25.8.60

Die Bande des Schreckens (Harald Reinl, 1960)

Ein zum Tode Verurteilter Meisterverbrecher schwört vor der Vollstreckung des Urteils all jenen Rache, die ihn an den Galgen brachten. Und tatsächlich: der Staatsanwalt, der Richter, der Scharfrichter – sie sterben wie die Fliegen. Zunächst scheint es, als sei der Gehenkte selbst aus dem Grab gestiegen, um als Geist Vergeltung zu üben, doch Chefinspektor Long (Joachim »Meine Freunde nennen mich Blacky!« Fuchsberger) enthüllt ein ganz und gar irdisches Mordkomplott, in das unter anderem die arglose Karin Dor und die doppelbödige Elisabeth Flickenschildt verwickelt sind. Harald Reinl inszeniert mit sicherer Hand für zwielichtige Stimmung und einfallsreiche Sterbefälle eine wohlig-schaurige Phantasie über die unheimliche Wiederkehr des Verdrängten.

R Harald Reinl B J. Joachim Bartsch, Wolfgang Schnitzler V Edgar Wallace K Albert Benitz M Heinz Funk A Erik Aaes S Margot Jahn P Preben Philipsen D Joachim Fuchsberger, Karin Dor, Fritz Rasp, Dieter Eppler, Elisabeth Flickenschildt | BRD | 92 min | 1:1,37 | sw | 25. August 1960

11.8.60

La maschera del demonio (Mario Bava, 1960)

Die Stunde, wenn Dracula kommt

Ein Horrormelodram über die Last der Vergangenheit und die Wiederkehr des Verdrängten: Moldawien, im frühen 17. Jahrhundert – vom eigenen Bruder als Hexe verurteilt, wird der jungen Prinzessin Asa (Barbara Steele) eine Dornenmaske aufs schöne Gesicht genagelt. Ein heftiger Regenguß löscht das Feuer des Scheiterhaufens, so daß die Satanstochter 200 Jahre später durch einen zufällig vergossenen Blutstropfen von den Toten erwachen kann, um ihren satanischen Geliebten zu wecken und Besitz vom Körper ihrer ebenbildlichen Nachfahrin Katia (Barbara Steele) zu nehmen. Ironischerweise ist es ein abgeklärter Wissenschaftler, der das Rad des übersinnlichen Grauens wieder in Schwung bringt (und selbst dem Bösen anheimfällt), während sein tapferer junger Assistent gegen die rachsüchtigen Dämonen um das bedrohte Leben der verehrten Fürstentochter kämpft … Ohne großen bühnenbildnerischen Aufwand, mit expressivem Chiaroscuro und grellen Effekten kreiert Regisseur (und Kameramann) Mario Bava in »La maschera del demonio« ein schauerromantisches Setting voller spillerigem Geäst und morbider Ruinen, durchzogen von winkligen Geheimgängen, unterkellert von finsteren Verliesen, bedrückt vom Fluch einer uralten Schuld, eine unheimliche Sphäre zwischen Verfall und Vernunft, eine heillose Welt doppelgängerischer Zerrissenheit, wo Furcht und Verlockung seltsame Schnittmengen bilden.

R Mario Bava B Ennio De Concini, Mario Serandrei V Nikolai Gogol K Mario Bava M Roberto Nicolosi A Giorgio Giovannini S Mario Serandrei P Massimo De Rita D Barbara Steele, John Richardson, Andrea Checchi, Ivo Garrani, Arturo Dominici | I | 87 min | 1:1,66 | sw | 11. August 1960

Seilergasse 8 (Joachim Kunert, 1960)

Eine junge Frau wird leblos aufgefunden. Es sieht aus wie Selbstmord. Aber wieso sollte die Verstorbene das Glas, mit dem sie die Überdosis Tabletten herunterspülte, vor ihrem Ableben noch von Fingerabdrücken gesäubert haben? »Seilergasse 8«, die Adresse des Todesfalles, der sich schnell als Verbrechen erweist, ist eine kleine Mietskaserne im herbstlichen Rostock. Die Parteien leben dicht zusammen, und doch kennt keiner den anderen – von der Wärme der sozialistischen Menschengemeinschaft lassen Kunert und Kunert (Regisseur Joachim und Autor Günter) in ihrem kriminalistischen Stimmungs- und Sittenbild nicht viel spüren. Auch zwischen den Altersklassen liegen Mißtrauen und Sprachlosigkeit: Als der im Mordhaus wohnende dienstbeflissene VP-Kommissar (Martin Flörchinger) seinen mürrischen Sohn der Tat verdächtigt (will sagen: aufgrund der Indizienlage verdächtigen muß), kommt es zum (verstockten) Generationskonflikt … Nachdem zunächst die Enge des Milieus ausgeleuchtet wurde, weitet sich die Erzählung gegen Ende der Ermittlungen beinahe ins Weltläufige, das auch eine mittelgroße Hafenstadt hinter dem Eisernen Vorhang gelegentlich durchweht. PS: Das Böse kommt diesmal nicht aus dem Westen, will aber dorthin.

R Joachim Kunert B Günter Kunert, Joachim Kunert K Eugen Klagemann M André Asriel A Erich Zander S Hildegard Konrad P Erich Albrecht D Martin Flörchinger, Manja Behrens, Dieter Perlwitz, Dietrich Kerky, Rudolf Ulrich | DDR | 91 min | 1:1,37 | sw | 11. August 1960

10.8.60

Ocean’s 11 (Lewis Milestone, 1960)

Frankie und seine Spießgesellen

Danny Ocean (Frank Sinatra) versammelt eine Gruppe alter Kriegskameraden, ehemalige Angehörige der 82nd Airborne Division, die am Strand von Anzio und in den Ardennen gekämpft haben, um in den Casinos von Las Vegas auf Beutezug zu gehen: »Why waste those cute little tricks that the Army taught us just because it’s sort of peaceful now.« Die ironische Prämisse – soldatisch geschulte Profis nutzen ihre spezifischen Fähigkeiten, um ein großes Ding zu drehen – ähnelt auf verblüffende Weise jener der kurz zuvor entstandenen Diebeskomödie »The League of Gentlemen«; daß »Ocean’s 11« – trotz der vollständigen Anwesenheit des berühmt-berüchtigten Rat Packs (neben Sinatra: Dean Martin, Sammy Davis Jr., Peter Lawford, Joey Bishop sowie Shirley MacLaine in einem betrunkenen Kurzauftritt) – anders als sein britisches Pendant nur wenig Esprit entwickelt, ist in erster Linie der betulichen Inszenierung geschuldet. Eine sehr lange Stunde nimmt sich Lewis Milestone Zeit, um die Bande zu formieren, die Protagonisten vorzustellen, die verschiedenen Motivationen klarzulegen. Mit der eigentlichen Vorbereitung und Durchführung des Coups kommt der Film in der zweiten Hälfte zwar auf Touren, doch erst gegen Ende stellt sich die croonerhafte Lässigkeit ein, die wohl das ganze Gaunerstück durchwirken sollte.

R Lewis Milestone B Charles Lederer, Harry Brown K William H. Daniels M Nelson Riddle A Nicolai Remisoff S Philip W. Anderson P Lewis Milestone D Frank Sinatra, Dean Martin, Peter Lawford, Sammy Davis Jr., Angie Dickinson, Richard Conte, Akim Tamiroff | USA | 127 min | 1:2,35 | f | 10. August 1960

# 1061 | 18. Juli 2017

3.8.60

Taiyo no hakaba (Nagisa Oshima, 1960)

Das Grab der Sonne

Asche zu Asche, Staub zu Staub, Müll zu Müll. Nagisa Oshimas beiläufig-brutale Ballade von der irdischen Höllenfahrt des Lumpenproletariats spielt unter Kriminellen, Prostituierten, Bettlern, krummen Geschäftemachern und durchgeknallten Veteranen in einem Slum von Osaka – hier im sozialen Off werden illegale Blutbanken ebenso ungerührt betrieben wie Raub und Menschenhandel, hier wird einer Leiche das Hemd vom totgeprügelten Körper gestohlen, hier wird der nächste Krieg als reinigendes Gewitter herbeigesehnt. In rauhen, ausdrucksstarken Scope-Bildern (Takashi Kawamata), zu denen ein spanisch anmutender, elegischer Gitarrenscore (Riichiro Manabe) in fruchtbarem Gegensatz steht, wird jede Hoffnung auf Erlösung verweigert: »Das Grab der Sonne« ist zwar längst ausgehoben, doch die sterbende Gesellschaft – sie stirbt nicht. Sie zuckt und zuckt in einem nichtendenwollenden Todeskampf.

R Nagisa Oshima B Nagisa Oshima, Toshiro Ishido K Takashi Kawamata M Riichiro Manabe A Koji Uno S Keiichi Uraoka P Tomio Ikeda D Masahiko Tsugawa, Kayoko Honoo, Isao Sasaki, Fumio Watanabe, Kamatari Fujiwara | JP | 87 min | 1:2,35 | f | 3. August 1960