13.10.43

L’éternel retour (Jean Delannoy, 1943)

Der ewige Bann

Das Drehbuch zu »L’eternel retour«, von Jean Cocteau seinem Freund Jean Marais auf den schönen Leib gedichtet, transponiert die uralte (wohl keltische) Legende der leidenschaftlichen, unglücklich endenden Liebe zwischen Tristan und Isolde in eine mythisch-irrealisierte Gegenwart. Zwar gibt es Automobile und Boote mit Dieselmotor, Kneipenschlägereien und moderne Badezimmer, dann aber wieder kommt ein Liebestrank zu seinem mirakulösen Recht, und der Held nähert sich zu Pferde einer malerischen Burg, ganz wie ein Ritter in sagenhafter Vorzeit. Der (sehr literarisch bleibende) amour fou zwischen Patrice (strahlend: Marais) und Nathalie (berückend: Madeleine Sologne), der Gemahlin seines Onkels Marc, wird von einer mißgünstigen Verwandtschaft argusaugenhaft beobachtet und genüßlich hintertrieben – bis der Tod die beiden schicksalhaft füreinander Bestimmten vereint. Jean Delannoy inszeniert die jungen Liebenden in edlen Bildern (Kamera: Roger Hubert) und romantischem Dekor (Ausstattung: Georges Wakhévitch) als zeitlos idealisiertes, zugleich hochmodisches Paar, als makellose, archetypische Stars, auf deren blondem Haar zauberische Spitzlichter tanzen, während die mediokren Neider (wie im Märchen) alt, häßlich oder zwergenhaft verwachsen daherkommen. Die von diesen (im Grunde zutiefst bedauernswerten) Widersachern repräsentierte Niedertracht mag im Hier und Jetzt triumphieren, doch – so die tröstende Botschaft des Films – sie findet ihre Grenze an den Pforten der Ewigkeit, deren Wächter nur die Reinen im Herzen passieren lassen.

R Jean Delannoy B Jean Cocteau K Roger Hubert M Georges Auric A Georges Wakhévitch S Suzanne Fauvel P André Paulvé D Madeleine Sologne, Jean Marais, Jean Murat, Junie Astor, Piéral | F | 107 min | 1:1,37 | sw | 13. Oktober 1943

4.10.43

Großstadtmelodie (Wolfgang Liebeneiner, 1943)

»Ein Berlin-Film« annonciert der Untertitel, und in der Tat dient die dünn gezwirbelte Handlung vor allem als Aufhänger für vielerlei stimmungsvolle Großstadtimpressionen. Wolfgang Liebeneiner inszeniert den in sonniger Vorkriegszeit spielenden Film um seine Ehefrau Hilde Krahl in der Rolle einer ambitionierten Nachwuchsfotografin: Nachdem sie es mit einer zufällig geschossenen Reportageaufnahme aufs Titelblatt der ›Berliner Illustrirten Zeitung‹ brachte, beschließt Renate, die Enge ihres süddeutschen Heimatstädtchens zu verlassen, um berufliches (und privates) Glück in der großen Stadt zu suchen – und schwupp steht sie mit Tirolerhütchen mitten im Verkehrstrubel auf dem Potsdamer Platz: Straßenbahnen von links, Busse von rechts, Autos von überall. Die Metropole hat nicht auf die Neuzugängerin gewartet, gibt sich hektisch, kaltschnäuzig, abweisend, will erobert werden. Renate nimmt die Herausforderung an, trotzt allen Widerständen, setzt sich durch, indem sie, peu à peu, einen eigenen Blick auf die Stadt entwickelt. In der selbstverständlichen Anerkennung weiblicher Autonomie (ein Respekt, der beispielsweise die im Kino eher seltene Entwicklung einer gleichberechtigten Freundschaft zwischen einem Mann und einer Frau ermöglicht) bewahrt die Erzählung eine Ahnung von urbaner Modernität, indes sich die filmische Betrachtung Berlins weitgehend mit der Aneinanderreihung von Oberflächenreizen begnügt: Renates Auge (und das Objektiv der Kamera) sehen keinen komplexen Organismus sondern ein Potpourri poetischer Motive: Berlin am Wasser, Berlin bei Nacht und, immer wieder, (glückliche) Gesichter in der Menge: begeisterte Zuschauer beim Sechstagerennen, versonnene Arbeiter bei einem Fabrikkonzert der Philharmoniker, jubelnde Menschen bei einer Goebbels-Rede. Liebeneiners beschwingte Melodie der Großstadt ist völlig frei von Dissonanzen, damit letztlich auch frei von Realität – daß zum Zeitpunkt der Uraufführung bereits Zehntausende von jüdischen Berlinern deportiert worden sind, daß schon Dutzende von Bombenangriffen das Antlitz Berlins ramponiert haben, scheint eine gleichnamige Stadt in einem Paralleluniversum zu betreffen.

R Wolfgang Liebeneiner B Wolfgang Liebeneiner, Geza von Cziffra, Maria von der Busche K Walter Pindter, Leo de Laforgue, Richard Angst M Werner Bochmann, Michael Jary A Karl Weber S Marte Rau P Heinrich Jonen D Hilde Krahl, Werner Hinz, Karl John, Will Dohm, Paul Henckels | D | 108 min | 1:1,37 | sw | 4. Oktober 1943