26.7.69

A doppia faccia (Riccardo Freda, 1969)

Das Gesicht im Dunkeln

Eine italienisch-deutsche Koproduktion, in der Bundesrepublik als Edgar-Wallace-Film vermarktet. Zwar basiert das Drehbuch auf einer Vorlage des englischen Kriminalschriftstellers, zwar ist der Handlungsort London, zwar tritt Klaus Kinski (in der Hauptrolle!) auf – aber mit den (selbst-)parodistischen Whodunit-Grusel-Komik-Hybriden der Erfolgsreihe hat »A doppia faccia« nichts zu tun. Riccardo Freda inszeniert eine aparte Sex&Crime-Schimäre, einen süffigen Cocktail aus Harold-Robbins-Kolportage, Giallo und Zeitbild. Trauriger Held der Erzählung ist John Alexander (Kinski), dessen geliebte Frau Helen ihn (offen) mit ihrer besten Freundin betrügt, bevor sie bei einem Autounfall um ihr schönes, reiches Leben kommt. Wenig später sieht der Witwer – ist es Zufall? oder wurde er manipuliert? – die Verstorbene wieder: als Darstellerin in einem lesbischen »Kunstfilm«. Gedreht wurde das Werk nach ihrem Tod … Kinski – so zurückhaltend, so dünnhäutig wie kaum je – spielt einen verletzten Mann, niedergeschlagen von den Erschütterungen in seinem Leben, aus der Bahn geworfen von den Erosionserscheinungen seiner Zeit. Immer wieder treibt es den Desorientierten – auf der Suche nach Erklärung? nach Erlösung? – durch den kalten Neonglanz der Straßen, in halluzinatorische Nachtclubs, in die Einsamkeit der Bars, durch ein dunkles London nach dem Swing. Auch wenn die Intrige, wie es sich für einen (selbstbewußten) Trivialfilm gehört, in eine absurde Auflösung mündet, auch wenn die Trickeffekte aussehen, als wären sie auf der Modellbahnanlage des Produzenten entstanden, auch wenn die meisten Schauspieler wie Marionetten agieren – eines kann diesem filmischen Labyrinth zwischen Schein und Sein, dieser Groschenstudie über Verlorenheit kaum abgesprochen werden: Formgefühl. Fredas mit vulgärer Delikatesse fotografierter Seelenthriller (Kamera: Gábor Pogány) ist so geschmackvoll wie die langstieligen, blutroten Rosen, die immer wieder in die exquisit-schäbigen Bilder ragen.

R Robert Hampton (= Riccardo Freda) B Paul Hengge, Robert Hampton (= Riccardo Freda) V Edgar Wallace K Gábor Pogány M Joan Christian (= Nora Orlandi) A Luciano Spadoni S Anna Amedei, Jutta Hering P Oreste Coltellacci, Horst Wendlandt D Klaus Kinski, Christiane Krüger, Sydney Chaplin, Annabella Incontrera, Margaret Lee | I & BRD | 88 min | 1:1,85 | f | 26. Juli 1969