20.12.79

All That Jazz (Bob Fosse, 1979)

Hinter dem Rampenlicht

»It’s showtime, folks!« Egomaner Workaholic, unersättlicher Schürzenjäger, ketterauchender Amphetamin-Junkie, perfektionistischer Alleskönner (und -woller) – Joe Gideon (Roy Scheider als Bob-Fosse-Substitut), als Regisseur am Broadway so erfolgreich wie in Hollywood, emotional hin- und hergerissen zwischen Exfrau und Freundin, Betthäschen und Tochter, probt seine neue Bühnenshow, während er seinen zuletzt abgedrehten Film ein ums andere Mal umschneidet ... und in den Kulissen seines Lebens schon ein lächelnder Todesengel (Jessica Lange) auf ihn wartet. »Sometimes I don’t know where the bullshit ends and the truth begins.« Fosse knallt eine radikal narzißtische, um nicht zu sagen: eine einmalig eitle Selbstbespiegelung in der Tradition von Federico Fellinis »8 ½ « auf die Leinwand – und durch seine traumwandlerisch sichere Beherrschung der erzählerischen und formalen Mittel schlägt der im Übermaß versprühte Flitter dieses autobiographischen Backstage-Musicals in fröhliche, traurige, glamouröse, herzergreifende Wahrheit (und atemberaubende Filmkunst) um. Das Porträt des Künstlers als sterbender Mann gipfelt –konsequent makaber – in einer fulminanten Abschiedsnummer (»Bye-bye, my life, goodbye!«), die unmißverständlich klarmacht: There’s no people like show people.

R Bob Fosse B Bob Fosse, Robert Alan Aurthur K Giuseppe Rotunno M Ralph Burns A Philip Rosenberg S Alan Heim P Robert Alan Aurthur D Roy Scheider, Jessica Lange, Leland Palmer, Ann Reinking, Ben Vereen | USA | 123 min | 1:1,85 | f | 20. Dezember 1979

19.12.79

I… comme Icare (Henri Verneuil, 1979)

I wie Ikarus

Auf dem Weg zur Vereidigung für die zweite Amtszeit wird der Präsident eines westlichen Landes erschossen, am hellichten Tag, im offenen Wagen. Kurz darauf finden Polizisten den vermeintlichen Todesschützen mit einer Kugel im Kopf. Nach einem Jahr erklärt die offizielle Untersuchungskommission, ein psychopathischer Einzeltäter habe zuerst den Präsidenten und danach sich selbst getötet. Ein Mitglied des Gremiums, Staatsanwalt Henri Volnay (Yves Montand), ist nicht überzeugt und ermittelt weiter … Trotz der sonderbaren Prämisse des Films – warum beginnt der rechtschaffene Staatsanwalt seine Nachforschungen erst nach Abschluß der eigentlichen Untersuchung? – gelingt Henri Verneuil ein packender, wenn auch partiell etwas schulmäßiger Paranoia-Thriller über das Verhältnis von Autorität und Gehorsam und die Heraufkunft postdemokratischer Verhältnisse. Deutlich inspiriert von den Umständen des Mordes an John F. Kennedy, leuchtet »I… comme Icare« hinter die Kulisse der verfassungsmäßigen Ordnung, wo Geheimdienste und Sicherheitskräfte einen mafiotisch organisierten Staat im Staate errichten, der sich jeder gesetzlichen Kontrolle entzieht. Wer dieser Wahrheit zu nahe kommt, so Verneuil, muß sterben, wie Ikarus, der zu dicht an die Sonne flog.

R Henri Verneuil B Henri Verneuil, Didier Decoin K Jean-Louis Picavet M Ennio Morricone A Jacques Saulnier S Henri Lanoë P Henri Verneuil D Yves Montand, Pierre Vernier, Jean Négroni, Jacques Seyres, Didier Sauvegrain | F | 126 min | 1:1,66 | f | 19. Dezember 1979

# 838 | 21. Februar 2014