20.8.81

Lola (Rainer Werner Fassbinder, 1981)

»In einer Demokratie muß man ja alles Mögliche genehmigen.« 1957: Ein neuer Baudezernent kommt in die Stadt, zugleich korrekt-altmodisch und aufgeschlossen-modern. Die expansiven Kräfte gelte es zu unterstützen, verkündet Herr von Bohm (Armin Mueller-Stahl) bei seinem Amtsantritt. Er verliebt sich in die attraktive Marie-Louise (Barbara Sukowa), geht tags mit ihr wandern, nicht ahnend, daß sie nachts die Hure Lola ist und zudem Geliebte von Schuckert (Mario Adorf), dem führenden Bauunternehmer des Ortes: »Ein Mensch hat viele Gesichter.« Als er seine Gefühle verraten sieht, wird der Moralist zum Don Quijote, der gegen die Windmühlen des Systems reitet. Das Kartell aus guten Familien und Banken, aus Politik und Presse erweist sich indes als ebenso widerstandsfähig wie flexibel. Am Ende steht eine gelungene Integration, und auch Lola, die bislang beklagte, daß man sie »nicht richtig mitmachen« lasse, wird vom Establishment adoptiert. Inspiriert von Heinrich Manns »Professor Unrat«, entwirft Rainer Werner Fassbinder ein schrilles Panorama der bürgerlichen Welt »in stampfender, rollender Zeit«: Im 3. Teil seiner BRD-Trilogie zeigt er die Welt als Puff, das allgegenwärtige Kaufen und Verkaufen, die Lust am Profit und die wechselseitige Befriedigung von Bedürfnissen. Die übertriebene Buntheit der Bilder erinnert an die Cartoon-Palette eines Frank Tashlin, wie auch an Edward Dmytryks rosa-azurblau schillerndes Fünfziger-Jahre-Remake des »Blauen Engel«, das den Mann-Roman ebenfalls in ein deutsches Provinznest der Nachkriegszeit verlegte. Die Sicht auf die allgegenwärtige Korruption ist bitter und aufgekratzt zugleich – »Lola« verbindet als knallige Sittenkomödie sarkastische Schärfe und resignative Fröhlichkeit: »Deswegen nennen wir unsere Marktwirtschaft sozial, weil für jeden etwas hängen bleibt.«

R Rainer Werner Fassbinder B Peter Märthesheimer, Pea Fröhlich, Rainer Werner Fassbinder K Xaver Schwarzenberger M Peer Raben A Rolf Zehetbauer Ko Barbara Baum S Juliane Lorenz, Franz Walsch (= Rainer Werner Fassbinder) P Horst Wendlandt D Barbara Sukowa, Armin Mueller-Stahl, Mario Adorf, Karin Baal, Matthias Fuchs, Ivan Desny | BRD | 113 min | 1:1,66 | f | 20. August 1981

# 1115 | 29. Mai 2018