27.4.67

Two for the Road (Stanley Donen, 1967)

Zwei auf gleichem Weg 

Joanna: »They don't look very happy.« Mark: »Why should they? They just got married.« … Szenen einer Ehe – vor zwölf Jahren haben sie sich kennengelernt, rein zufällig; zwölf Jahre später kennen sie sich, durch und durch. »Two for the Road« erzählt die Geschichte einer Zweisamkeit, in fünf paralellgeführten (Sommerreise-)Kapiteln: die zufällige Begegnung, das rauschende Verknalltsein, die ganz große Liebe, das Versprechen auf ewige Treue, die erste Enttäuschung, die sich einschleichende Gewohnheit, die unvermeidliche Ernüchterung, die schmerzhafte Erkenntnis, nicht miteinander, nicht ohne einander sein zu können. Stanley Donen (Regie) und Frederic Raphael (Drehbuch) interpretieren Partnerschaft als abwechslungsreiche Fahrt, als ermüdenden Weg, als bewußtseinserweiternden Trip, als kurvige Straße ohne bekanntes Ziel, als immerwährendes Unterwegs. Joanna (Audrey Hepburn) und Mark (Albert Finney) begegnen sich, kommen sich näher, entfernen sich, finden zusammen, werden einander umso fremder, je besser sie sich gegenseitig verstehen. Die Ehe: ein Bund, ein Joch, ein Band, ein Bruch. Eine Beziehung: unendlicher Spaß und abgrundtiefer Frust, berechneter Kurs und zufällige Drift, tränenreiche Komödie und saukomisches Trauerspiel. Happy ending nicht ausgeschlossen … Mark: »Bitch!« Joanna: »Bastard!«

R Stanley Donen B Frederic Raphael K Christopher Challis M Henry Mancini A Willy Holt S Madeleine Gug, Richard Marden P Stanley Donen D Audrey Hepburn, Albert Finney, Eleanor Bron, William Daniels, Claude Dauphin | UK | 111 min | 1:2,35 | f | 27. April 1967

# 835 | 16. Februar 2014

26.4.67

Die blaue Hand (Alfred Vohrer, 1967)

Das Irrenhaus und der Familiensitz – zwei Horte des Wahnsinns. Alfred Vohrer macht zwischen den beiden Spielorten des Films sinnigerweise kaum einen Unterschied: hier Keller und Verliese, dort Geheimgänge und Gruften, überall Ratten und Gier, Schlangen und Mord. Passend zu den spiegelbildlichen Schauplätzen des Stücks: die Doppelrolle von Klaus Kinski. David und Richard sind Zwillingsbrüder – der eine angeblich geistesgestört, aber vollkommen klar im Kopf, der andere vermeintlich normal, doch was heißt das schon? Die Story kreist (wie in sämtlichen synthetisch-lebensnahen bundesdeutschen Horrorkomödien nach Edgar Wallace) um den Treibstoff allen Handelns: So verrückt, daß er (oder sie) den Wert des Geldes nicht mehr begriffe, ist niemand, nicht der hinterlistige Anwalt, nicht der undurchsichtige Butler, nicht der Psychiater mit dem Monokel, nicht die Lady im Ozelotmantel, schon gar nicht der anonyme Mann im Hintergrund, dessen eisige Stimme die lukrativen Verbrechen befiehlt.

R Alfred Vohrer B Axel Berg (= Herbert Reinecker) V Edgar Wallace K Ernst W. Kalinke M Martin Böttcher A Wilhelm Vorwerg, Walter Kutz S Jutta Hering P Horst Wendlandt D Klaus Kinski, Harald Leipnitz, Siegfried Schürenberg, Carl Lange, Ilse Steppat | BRD | 87 min | 1:1,66 | f | 26. April 1967

# 799 | 15. November 2013

24.4.67

The Sailor from Gibraltar (Tony Richardson, 1967)

Nur eine Frau an Bord

»What do you do when you don’t know what you want.« Alan, in seinem Behördenjob gelangweilt, von seiner putzmunteren Freundin Sheila (Vanessa Redgrave) angeödet, mit seinem Leben generell unzufrieden, begegnet während eines Italienurlaubs der schönen, reichen Anna (Jeanne Moreau), die, auf der Suche nach einem verlorenen Geliebten, mit ihrer Segelyacht die Weltmeere durchkreuzt. Alan nutzt die sich ihm unverhofft bietende Chance und begleitet Anna, ihrerseits erotischen Eskapaden durchaus nicht abgeneigt, auf große Fahrt. In Athen, in Alexandria, in Äthiopien verfolgen sie vage Spuren des Verschwundenen, gehen Auskünften nach, die ihnen von mehr oder weniger zuverlässigen Informanten (darunter Orson Welles mit Fez und Kaftan als »Louis of Mozambique«) zugetragen werden. Tony Richardsons Adaption eines frühen Romans von Marguerite Duras läßt bewußt offen, ob es den Matrosen von Gibraltar (angeblich ein aus der Fremdenlegion geflohener Mörder) tatsächlich gab, oder ob er Annas Phantasie entsprungen ist, ein romantisches Ideal, Wunschbild der absoluten Liebe, Symbol für Geheimnis, Abenteuer, Freiheit, Unschuld. Auch wenn Ian Bannen in der (einigermaßen undankbaren) Rolle des mürrischen Alan kaum greifbare Präsenz entwickelt, gelingt Richardson, insbesondere dank Moreaus enigmatischer Strahlkraft, Raoul Coutards dokumentarisch-einfühlsamer Kamera und Antoine Duhamels mediterran-melancholischem Score, eine streckenweise reizvolle Reiseerzählung über Sehnsucht und Vorstellungen von Glück, über Illusionen und unbekannte Ziele: »It would be terrible if sailors didn’t exist.« – »We would have to invent them.«

R Tony Richardson B Christopher Isherwood, Don Magner, Tony Richardson V Marguerite Duras K Raoul Coutard M Antoine Duhamel A Josie MacAvin S Antony Gibbs P Oscar Lewenstein D Jeanne Moreau, Ian Bannen, Vanessa Redgrave, Orson Welles, Hugh Griffith | UK | 91 min | 1:1,66 | sw | 24. April 1967

# 1069 | 21. August 2017

19.4.67

Mord und Totschlag (Volker Schlöndorff, 1967)

Marie erschießt Hans, weil er sie nach der Trennung zu einem letzten Beischlaf nötigt. Kurzentschlossen dingt die Gelegenheitsdelinquentin zwei Tagediebe, um die lästige Leiche verschwinden zu lassen. (Nach einigem Hin und Her wird der Getötete in einen Teppich eingerollt und auf einer Autobahnbaustelle verscharrt.) Basierend auf einer Meldung aus der Rubrik Vermischtes entwickelt Volker Schlöndorff eine lakonisch-balladeske Krimikolportage, die übliche Genreelemente (Suspense, Ermittlung, Psychologie, Moral) zugunsten der Kompilation zeitgeistiger Stimmungsbilder und bissiger Milieuskizzen hintanstellt. It-Girl Anita Pallenberg in der Hauptrolle des fatalen Münchner Servierfräuleins sorgt im Verein mit der Musik des Rolling-Stones-Gitarristen Brian Jones für popkulturelles Flair, das durch und durch unangepaßte Verhalten der Akteure gibt auf unterhaltsame Weise Ahnung von der gesellschaftlichen Umbruchstimmung der mittleren 1960er Jahre.

R Volker Schlöndorff B Volker Schlöndorff, Arne Boyer, Gregor von Rezzori, Niklas Frank K Franz Rath M Brian Jones A Wolfgang Hundhammer Ko Eva Maria Gall S Claus von Boro P Rob Houwer D Anita Pallenberg, Hans Peter Hallwachs, Manfred Fischbeck, Werner Enke | BRD | 87 min | 1:1,66 | f | 19. April 1967

# 1184 | 31. Dezember 2019

18.4.67

Caprice (Frank Tashlin, 1967)

Caprice

»I'm the spy who came in from the cold cream.« Ein Doris-Day-Film, der beginnt wie ein James-Bond-Abenteuer: mit einem tödlichen Ski-Verfolgungsrennen in den Schweizer Alpen … Frank Tashlin verwickelt die (mittlerweile über 40jährige) ewige Jungfrau in einen vor allem theoretisch guten spy spoof um Geheimformeln und Jugendkult, um Liebestraum und Doppelspiel, um Narkotika und geschäftliche Konkurrenz, die über Leichen geht. »To die, to sleep;
 to sleep: perchance to dream« – das Hamlet-Zitat wird nicht ohne Grund mehrfach vorgetragen. Patricia Foster (alias Philippa Fowler) jagt als Industriespionin einerseits nach der Rezeptur eines wasserfesten Haarsprays, andererseits will sie den Mord an ihrem Vater aufklären. Dabei trifft die Beton-Blondine auf einen attraktiv-zupackenden Counter-Spitzel (Richard Harris), auf einen hochstaplerisch-cholerischen Chemiker (Ray Walston) und auf einen soigniert-skrupellosen Unternehmer (Edward Mulhare) … Tashlin, der Grandseigneur des zynischen Slapstick, der Meister der grafischer Stilisierung, ist immer gut für grotesk-dekorative Bilderfindungen – so auch (unterstützt von den psychedelischen Kreationen des Kostümbildners Ray Aghayan) in diesem bonbonbunten Fall –, aber Tashlin, der Brachial-Tati des Konsumzeitalters, der systemkritische Vaudeville-Bruder von Godard und Antonioni, zeigt sich in »Caprice« (trotz passender Themenwahl) nicht mehr ganz auf der Höhe seiner subversiven Kunst.

R Frank Tashlin B Frank Tashlin, Jay Jayson K Leon Shamroy M Frank De Vol A Jack Martin Smith, William Creber S Robert L. Simpson P Martin Melcher, Aaron Rosenberg D Doris Day, Richard Harris, Ray Walston, Jack Kruschen, Edward Mulhare | USA | 98 min | 1:2,35 | f | 18. April 1967

13.4.67

St. Pauli zwischen Nacht und Morgen (José Bénazeraf, 1967)

Ein Gangsterfilm zwischen Nacht und Morgen. Ein nebelfeuchter Traum von harten Kerlen, von schönen Frauen, von ehrgeizigen Polizisten. Eine kalte Halluzination vom großen Geld, von der großen Liebe, vom großen Spiel. Helmut Schmidt (!), ein Schweizer Interpol-Inspektor, kommt nach Hamburg, um eine Bande von Drogenhändlern auszuheben, die sich als Betreiber einer Nachtbar tarnen. Der ehrgeizige Helmut (Helmut Förnbacher) verfällt dem traurigen Zauber der schönen Arlette (Eva Christian) und dem rauhen Charme des harten Bernie (Rolf Eden) – und schließlich verfällt er seiner Bestimmung … José Bénazeraf mag seine Figuren. Deswegen sieht er sie lange an. Er betrachtet ausführlich, wie sie sitzen, wie sie laufen, wie sie reden, wie sie trinken, wie sie baden, wie sie weinen, wie sie küssen, wie sie rauchen, wie sie schlagen, wie sie schießen, wie sie sterben. In seinen Wahrnehmungen läßt sich der leidenschaftliche Beobachter von so etwas Banalem wie Handlung kaum stören. Ja, er erzählt. Auch. Nebenbei. Notgedrungen. Für all jene, die einen Anlaß brauchen um hinzugucken: wie sich ein Paar in einer Pfütze spiegelt, wie ein Auto ausbrennt, wie Kiffer in den Rausch sinken, wie eine Möwe über dem Hafen kreist, wie Mädchen tanzen, wie Koks aus dem Brennofen eines Gaswerks fällt, wie St. Pauli aus dem vielverheißenden Schwarz der Nacht dem toten Grau des Morgens entgegengeht.

R José Bénazeraf B Wolfgang Steinhardt K Peter Baumgartner, George Balogh M Frank Valdor S Eva Zeyn P Erwin C. Dietrich D Helmut Förnbacher, Eva Christian, Rolf Eden, Dunja Rajter, Bob Iller | BRD | 88 min | 1:1,37 | sw | 13. April 1967

# 810 | 2. Dezember 2013