19.7.63

For Eyes Only (János Veiczi, 1963)

»Euer Dienst ist die Aufklärung, / Namen bleiben geheim. / Unauffällig die Leistungen, / Stets im Blickfeld der Feind.« – Nur für Augen oder Defa goes Bond. Sein Name ist Lorenz, Genosse Lorenz. Gespielt wird er von Müller, Alfred Müller. Schon die ostentative Durchschnittlichkeit der Namen verrät: Hier geht es nicht um einen versnobten Glamour-Spion, hier geht es um einen Kundschafter wie du und ich. Der Stasi-Kämpfer an der unsichtbaren Front (Würzburg!) versucht, den Amis die geheimen Pläne zum Angriff auf das Weltfriedenslager abzuluchsen. Der Westen sieht aus, wie ihn sich der kleine Nikita vorstellt (Nachtbars mit Ponyreiten!), und alle englischen Dialoge werden von einer blechernen Wochenschaustimme deutsch übersprochen. Die Dramaturgie knattert wie ein Trabant auf den unausweichlichen Sieg des Sozialismus zu, während irgendwo im Dunkel der Kulissen Mischa Wolf zufrieden in sich hineingrinst. Ein unterhaltsames Agentenstück aus dem kühlschrankkalten Krieg, das zur Festigung des Klassenstandpunkts bestens geeignet ist und nebenbei noch eine Rechtfertigung des Mauerbaus nachliefert. PS: »Wachsam sein, immerzu — wachsam sein!«

R János Veiczi B Harry Thürk, János Veiczi K Karl Plintzner M Günter Hauk A Alfred Drosdek S Christel Ehrlich P Siegfried Kabitzke D Alfred Müller, Helmut Schreiber, Hans Lucke, Werner Lierck, Martin Flörchinger | DDR | 103 min | 1:2,35 | sw | 19. Juli 1963

17.7.63

The Thrill of It All (Norman Jewison, 1963)

Was diese Frau so alles treibt

»I’m Beverly Boyer and I’m a pig.« Es ist nicht ohne Reiz, sich diese von Ross Hunter produzierte Komödie als Douglas-Sirk-Melodram vorzustellen: Eine latent unterforderte Arztfrau und Mutter (vielleicht gespielt von Dorothy Malone) erhält das überraschende Angebot, die Präsentation einer Werbesendung (für ›Happy‹-Seife – was für ein Symbol!) zu übernehmen; sie hat (beruflichen und finanziellen) Erfolg, wird berühmt, gewinnt Selbstständigkeit, während ihr platzhirschhafter Gatte (vielleicht gespielt von Robert Stack) mit der Metamorphose seines Weibchens zur ernstzunehmenden Partnerin nicht klarkommt und in eine tiefe Identitätskrise gerät … Norman Jewisons »The Thrill of It All« will von der Hinterfragung (oder gar Infragestellung) geschlechtlicher Rollenmuster selbstverständlich nichts wissen. Überkommene Stereotypen werden mit schaumweicher Gnadenlosigkeit bestätigt: Das, was eine Frau außerhalb von Küche und Schlafzimmer tut, kann niemals glücklich machen, kann keinesfalls so relevant sein wie die Tätigkeit eines Mannes. So kehrt Beverly Boyer (gespielt von Doris Day), nach einem kurzen, aufregenden Ausflug in die (großstädtische) Souveränität, artig zurück unter die (suburbane) Fuchtel ihres gönnerhaft-repressiven Herrn und Meisters (gespielt von James Garner). »What did mommy say?« – »She said she was a pig.«

R Norman Jewison B Carl Reiner, Larry Gelbart K Russell Metty M Frank De Vol A Alexander Golitzen, Robert F. Boyle S Milton Carruth P Ross Hunter, Martin Melcher D Doris Day, James Garner, Arlene Francis, Edward Andrews, Elliot Reid, Zasu Pitts | USA | 108 min | 1:1,85 | f | 17. Juli 1963

# 827 | 13. Januar 2014

5.7.63

Der schwarze Abt (Franz Josef Gottlieb, 1963)

Nebelhafter Edgar-Wallace-Mummenschanz ohne viel Sinn und mit noch weniger Verstand: ein Schloß im englischen Irgendwo, ein spleeniger Lord (der 18. (und wohl letzte) seines degenerierten Stammes), ein mythischer Schatz, hinter dem alle her sind. Die Zwangslagen, Intrigen, Begierden der miteinander ungut verstrickten Beteiligten überlagern, kreuzen, hintertreiben sich, ohne daß Regisseur Franz Josef Gottlieb daraus viel Spannungskapital zu schlagen vermöchte; unter der Kutte des »schwarzen Abtes« verbirgt sich mal dieser, mal jener; am Ende sind, bis auf das glücklich vereinte Paar (Joachim Fuchsberger & Grit Boettcher) und die Ermittler (Charles Regnier & Eddi Arent), alle über die Klinge einer wirren Dramaturgie gesprungen, und das begehrte Gold begräbt seinen beharrlichsten Sucher. Die Abwesenheit von erzählerischer Prägnanz wird freilich als Spielraum für das eine oder andere schauspielerische Kabinettstückchen genutzt – etwa von Werner Peters (als liebestoll-entschlossener Fettwanst), vor allem aber von Dieter Borsche, der den unbeirrbaren Weg eines (aristokratischen) Fanatikers in den Wahnsinn mit Lust und Verve gestaltet.

R Franz Josef Gottlieb B Johannes Kai, Franz Josef Gottlieb V Edgar Wallace K Richard Angst M Martin Böttcher A Wilhelm Vorweg, Walter Kutz S Hermann Haller P Horst Wendlandt D Joachim Fuchsberger, Dieter Borsche, Grit Boettcher, Werner Peters, Charles Regnier | BRD | 88 min | 1:2,35 | sw | 5. Juli 1963

4.7.63

Verspätung in Marienborn (Rolf Hädrich, 1963)

Eine bundesdeutsche Film-Fernsehen-Koproduktion mit internationaler Beteiligung und einem veritablen Oscar-Preisträger in einer Hauptrolle. Basierend auf einem Drehbuch von Will Tremper (der den Film wegen des Konkurses der vorgesehenen Produktionsfirma nicht selbst realisieren konnte) inszeniert TV-Regisseur Rolf Hädrich auf engem Raum eine spannende deutsch-deutsch-alliierte Flüchtlingsstory, die einem Ereignis aus dem Dezember 1961 folgt: Bei einem kurzen Zwischenhalt irgendwo in der Zone springt ein junger DDR-Bürger auf den US-Militärzug von Berlin nach Frankfurt; seine Anwesenheit bleibt nicht unbemerkt: Eine Krankenschwester hilft ihm sich zu verstecken; ein mitreisender Journalist (knurrig: José Ferrer) wittert einen Knüller und führt mit dem Republikflüchtling, der seinen Eltern in den Westen folgen will, ein exklusives Tonband-Interview; schließlich schöpfen auch östliche Transportpolizisten Verdacht und melden die Sache ihren Vorgesetzten. Nur der junge amerikanische Kommandant (Sean Flynn, ein Sohn von Errol) ahnt von alldem nichts, schwört Stein und Bein, daß sich kein blinder Passagier an Bord befände, als die Sowjets den Zug am Kontrollpunkt festhalten und die Lokomotive abkoppeln … Als Musterbeispiel eines geschlossenen Dramas wahrt »Verspätung in Marienborn« strikt die Einheit von Zeit (eine Nacht und ein Tag), Ort (ein versiegelter Zug und ein abgeriegelter Grenzbahnhof) und Handlung. Von Interesse erscheinen weniger die Überzeugungen oder Motivationen der knapp gezeichneten Charaktere, sondern ihre Gefangenschaft in einem abstrakten System technisch-administrativer Mechanismen, das weder persönlichen Handlungsspielraum noch individuelle Rücksichtnahme zuläßt – nicht einmal die rivalisierenden Ideologien der feindlichen Mächte spielen in diesem kalten (Nerven-)Krieg noch eine wesentliche Rolle. Am Ende sind es folgerichtig nicht die Personen des Stücks sondern anonyme Instanzen, die per Telefonbefehl das Schicksal des Flüchtlings besiegeln.

R Rolf Hädrich B Will Tremper, Victor Vicas (englische Fassung »Stop Train 349«) K Roger Fellous M Peter Thomas, Claude Vasori A Dieter Bartels, Albrecht Hennings S Margot Jahn, Georges Arnstam P Hans Oppenheimer, Hessischer Rundfunk D José Ferrer, Sean Flynn, Nicole Courcel, Jess Hahn, Hans-Joachim Schmiedel | BRD & F & I | 94 min | 1:1,37 | sw | 4. Juli 1963