27.11.64

Das siebente Opfer (Franz Josef Gottlieb, 1964)

Im herrschaftlichen Umfeld von Lord Mant (Walter Rilla), einem pensionierter Kronrichter und siegesbewußten Rennstallbesitzer, ereignet sich ein Mord nach dem anderen; schließlich fällt der ehrenwerte Pferdefreund selbst einer (Heugabel-)Attacke zum Opfer, ohne daß das Meucheln damit zu einem Ende käme … Bis fast zum Schluß des Films bleibt unklar, worum es eigentlich geht, Franz Josef Gottlieb läßt die Handlung seiner Bryan-Edgar-Wallace-Bearbeitung lässig unter den Tisch fallen, verbrät stattdessen die üblichen Sujets des (Sub-Sub-)Genres (Zwistigkeiten in komplizierten Familienverhältnissen, (Blut-)Rache für frühere Ungerechtigkeit, allgemeine Undurchsichtigkeit von Beweggründen, anonyme Auftritte des großen Unbekannten) in einem freien Spiel der Themen und Motive, schafft viel Raum für die stereotypen Krimifiguren und ihre gut aufgelegten Darsteller: die kantige Adelsfrau (Alice Treff), den honorigen Geistlichen (Hans Nielsen), den fragwürdigen Veterinär (Harry Riebauer), die undurchsichtige Schönheit (Ann Savo), den fiesen Gauner (Wolfgang Lukschy), den verlotterten Erben (Helmuth Lohner), den suspekten Butler (Peter Vogel). Mit wohldosiert-plattem Humor (Trude Herr als beleibte »Diätschwester«!) gerät »Das siebente Opfer« zum originellen billigen Abklatsch eines nicht viel wertvolleren Originals.

R Franz Josef Gottlieb B Franz Josef Gottlieb V Bryan Edgar Wallace K Richard Angst M Raimund Rosenberger A Hans-Jürgen Kiebach, Ernst Schomer S Walter Wischniewsky P Artur Brauner D Hansjörg Felmy, Hans Nielsen, Ann Smyrner, Wolfgang Lukschy, Heinz Engelmann | BRD | 93 min | 1:1,37 | sw | 27. November 1964

18.11.64

Le tigre aime la chair fraîche (Claude Chabrol, 1964)

Der Tiger liebt nur frisches Fleisch

Roger Hanin ist Louis Rapière (= der Degen), genannt ›le tigre‹, ein taffer französischer Geheimdienstler, der freudig austeilt, sich aber, wie es scheint, ab und zu auch ganz gern mal durchprügeln läßt. Der ›Tiger‹ hat den Auftrag, einen Waffendeal zwischen der Grande Nation und der Türkei abzusichern, den eine Handvoll (rivalisierender) Finsterlinge hintertreiben will; insbesondere gilt es, die attraktive Frau und die hübsche Tochter des angereisten Kriegsministers vor den Nachstellungen der Halunken zu beschützen … Claude Chabrol betrachtet die Mechanismen des Spionagefilms mit der ihm eigenen spöttischen Distanz und fabriziert (nach einem Drehbuch des Hauptdarstellers) einen kauzigen 007-Aufguß im Westentaschenformat, wobei er dem Vorbild unumwunden Reverenz erweist: Ian Flemings Roman »From Russia with Love« wird prominent ins Bild gerückt, der platinblonde Schlagetot Dombrovsky (Mario David) ist eine parodistische ›Red‹-Grant-Imitation, und Bond girl Daniela Bianchi spielt gleich selber mit. Die läppische Intrige zerfällt schnell in x-beliebige Erzählbausteine, was – dank Jean Rabiers stilvoller Schwarzweiß-Fotografie, dank eines wachen Sinns für die Inszenierung von Schauplätzen (eine überschwemmte Villa, der Flughafen Orly, ein Autofriedhof mit Schrottpresse) und dank des kuriosen Schurkenkabinetts (unter anderem ein Zwerg namens Jean-Luc) – nicht besonders unangenehm auffällt.

R Claude Chabrol B Antoine Flachot (= Roger Hanin), Jean Halain K Jean Rabier M Pierre Jansen S Jacques Gaillard P Christine Gouze-Rénal D Roger Hanin, Mario David, Daniela Bianchi, Maria Mauban, Jimmy Karoubi | F & I | 86 min | 1:1,66 | sw | 18. November 1964

4.11.64

Fantômas (André Hunebelle, 1964)

Fantomas

Wer hat Angst vorm Blauen Mann? oder Die Wiedergeburt eines genußvoll-sadistischen Superverbrechers als vermummungslustiger Kinderschreck: André Hunebelle erweckt die Stummfilmlegende »Fantômas«, die das Paris der späten Belle Époque unsicher machte und den Surrealisten Begeisterungsseufzer entlockte, als konsumierbaren Antihelden einer modischen (streckenweise recht behäbig inszenierten) Actionklamotte zu neuem Leben. Drei Gerechte ziehen gegen den Schurken zu Felde: ein alerter Journalist (Jean Marais), eine platinblonde Fotografin (Mylène Demongeot) und ein Gesetzeshüter am Rande des Nervenzusammenbruchs. Louis de Funès in der Rolle des fratzenschneidenden, wild gestikulierenden Kommissar Juve hat den Film fest im Griff und stiehlt dem statuarischen, mimisch durch die Latexmaske arg eingeschränkten Titelhelden die kriminelle Schau. Vor allem durch de Funès' Turbo-Performance verwandelt sich der schwarze Pulp-Anarchismus der Vorlage in einen neckischen Pop-Mummenschanz ohne Bedrohungspotential. PS: »Non, ce n’est pas fini! Nous nous retrouverons, Fantômas!«

R André Hunebelle B Jean Halain, Pierre Foucaud V Pierre Souvestre, Marcel Allain K Marcel Grignon M Michel Magne A Paul-Louis Boutié S Jean Feyte P Paul Cadéac, Alain Poiré D Jean Marais, Louis de Funès, Mylène Demongeot, Jacques Dynam, Robert Dalban | F & I | 100 min | 1:2,35 | f | 4. November 1964

2.11.64

Topkapi (Jules Dassin, 1964)

Topkapi

Formal und erzählerisch unausgewogene Gaunerkomödie über einen Einbruch ins Istanbuler Topkapi-Museum. Jules Dassin parodiert sein eigenes, klassisches, schwarzes 1955er heist movie »Du rififi chez les hommes« als bonbonbunt-polternde Diebesclownerie; schmuddlige Ironie und diskrete Boshaftigkeit der Vorlage von Eric Ambler gehen dabei im Bosporus baden. Der Raubzug selbst (von oben, an Seilen hängend, über trittempfindlichem Fußboden) ist, wenn auch nicht gerade nervenzerreißend, so doch zumindest professionell inszeniert, und der mopsfidele Cast – Melina Mercouri (kleptoman und mannstoll), Peter Ustinov (scheinheilig und akrophob), Maximilian Schell (gründlich und improvisationsfreudig), Robert Morley (ausgetüftelt und vollfett), Akim Tamiroff (immer besoffen) – lohnt durchaus einen Blick (oder zwei).

R Jules Dassin B Monja Danischewsky V Eric Ambler K Henri Alekan M Manos Hatzidakis A Max Douy S Roger Dwyre P Jules Dassin D Melina Mercouri, Peter Ustinov, Maximilian Schell, Robert Morley, Jess Hahn | USA | 120 min | 1:1,66 | f | 2. September 1964