28.8.46

The Killers (Robert Siodmak, 1946)

Rächer der Unterwelt

»I did something wrong … once.« In einem abgelegenen Kaff wird ein scheinbar unbescholtener Tankwart (Burt Lancaster als ›the Swede‹) von zwei sarkastischen Profikillern erschossen; seine Lebensversicherung hatte der schweigsame Fremde zugunsten einer Frau abgeschlossen, die sich der Person ihres Gönners kaum noch erinnert; ein skeptischer Assekuranzdetektiv (Edmond O’Brien) macht sich daran, die finsteren Hintergründe dieser rätselhaften Mordtat zu beleuchten … Im Laufe der komplexen Ermittlung (die aus zahlreichen Schilderungen eine fesselnd-multiperspektivische Rückblendenerzählung generiert) rollt »The Killers« nicht nur einen spektakulären Raubzug (gefilmt in einer großartigen Plansequenz) und ein niederträchtiges Gespinst von double- und triple-crossings auf – im Gewand einer artistisch-vertrackten crime story wird auch (und vor allem) ein verpfuschtes Leben geschildert, das geradezu folgerichtig in einem billigen Pensionszimmer endet. Inspiriert von einer Erzählung Ernest Hemingways, entwirft Robert Siodmak ein geschlossenes Noir-Universum, aus dem es kein Entkommen gibt: Alle Hintertüren führen auf die dunkle Straße des Verderbens. Neben Lancaster, dem intuitiv-treuherzigen Exboxer, der wegen einer gebrochenen Rechten (= einer gebrochenen Seele) auf die abschüssige Bahn gerät, schimmert die betörend-brünette Ava Gardner als verlockend-verhängnisvolle Sirene Kitty Collins in vielsagendem Schwarz: bald samten, bald aschig, sowohl (flüchtigen!) Gewinn verheißend als auch (sicheren!) Untergang bedeutend. PS: »There ain't anything to do.«

R Robert Siodmak B Anthony Veiller V Ernest Hemingway K Elwood Bredell M Miklós Rózsa A Mark Obzina, Jack Otterson S Arthur Hilton P Mark Hellinger D Burt Lancaster, Ava Gardner, Edmond O’Brien, Albert Dekker, Sam Levene | USA | 103 min | 1:1,37 | sw | 28. August 1946

23.8.46

The Big Sleep (Howard Hawks, 1946)

Tote schlafen fest

»Why did you have to go on?« – »Too many people told me to stop.« Humphrey Bogart als Privatdetektiv Philip Marlowe (»I collect blondes and bottles too.«), der von dem ebenso reichen wie maladen General Sternwood angeheuert wird, um in einem Fall von Erpressung zu ermitteln, und sich bald schon mit Ehebruch, Glücksspiel, Mord sowie den Fisimatenten der beiden schönen Töchter seines Auftraggebers konfrontiert sieht. Der Schauplatz Los Angeles erweist sich als labyrinthisches Treibhaus unguter Bande zwischen Upperclass und Unterwelt, die Nachforschungen ziehen immer weitere, immer dunklere Kreise, und fast scheint es so, als widerspiegele die verworrene Handlung mit schwarzer Boshaftigkeit die prinzipielle Unübersichtlichkeit des modernen Lebens. Wichtiger als die Entwicklung einer bis ins Detail nachvollziehbaren Story sind Regisseur Howard Hawks (wie wohl auch Raymond Chandler, dem Autor der Romanvorlage) jedoch ohnehin die Stimmigkeit der einzelnen Szenen, die lakonisch-bissigen Dialoge, die Beziehungen zwischen den Figuren, insbesondere zwischen dem eigensinnigen Marlowe und den taffen Frauen, auf die er trifft: Lauren Bacall und Martha Vickers als geheimnisvolle Sternwood-Schwestern, Dorothy Malone als gefällige Buchhändlerin, Sonia Darrin als naßforsche Ganovin. Ein straight inszeniertes Noir-Verwirrspiel mit nicht zu überhörenden Untertönen von Erotik und Ironie. »Your story didn’t sound quite right.« – »Oh, that's too bad. You got a better one?«

R Howard Hawks B William Faulkner, Leigh Brackett, Jules Furthman V Raymond Chandler K Sidney Hickox M Max Steiner A Carl Jules Weyl S Christian Nyby P Howard Hawks D Humphrey Bogart, Lauren Bacall, Martha Vickers, John Ridgely, Dorothy Malone, Elisha Cook Jr. | USA | 114 min | 1:1,37 | sw | 23. August 1946

# 986 | 1. März 2016

15.8.46

Notorious (Alfred Hitchcock, 1946)

Berüchtigt

»This is a very strange love affair.« Die sehr seltsame Liebesaffäre beginnt in Miami, Florida, um drei Uhr zwanzig nachmittags, am vierundzwanzigsten April des Jahres neunzehnhundertsechsundvierzig. Ein in den USA lebender Deutscher wird wegen Landesverrats zu zwanzig Jahren Haft verurteilt. Dem amerikanischen Agenten Devlin (Cary Grant) gelingt es, Alicia Huberman (Ingrid Bergman), leichtlebiges party girl und Tochter des Verräters, dafür zu gewinnen, einen nach Brasilien geflohenen Nazi-Freund ihres Vaters auszuforschen ... Die Spionagestory (in der unter anderem eine nicht mit 1934er Pommard sondern mit Uranerz gefüllte Weinflasche eine wichtige Rolle spielt) bildet die Folie für eine dramatisch-ironische Thriller-Romanze, deren suspense sich in erster Linie aus dem erotisch-angespannten Verhältnis zwischen Devlin und Alicia entwickelt: Er kann es nicht ertragen, sein Herz an ein Flittchen verloren zu haben, während sie von der Gefühlskälte des ersehnten Mannes ins Ehebett ihrer Zielperson getrieben wird. So gelingt Alfred Hitchcock mit »Notorious«, von Ted Tetzlaff in stilvollem Hochglanz-Noir fotografiert, eine komplex angelegte Studie menschlicher Beziehungen im Spannungsfeld von Liebe und Pflicht, Vertrauen und Betrug. Mit Madame Sebastian (Leopoldine Konstantin als eisige Matrone), deren Sohn Alex (Claude Rains als treuherziger Schurke) von Alicia observiert wird, eröffnet der Regisseur überdies seine Galerie markanter Mutterfiguren.

R Alfred Hitchcock B Ben Hecht K Ted Tetzlaff M Roy Webb A Carroll Clark, Albert S. D’Agostino Ko Edith Head S Theron Warth P Alfred Hitchcock D Ingrid Bergman, Cary Grant, Claude Rains, Leopoldine Konstantin, Louis Calhern, Reinhold Schünzel | USA | 101 min | 1:1,37 | sw | 15. August 1946

# 1044 | 14. Februar 2017