14.7.57

Il grido (Michelangelo Antonioni, 1957)

Der Schrei

Von seiner langjährigen Lebensgefährtin Irma (Alida Valli) wegen eines anderen verlassen, mit einem Schlag aus der (scheinbar) geordeneten Lebensbahn in die (faktische und metaphysische) Unbehaustheit geworfen, streift der Fabrikarbeiter Aldo (Steve Cochran) in Begleitung seiner kleinen Tochter durch die winterliche Po-Ebene, eine beispiellos triste, von Gianni Di Venanzo freilich in überaus delikat komponierten Schwarzweiß-, oder eher: Graubildern fotografierte Landschaft: von kahlen Baumreihen gesäumte Straßen und schlammige Wege zwischen krautigen Wiesen, ärmliche Dörfer und einsame Hütten am Fluß. Bei drei Frauen macht Aldo auf seiner Reise Station – bei der früheren Freundin Elvia (Betsy Blair), die ihn trotz eines Aufflackerns der alten Zuneigung abweist, bei der Tankstellenbesitzerin Virginia (Dorian Gray), deren selbstbewußte Resolutheit ihn in die Flucht schlägt, bei der flotten Gelegenheitsprostiuierten Andreina (Lynn Shaw), die er nach einem kurzen Techtelmechtel in ihrem Elend sitzenläßt –, bevor er schließlich in seinen Heimatort zurückkehrt, wo er ein für alle Mal feststellen muß, daß es dort keinen Platz mehr für ihn gibt, vielleicht nie gegeben hat. Michelangelo Antonioni läßt sein existenzialistisches Roadmovie – eine eindrückliche Studie der Sprachlosigkeit, der Isolation, der Entmutigung – auf einen definitven Augenblick der Wahrheit zielen, den (alles und nichts) entscheidenden Moment, da stille Verzweiflung in schreienden Schmerz umschlägt.

R Michelangelo Antonioni B Michelangelo Antonioni, Elio Bartolini, Ennio De Concini K Gianni Di Venanzo M Giovanni Fusco A Franco Fontana S Eraldo Da Roma P Franco Cancellieri D Steve Cochran, Mirna Girardi, Alida Valli, Betsy Blair, Dorian Gray, Lynn Shaw | I & USA | 116 min | 1:1,37 | sw | 14. Juli 1957

# 1162 | 2. Juli 2019

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