses parents!«) – Kleider in der Farbe des Wetters, des Mondes, der Sonne, zu guter Letzt die Haut eines goldscheißenden Esels. Sie bekommt, was sie fordert, also bleiben ihr nur die Flucht, das Verstecken, die Maskerade als Schweinemagd, als häßlichste der Häßlichen, schmutzigste der Schmutzigen, allerletzte der Letzten. Natürlich wird sie unter der gräulichen Hülle, die sie tarnt, in ihrer Anmut, Unschuld, Hoheit erkannt – von einem Prinzen aus dem Reich der Roten (Jacques Perrin, der schon in »Les demoiselles de Rochefort« seinem »idéal féminin« nachjagte). In seiner kinematographischen Zauberküche amalgamiert Jacques Demy Cocteausche Es-war-einmal-Phantastik und comichaften Disney-Kitsch, popartige Extravaganz (ein Thron in Katzenform, eine gläserne Sphäre als Katafalk) und verblüffende Anachronismen (Gedichte aus der Zukunft, ein vom Himmel schwebender Helikopter) zu einem zeitlosen (von Michel Legrand kongenial in Töne gesetzten) Loblied auf die verrückte, die geheimnisvolle, die wahre Liebe: »Amour, amour, je t’aime tant.«
R Jacques Demy B Jacques Demy V Charles Perrault K Ghislain Cloquet M Michel Legrand A Jim Leon, Jacques Dugied S Anne-Marie Cotret P Mag Bodard D Catherine Deneuve, Jean Marais, Jacques Perrin, Delphine Seyrig, Micheline Presle | F | 89 min | 1:1,66 | f | 16. Dezember 1970
# 1127 | 13. Juni 2018
2.10.69
Herzblatt oder Wie sag ich’s meiner Tochter? (Alfred Vohrer, 1969)
»Bitte sprechen Sie mir nach: Geschlechtsverkehr.« Im Spannungsfeld von Käte Strobels offiziösem Informationsknaller »Helga«, Oswald Kolles Liebeswundern und der nahenden Welle pseudodokumentarischer Report-Streifen versucht Alfred Vohrer eine parodistische Betrachtung der sexuellen Aufklärung und ihrer filmischen Ausgeburten. Die hinlänglich amüsante (dabei latent inzestuöse) Münchner Geschichte des unschuldig-offenherzigen (bzw. -blusigen) Schulmädchens ›Herzblatt‹ (Mascha Gonska) und ihres alleinerziehend-überforderten Vaters ›Männchen‹ (Georg Thomalla) thematisiert bestenfalls oberflächenphänomenologisch, dabei allemal pubertär-herrenwitzelnd Verklemmungen und Sprachlosigkeiten, Betretenheiten und Übersprungshandlungen auf dem Weg zum heißersehnten, allerfüllenden, erdbebenartigen Liebeserlebnis: »Wo immer du hinsiehst, alles strömt zueinander, alles fließt ineinander. Das Geschlechtliche ist eine Notwendigkeit.«
R Alfred Vohrer B Ernst Flügel (= Manfred Purzer) K Ernst W. Kalinke M Hans-Martin Majewski A Wolf Englert, Margret Finger S Susanne Paschen P Luggi Waldleitner D Georg Thomalla, Mascha Gonska, Siegfried Schürenberg, Paul Esser, Günther Lüders, Olga von Togni | BRD | 84 min | 1:1,66 | f | 2. Oktober 1969
# 1135 | 27. Oktober 2018
R Alfred Vohrer B Ernst Flügel (= Manfred Purzer) K Ernst W. Kalinke M Hans-Martin Majewski A Wolf Englert, Margret Finger S Susanne Paschen P Luggi Waldleitner D Georg Thomalla, Mascha Gonska, Siegfried Schürenberg, Paul Esser, Günther Lüders, Olga von Togni | BRD | 84 min | 1:1,66 | f | 2. Oktober 1969
# 1135 | 27. Oktober 2018
5.9.69
Que la bête meure (Claude Chabrol, 1969)
Das Biest muß sterben
»Denn es gehet dem Menschen wie dem Vieh; / wie dies stirbt, so stirbt er auch.« Das Meer. Ein Kind spielt am Strand. Ein Auto rast die Küstenstraße entlang. Das Kind läuft nach Hause. Das Auto rast in eine Ortschaft. Die Glocken läuten. An einer Kreuzung treffen Kind und Auto aufeinander. Das Kind stirbt. Das Auto rast weiter. Der Vater hält das tote Kind in seinen Armen. Später wird er sich auf die Suche nach dem Fahrer des Autos machen: »Je vais tuer un homme. Je ne connais ni son nom, ni son adresse, ni son apparence. Mais je vais le trouver et le tuer.« Der Zufall – der das einzige ist, was existiert, und in diesem Fall die Gestalt der blonden Hélène (Caroline Cellier) annimmt – führt den introvertierten Einzelgänger Charles (Michel Duchaussoy) zum reizbaren Haustyrannen Paul (Jean Yanne). Die Ausführung des Vorhabens erweist sich indes, obwohl oder gerade weil der Täter ein so unverblümtes (und überaus lebenstüchtiges) Scheusal ist, als problematisch – und peu à peu verwandelt Claude Chabrol den geradlinigen Rachethriller in eine abgründige Reflexion (oder einen ernsten Gesang) über Absicht und Handeln, über Schuld und Verantwortung. Das Ende des Films führt wieder ans Meer. Ein Mann allein. Ein Boot, das hinausfährt. Die Wellen, die Felsen, die Brandung. »Und der Mensch hat nichts mehr denn das Vieh: / denn es ist alles eitel.«
R Claude Chabrol B Paul Gégauff, Claude Chabrol V Nicholas Blake K Jean Rabier M Pierre Jansen A Guy Littaye S Jacques Gaillard P André Génovès D Michel Duchaussoy, Jean Yanne, Caroline Cellier, Anouk Ferjac, Maurice Pialat | F & I | 112 min | 1:1,66 | f | 5. September 1969
# 1107 | 8. Mai 2018
»Denn es gehet dem Menschen wie dem Vieh; / wie dies stirbt, so stirbt er auch.« Das Meer. Ein Kind spielt am Strand. Ein Auto rast die Küstenstraße entlang. Das Kind läuft nach Hause. Das Auto rast in eine Ortschaft. Die Glocken läuten. An einer Kreuzung treffen Kind und Auto aufeinander. Das Kind stirbt. Das Auto rast weiter. Der Vater hält das tote Kind in seinen Armen. Später wird er sich auf die Suche nach dem Fahrer des Autos machen: »Je vais tuer un homme. Je ne connais ni son nom, ni son adresse, ni son apparence. Mais je vais le trouver et le tuer.« Der Zufall – der das einzige ist, was existiert, und in diesem Fall die Gestalt der blonden Hélène (Caroline Cellier) annimmt – führt den introvertierten Einzelgänger Charles (Michel Duchaussoy) zum reizbaren Haustyrannen Paul (Jean Yanne). Die Ausführung des Vorhabens erweist sich indes, obwohl oder gerade weil der Täter ein so unverblümtes (und überaus lebenstüchtiges) Scheusal ist, als problematisch – und peu à peu verwandelt Claude Chabrol den geradlinigen Rachethriller in eine abgründige Reflexion (oder einen ernsten Gesang) über Absicht und Handeln, über Schuld und Verantwortung. Das Ende des Films führt wieder ans Meer. Ein Mann allein. Ein Boot, das hinausfährt. Die Wellen, die Felsen, die Brandung. »Und der Mensch hat nichts mehr denn das Vieh: / denn es ist alles eitel.«
R Claude Chabrol B Paul Gégauff, Claude Chabrol V Nicholas Blake K Jean Rabier M Pierre Jansen A Guy Littaye S Jacques Gaillard P André Génovès D Michel Duchaussoy, Jean Yanne, Caroline Cellier, Anouk Ferjac, Maurice Pialat | F & I | 112 min | 1:1,66 | f | 5. September 1969
# 1107 | 8. Mai 2018
22.8.66
Lange Beine – lange Finger (Alfred Vohrer, 1966)
»Heller Kopf und edle Rasse – / ja, dann stimmt es mit der Kasse.« Die junge, hübsche Baronesse Holberg steht in einer dreihundertjährigen Familientradition des Schmuck- und Taschendiebstahls; von ihrer Großmutter erbte sie das Anderthalb-Finger-System, das sie virtuos zur Perfektion brachte. Der stolze Vater (Martin Held) muß zu seinem Entsetzen erleben, daß sich die kriminell hochtalentierte Tochter (Senta Berger) ausgerechnet in einen Anwalt aus angesehener englischer Unternehmerfamilie (Joachim Fuchsberger) verliebt und beschließt, bürgerlich zu werden. Welche Schande! … Zwischen seine zahllosen Edgar-Wallace-Variationen schiebt Alfred Vohrer eine kreuzbrave, wenig trickreiche Liebes- und Diebeskomödie, die nicht ungeschickt internationales Flair, anrüchiges Laissez-faire und satirischen Aufmupf vortäuscht. Doch auch ein ausgelassenes Ensemble, ein courrègeskes Kostümbild und die Erkenntnis, daß die Ehrlichen den Unehrlichen längst überlegen sind, weil sie gelernt haben, auf ehrliche Weise unehrlich zu sein, verwandeln die biedersinnigen Gewagtheiten einer ungelüfteten Boulevardbühne nicht in zubeißende Gesellschaftspersiflage.
R Alfred Vohrer B Peter Lambda, Eberhard Keindorff, Johanna Sibelius K Karl Löb M Martin Böttcher A Isabella Schlichting, Werner Schlichting S Jutta Hering P Artur Brauner D Senta Berger, Martin Held, Joachim Fuchsberger, James Robertson Justice, Irene von Meyendorff | BRD | 90 min | 1:1,66 | f | 26. August 1966
R Alfred Vohrer B Peter Lambda, Eberhard Keindorff, Johanna Sibelius K Karl Löb M Martin Böttcher A Isabella Schlichting, Werner Schlichting S Jutta Hering P Artur Brauner D Senta Berger, Martin Held, Joachim Fuchsberger, James Robertson Justice, Irene von Meyendorff | BRD | 90 min | 1:1,66 | f | 26. August 1966
17.11.59
Ukigusa (Yasujiro Ozu, 1959)
Abschied in der Dämmerung
Ein Mann und sein Sohn –
zusammen allein auf der
Bühne des Lebens.
R Yasujiro Ozu B Kogo Noda, Yasujiro Ozu K Kazuo Miyagawa M Kojun Saito A Tomoo Shimogawara S Toyo Suzuki P Masaichi Nagata D Ganjiro Nakamura, Machiko Kyo, Ayako Wakao, Hiroshi Kawaguchi, Haruko Sugimura | JP | 119 min | 1:1,37 | f | 17. November 1959
Ein Mann und sein Sohn –
zusammen allein auf der
Bühne des Lebens.
R Yasujiro Ozu B Kogo Noda, Yasujiro Ozu K Kazuo Miyagawa M Kojun Saito A Tomoo Shimogawara S Toyo Suzuki P Masaichi Nagata D Ganjiro Nakamura, Machiko Kyo, Ayako Wakao, Hiroshi Kawaguchi, Haruko Sugimura | JP | 119 min | 1:1,37 | f | 17. November 1959
20.3.58
Der Greifer (Eugen York, 1958)
In Essen geht ein Blondinenmörder um. Kommissar Dennert, genannt »der Greifer« (Hans Albers), hat einen höflichen Herrn (Horst Frank) im Visier, der sich verdächtig macht, weil er während der Vernehmung keine Nerven zeigt. Dennert, der selbstgewisse Profi mit dem extrabreiten Trenchcoat, vertraut allein seiner langjährigen Erfahrung und seinem untrüglichen Spürsinn, weswegen er von Vorgesetzten und jungen Kollegen – unter ihnen sein naßforscher Sohn, genannt »Dennert Zwo« (Hansjörg Felmy) – für ein Auslaufmodell gehalten wird … Regisseur Eugen York bietet Albers reichlich Gelegenheit, seinen einigermaßen angewelkten Hoppla-jetzt-komm-ich-Charme spielen zu lassen: Frauen werden jovial abgetätschelt, beim geselligen Zusammensein mit herzensguten Unterweltlern darf der pensionsreife Otto-Otto einen alten Schlager zum Besten geben (»Beim ersten Mal da tut’s noch weh.«), und den Triebtäter stellt er, obwohl zwischenzeitlich in den ungeliebten Ruhestand geschickt, natürlich auch noch. Sein eigentliches, historisch und sozialpsychologisch hochbrisantes Thema, den schwelenden Konflikt zwischen den Generationen, handelt der Film mit einem flapsigen Dialog ab: »Natürlich, wir Alten, wir haben ja immer schuld.« – »Ja, das habt ihr auch.« Danach bleibt alles, wie es ist. Vor den Vätern kapitulieren die Söhne.
R Eugen York B Curt J. Braun K Ekkehard Kyrath M Hans-Martin Majewski A Gabriel Pellon, Theodor Zwierski S Ingrid Wacker P Kurt Ulrich D Hans Albers, Hansjörg Felmy, Horst Frank, Werner Peters, Susanne Cramer | BRD | 96 min | 1:1,37 | f | 20. März 1958
# 862 | 16. Mai 2014
R Eugen York B Curt J. Braun K Ekkehard Kyrath M Hans-Martin Majewski A Gabriel Pellon, Theodor Zwierski S Ingrid Wacker P Kurt Ulrich D Hans Albers, Hansjörg Felmy, Horst Frank, Werner Peters, Susanne Cramer | BRD | 96 min | 1:1,37 | f | 20. März 1958
# 862 | 16. Mai 2014
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14.7.57
Il grido (Michelangelo Antonioni, 1957)
Der Schrei
Von seiner langjährigen Lebensgefährtin Irma (Alida Valli) wegen eines anderen verlassen, mit einem Schlag aus der (scheinbar) geordeneten Lebensbahn in die (faktische und metaphysische) Unbehaustheit geworfen, streift der Fabrikarbeiter Aldo (Steve Cochran) in Begleitung seiner kleinen Tochter durch die winterliche Po-Ebene, eine beispiellos triste, von Gianni Di Venanzo freilich in überaus delikat komponierten Schwarzweiß-, oder eher: Graubildern fotografierte Landschaft: von kahlen Baumreihen gesäumte Straßen und schlammige Wege zwischen krautigen Wiesen, ärmliche Dörfer und einsame Hütten am Fluß. Bei drei Frauen macht Aldo auf seiner Reise Station – bei der früheren Freundin Elvia (Betsy Blair), die ihn trotz eines Aufflackerns der alten Zuneigung abweist, bei der Tankstellenbesitzerin Virginia (Dorian Gray), deren selbstbewußte Resolutheit ihn in die Flucht schlägt, bei der flotten Gelegenheitsprostiuierten Andreina (Lynn Shaw), die er nach einem kurzen Techtelmechtel in ihrem Elend sitzenläßt –, bevor er schließlich in seinen Heimatort zurückkehrt, wo er ein für alle Mal feststellen muß, daß es dort keinen Platz mehr für ihn gibt, vielleicht nie gegeben hat. Michelangelo Antonioni läßt sein existenzialistisches Roadmovie – eine eindrückliche Studie der Sprachlosigkeit, der Isolation, der Entmutigung – auf einen definitven Augenblick der Wahrheit zielen, den (alles und nichts) entscheidenden Moment, da stille Verzweiflung in schreienden Schmerz umschlägt.
R Michelangelo Antonioni B Michelangelo Antonioni, Elio Bartolini, Ennio De Concini K Gianni Di Venanzo M Giovanni Fusco A Franco Fontana S Eraldo Da Roma P Franco Cancellieri D Steve Cochran, Mirna Girardi, Alida Valli, Betsy Blair, Dorian Gray, Lynn Shaw | I & USA | 116 min | 1:1,37 | sw | 14. Juli 1957
# 1162 | 2. Juli 2019
Von seiner langjährigen Lebensgefährtin Irma (Alida Valli) wegen eines anderen verlassen, mit einem Schlag aus der (scheinbar) geordeneten Lebensbahn in die (faktische und metaphysische) Unbehaustheit geworfen, streift der Fabrikarbeiter Aldo (Steve Cochran) in Begleitung seiner kleinen Tochter durch die winterliche Po-Ebene, eine beispiellos triste, von Gianni Di Venanzo freilich in überaus delikat komponierten Schwarzweiß-, oder eher: Graubildern fotografierte Landschaft: von kahlen Baumreihen gesäumte Straßen und schlammige Wege zwischen krautigen Wiesen, ärmliche Dörfer und einsame Hütten am Fluß. Bei drei Frauen macht Aldo auf seiner Reise Station – bei der früheren Freundin Elvia (Betsy Blair), die ihn trotz eines Aufflackerns der alten Zuneigung abweist, bei der Tankstellenbesitzerin Virginia (Dorian Gray), deren selbstbewußte Resolutheit ihn in die Flucht schlägt, bei der flotten Gelegenheitsprostiuierten Andreina (Lynn Shaw), die er nach einem kurzen Techtelmechtel in ihrem Elend sitzenläßt –, bevor er schließlich in seinen Heimatort zurückkehrt, wo er ein für alle Mal feststellen muß, daß es dort keinen Platz mehr für ihn gibt, vielleicht nie gegeben hat. Michelangelo Antonioni läßt sein existenzialistisches Roadmovie – eine eindrückliche Studie der Sprachlosigkeit, der Isolation, der Entmutigung – auf einen definitven Augenblick der Wahrheit zielen, den (alles und nichts) entscheidenden Moment, da stille Verzweiflung in schreienden Schmerz umschlägt.
R Michelangelo Antonioni B Michelangelo Antonioni, Elio Bartolini, Ennio De Concini K Gianni Di Venanzo M Giovanni Fusco A Franco Fontana S Eraldo Da Roma P Franco Cancellieri D Steve Cochran, Mirna Girardi, Alida Valli, Betsy Blair, Dorian Gray, Lynn Shaw | I & USA | 116 min | 1:1,37 | sw | 14. Juli 1957
# 1162 | 2. Juli 2019
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16.9.49
Rotation (Wolfgang Staudte, 1949)
Wie konnte es soweit kommen? Berlin, April 1945. Ein Mann betrachtet die Wand seiner Gefängniszelle. In den Putz sind die Namen von Insassen geritzt, die hingerichtet wurden: Franzosen, Polen, Italiener, Holländer, Deutsche. Der Mann wird wohl der nächste sein, der stirbt. Zwanzig Jahre zuvor liebt der Mann eine Frau. Sie heiraten, obwohl die Zeiten schlecht sind. Sie bekommen einen Sohn. Hitler wird Reichskanzler. Der Mann bekommt Arbeit in einer Druckerei. Die Nazis sind ihm nicht sympathisch. Aber was hilft es? Eines Tage hängt das Führerbild über dem Eßtisch, steckt das Parteiabzeichen am Revers, werden die jüdischen Nachbarn abgeholt, fallen die Stadt, das Land, die Welt in Trümmer. Frei vom Gestus der Anklage porträtiert »Rotation« einen Menschen wie du und ich, einen, der sich um Politik nicht kümmern will, der wegsieht, der hinnimmt, der nachgibt – bis er, im Moment der Wahrheit, vor dem Resultat seines (un-)politischen Handelns steht: dem eigenen Sohn, der ihn verrät. Regisseur Wolfgang Staudte weiß, wovon er spricht; auch er hat im »Dritten Reich« Kompromisse gemacht, weil er leben, weil er überleben wollte, und so verhandelt er Schuldfragen, ohne ein vorschnelles Urteil zu fällen. In finsteren Bildern, die immer wieder von Gitterstäben zerschnitten werden, und mittels gekonnter filmerzählerischer Verknappungen der katastrophalen Weltgeschichte macht Staudte das Exemplarische eines individuellen Schicksals deutlich, wobei er bei aller Sachlichkeit der realistischen Darstellung große emotionale Wirkung erzeugt.
R Wolfgang Staudte B Wolfgang Staudte, Erwin Klein, Fritz Staudte K Bruno Mondi M H. W. Wiemann A Willy Schiller S Lilian Seng P Herbert Uhlich D Paul Esser, Irene Korb, Karl-Heinz Deickert, Reinhold Bernt, Werner Peters | D (O) | 84 min | 1:1,37 | sw | 16. September 1949
# 1023 | 26. August 2016
R Wolfgang Staudte B Wolfgang Staudte, Erwin Klein, Fritz Staudte K Bruno Mondi M H. W. Wiemann A Willy Schiller S Lilian Seng P Herbert Uhlich D Paul Esser, Irene Korb, Karl-Heinz Deickert, Reinhold Bernt, Werner Peters | D (O) | 84 min | 1:1,37 | sw | 16. September 1949
# 1023 | 26. August 2016
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13.9.49
Banshun (Yasujiro Ozu, 1949)
Später Frühling
Die Tochter ist fort.
Ihr Vater weint lächelnd und
schält eine Birne.
R Yasujiro Ozu B Kogo Noda, Yasujiro Ozu V Kazuo Hirotsu K Yuharu Atsuta M Senji Ito A Tatsuo Hamada S Yoshiyasu Hamamura P Takeshi Yamamoto D Chishu Ryu, Setsuko Hara, Yumeji Tsukioka, Haruko Sugimura | JP | 108 min | 1:1,37 | sw | 13. September 1949
Die Tochter ist fort.
Ihr Vater weint lächelnd und
schält eine Birne.
R Yasujiro Ozu B Kogo Noda, Yasujiro Ozu V Kazuo Hirotsu K Yuharu Atsuta M Senji Ito A Tatsuo Hamada S Yoshiyasu Hamamura P Takeshi Yamamoto D Chishu Ryu, Setsuko Hara, Yumeji Tsukioka, Haruko Sugimura | JP | 108 min | 1:1,37 | sw | 13. September 1949
9.12.47
… und über uns der Himmel (Josef von Báky, 1947)
»Was soll denn werden? / Es muß doch weitergeh’n!« Mit einem Rucksack voller Lebensmittel (= Schieberware) kehrt Hans Richter (Hans ›Hoppla, jetzt komm’ ich!‹ Albers) aus dem Weltkrieg zurück ins zertrümmerte Berlin. Zunächst nutzt der ehemalige Kranführer das Schwarzhandelsgut, um die eigene Wohnung wieder auf Vordermann zu bringen (»Ein Griff, ein Pfiff, ein Kniff – und fertig ist die Laube.«) und um die verwitwete Studienratsgattin von nebenan zu beeindrucken (»Heute paßt vieles zusammen, was früher keine Garnitur abgegeben hätte.«) – dann findet er Geschmack am leichtverdienten Geld, infolgedessen er der Rückkehr in den Brot(los)beruf eine Karriere als Geschäftemacher vorzieht. Richters (zunächst kriegsblinder, dann wieder klarsehender) Sohn bläst dem losen Alten schließlich den Marsch der Lauterkeit, und am Ende kommt alles wieder ins kleinbürgerliche Lot … Der erste deutsche Nachkriegsfilm unter amerikanischer Lizenz: eine Mischung aus Studiokünstlichkeit und Ruinenrealismus, aus zeitkritischem Durchhalteroman und lehrhafter Standpauke. Daß der »blonde Hans« lediglich vorübergehend auf Abwege geraten kann (und dann auch nur aus väterlicher Sorge um seine Liebsten), versteht sich dabei im Grunde von selbst. Wie in alten Ufa-Zeiten erhellt ein schimmernder Lichtreflex Albers’ vertrauenswürdige Augen, und Josef von Báky inszeniert den sympathischen Filou als eine Art Münchhausen im Schutt: immer kregel, immer patent, nie um eine Ausrede verlegen und noch im Zwielicht lebensmutig strahlend. Ein Lied darf er auch singen, zur besinnlich-optimistischen Dreigroschenmusik von Theo Mackeben: »Der Wind weht von allen Seiten. / Na, laß den Wind doch weh’n. / Denn über uns der Himmel, / Läßt uns nicht untergeh’n.«
R Josef von Báky B Gerhard Grindel K Werner Krien M Theo Mackeben A Emil Hasler, Walter Kutz S Wolfgang Becker P Richard König D Hans Albers, Lotte Koch, Paul Edwin Roth, Heidi Scharf, Otto Gebühr | D (W) | 103 min | 1:1,37 | sw | 9. Dezember 1947
R Josef von Báky B Gerhard Grindel K Werner Krien M Theo Mackeben A Emil Hasler, Walter Kutz S Wolfgang Becker P Richard König D Hans Albers, Lotte Koch, Paul Edwin Roth, Heidi Scharf, Otto Gebühr | D (W) | 103 min | 1:1,37 | sw | 9. Dezember 1947
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