16.5.73

The Day of the Jackal (Fred Zinnemann, 1973)

Der Schakal

Ein Film über zwei Profis. Der eine (Edward Fox) will den französischen Präsidenten Charles de Gaulle töten. Der andere (Michael Lonsdale) will dieses Vorhaben verhindern. Und noch ein dritter Profi ist dabei: der Regisseur. Fred Zinnemann beobachtet die beiden Kontrahenten mit jeweils dem gleichen Interesse an ihrer Arbeit und der gleichen Hochachtung vor ihrem Einfallsreichtum. Wenn er am Ende seines knochentrockenen Polit-Thrillers das sogenannte Gute gewinnen läßt, dann 1. weil es der historischen Wirklichkeit entspricht (de Gaulle starb, wie man weiß, friedlich im Bett) und 2. weil das Gute nicht besser sondern einfach einen Tick ausgebuffter, ein kleines bißchen zäher war.

R Fred Zinnemann B Kenneth Ross V Frederick Forsyth K Jean Tournier M Georges Delerue A Willy Holt, Ernest Archer S Ralph Kemplen P John Woolf D Edward Fox, Michael Lonsdale, Derek Jacobi, Alan Badel, Delphie Seyrig | UK & F | 143 min | 1:1,85 | f | 16. Mai 1973

14.5.73

La nuit américaine (François Truffaut, 1973)

Die amerikanische Nacht

»Les films sont plus harmonieux que la vie.« Der große Liebesfilmregisseur François Truffaut erzählt seine große Liebesgeschichte mit dem Kino. In den Studios de la Victorine in Nizza (wo schon »Les enfants du paradis« von Carné und Prévert entstanden ist) wird ein Film gedreht: »Je vous présente Paméla« handelt von einem Mann, der sich in die Frau seines Sohne verliebt, oder von einer Frau, die sich in den Vater ihres Mannes verliebt, oder von einem Mann, dessen Frau sich in seinen Vater verliebt. Im Grunde ist die Fabel vollkommen gleichgültig, wichtig ist nur, daß dieser Film (der stellvertretend für alle Filme steht) gedreht wird, wichtig sind die Schauspieler, der alternde Beau und der launische Romantiker, die exaltierte Diva und der zerbrechliche weibliche Star, wichtig ist die Crew, das patente Scriptgirl und der vorlaute Requisiteur, der betriebsame Aufnahmeleiter und der joviale Produzent, nicht zu vergessen der Mann im Mittelpunkt, der Mann, dem ohne Unterlaß Fragen gestellt werden, Fragen, auf die er zumeist eine Antwort weiß, aber nicht immer: der Regisseur. Truffaut selbst spielt die Rolle des metteur en scène, der dazu bestimmt ist, in der Arbeit für das Kino sein eigentliches Lebensglück zu finden. Immer wieder eröffnet »La nuit américaine« Blicke hinter die Kulissen, zeigt den komplexen Herstellungsprozeß, betont geradezu die Künstlichkeit, das »Gemachte« eines Films. Wundersamerweise resultiert daraus keine Desillusion, ganz im Gegenteil: Indem er (natürlich nicht alle) seine Tricks enthüllt, bewahrt Truffaut die verführerische Zauberkraft des Mediums, dem er verfallen ist.

R François Truffaut B François Truffaut, Jean-Louis Richard, Suzanne Schiffman K Pierre-William Glenn M Georges Delerue A Damien Lanfranchi S Yann Dedet, Martine Barraqué P FRançois Truffaut D François Truffaut, Jacqueline Bisset, Jean-Pierre Léaud, Jean-Pierre Aumont, Valentina Cortese, Nathalie Baye | F & I | 116 min | 1:1,66 | f | 14. Mai 1973

# 953 | 13. Juni 2015

9.5.73

Paper Moon (Peter Bogdanovich, 1973)

Paper Moon

»Just around the corner, / there’s a rainbow in the sky.« Mitte der 1930er Jahre im Mittleren Westen der USA. Moses Pray (Ryan O’Neal), der sich mit Bauernfängereien durchs Leben schummelt, willigt notgedrungen ein, Addie Loggings (Tatum O’Neal), die neunjährige Tochter einer verstorbenen Exgeliebten, von Kansas nach Missouri zu chauffieren, wo das Waisenmädchen bei einer Tante unterkommen soll. Auf der Fahrt durch flache, baumlose, unabsehbar weite Landschaften kommen der etwas unterbelichtete Schwindler und die ausgebuffte Göre sich langsam näher und miteinander ins Geschäft: Nicht nur eine gewisse Familienähnlichkeit (»the same jaw«) verbindet die beiden sondern vor allem der feste Wille, den Leuten das Geld aus der Tasche zu ziehen. »Paper Moon«, eine wirkungsvolle Mischung aus road movie, buddy film und sentimentaler Komödie, sympathisiert uneingeschränkt mit den Protagonisten, die ihren ganz persönlichen New Deal ins Werk setzen. Peter Bogdanovich verzichtet, wie schon in »The Last Picture Show«, tunlichst auf kommentierende Filmmusik, evoziert das Zeitgefühl durch den sparsamen Einsatz von populären Songs der Ära. Laszlo Kovacs’ beeindruckende tiefenscharf-kontrastreiche Schwarzweiß-Fotografie verweist auf die Arbeit des genialen Kameramanns Gregg Toland (der für John Ford das Depressionsdrama »The Grapes of Wrath« drehte) wie auch auf den schnörkellosen Dokumentarismus von Walker Evans oder Dorothea Lange, deren Bilder Not und Elend der Krisenzeit einprägsam festhielten. Freilich ist es Bogdanovich weniger um sozialkritischen Realismus zu tun als um eine bald zärtlich-distanzierte, bald ironisch-überspitzte Betrachtung der Schattenseiten des American way of life, die nicht ganz frei bleibt von nostalgischer Stimmungsmalerei: »Be like two fried eggs, / Keep your sunny side up!«

R Peter Bogdanovich B Alvin Sargent V Joe David Brown K Laszlo Kovacs M diverse A Polly Platt S Verna Fields P Peter Bogdanovich D Ryan O’Neal, Tatum O’Neal, Madeline Kahn, John Hillerman, P. J. Johnson | USA | 102 min | 1:1,85 | sw | 9. Mai 1973

# 963 | 10. Juli 2015