7.11.58

Ich werde dich auf Händen tragen (Veit Harlan, 1958)

Ines (Kristina Söderbaum) heiratet Rudolf (Hans Holt) und übersiedelt in die repräsentative Villa des reichen Kunsthändlers oberhalb von Florenz. Dort leben auch dessen 8jährige Tochter Agnes nebst Kinderfräulein Anne (Hilde Körber) – beide in religiöser Schwärmerei der toten Mutter des Mädchens und ersten Frau des Hausherren verbunden (man könnte auch sagen: verfallen). Ines verspürt ihre Ablehnung, ja ihren Haß – und schon bald meint auch sie, das Klavierspiel der Verstorbenen aus dem verschlossenen Gartenpavillon ins Diesseits herüberschallen zu hören ... Die Atmosphäre erinnert an Hitchcocks »Rebecca«, wo gleichfalls der Schatten einer Toten auf die Seelen der Lebenden fällt, doch Veit Harlan mangelt es in »Ich werde dich auf Händen tragen« an Mut (vielleicht auch an Energie oder an Mitteln), die theatralische Konstellation bis zum Letzten aus- und durchzuspielen: Es fehlen die ultimative Bosheit, die unbeherrschten Gefühlsausbrüche, das Zugespitzte, das Hemmungslose. Die Gespenster der Vergangenheit, von denen Gegenwart und Zukunft verdüstert werden, lassen sich so leicht verjagen wie orientierungslose Fledermäuse. Lediglich in den Szenen, in denen der Regisseur die sentimentale Söderbaum und die erbitterte Körber (im richtigen Leben die beiden Mütter seiner Kinder) einander als Rivalinnen gegenüberstellt, entwickelt sein letzter Film eine reizvolle autobiographisch-familiäre Perfidie.

R Veit Harlan B Veit Harlan, Guido Fürst V Theodor Storm K Gerhard Krüger M Werner Eisbrenner A Ernst H. Albrecht, Hans Auffenberg S Klaus M. Eckstein P Gero Wecker D Kristina Söderbaum, Hans Holt, Hans Nielsen, Barbara Haller, Hilde Körber | BRD | 91 min | 1:1,37 | f | 7. November 1958

2.11.58

The Geisha Boy (Frank Tashlin, 1958)

Jerry außer Rand und Band

Weil er in der Heimat kein Engagement findet, geht Bühnenmagier Gilbert »The Great« Wooley (Jerry Lewis) an der Seite seines Partners, des weißen Hasen Harry (der tatsächlich über metaphysische Kräfte zu verfügen scheint), zur Truppenbetreuung in den fernen Osten. Im Land der aufgehenden Sonne trifft Gilbert auf den Waisenjungen Mitsuo Watanabe, den er mit seinem exzentrischen Ungeschick erstmals seit dem Tod der Eltern zum Lachen bringt, woraufhin der bezauberte Sechsjährige den Illusionskünstler nicht mehr aus den Fängen läßt ... Frank Tashlin nutzt die turbulenten Reiseabenteuer des linkischen Frontunterhalters zur Veralberung uramerikanischer Phänomene wie Sexbomben (Marie McDonald als zickige Platinsirene Lola Livingston) und Baseball (die Los Angeles Dodgers als Los Angeles Dodgers) ebenso wie zur Persiflage auf prominente Kinomotive (Sessue Hayakawa karikiert seine Rolle als Colonel Saito in »The Bridge on the River Kwai«, während über dem Fuji die Paramount-Sterne blinken) und zum romantischen Systemvergleich zwischen West und Ost (Suzanne Pleshette als taffe US-Offizierin versus Nobu McCarthy als zutunliche Mademoiselle Butterfly) – all dies wird freilich rigoros überlagert von Lewis’ clownesk-sentimentaler Hingabe an flauschige Langohren und kleine Japaner.

R Frank Tashlin B Frank Tashlin, Rudy Makoul K Haskell B. Boggs M Walter Scharf A Hal Pereira, Tambi Larsen S Alma Macronie P Jerry Lewis D Jerry Lewis, Robert Hirano, Nobu McCarthy, Sessue Hayakawa, Suzanne Pleshette, Marie MacDonald | USA | 95 min | 1:1,85 | f | 2. November 1958

# 1073 | 3. September 2017