30.8.57

Berlin – Ecke Schönhauser (Gerhard Klein, 1957)

»Wenn ich an der Ecke stehe, bin ich halbstark, wenn ich Boogie tanze, bin ich amerikanisch, und wenn ich das Hemd über der Hose trage, ist es politisch falsch.« Generationsstreit im Schatten von Nachkrieg und Ost-West-Konflikt: Die Alten haben viel zu viel damit zu tun, die Trümmer ihrer Stadt (und ihres Lebens) beiseitezuschaffen (oder unter den Teppich zu kehren), als daß ihnen noch Energie bliebe, sich ernsthaft mit dem Nachwuchs auseinanderzusetzen. Es gibt nur barsche Worte, Vorwürfe, Schläge, und so zieht es Dieter (Brecht-Schwiegersohn Ekkehard Schall), Karl-Heinz, Kohle und Angela aus der Enge, der Bigotterie, der Gewalt der elterlichen Wohnungen geradezu zwangsläufig hinaus auf die Straße – die freilich nicht nur einen Freiraum öffnet, sondern auch ins Verderben führen kann ... Gerhard Klein und Wolfgang Kohlhaase bieten mit ihrer gefühlsechten Milieustudie vom Prenzlauer Berg gleichermaßen poetischen Rinnstein-Realismus und plakative ideologische Schwarzweiß-Malerei: Während im Westberliner Flüchtlingslager die Fäuste sprechen, zeigt sich der Vopo-Kommissar (Raimund Schelcher) als gute Seele vom Dienst, der – bei allem Verständnis für jugendlichen Übermut – Gut (= Ost) von Böse (= West) klar zu scheiden weiß: »Wo wir nicht sind, sind unsere Feinde.«

R Gerhard Klein B Wolfgang Kohlhaase K Wolf Göthe M Günter Klück A Oskar Pietsch S Evelyn Carow P Erich Albrecht D Ekkehard Schall, Ilse Pagé, Harry Engel, Ernst-Georg Schwill, Raimund Schelcher | DDR | 81 min | 1:1,37 | sw | 30. August 1957

13.8.57

Der Stern von Afrika (Alfred Weidenmann, 1957)

»Runter kommen sie alle.« – Zwölf Jahre nach Kriegsende komponieren Herbert Reinecker (Drehbuch) und Alfred Weidenmann (Regie) ein letztes deutsches Heldenlied, fabulieren – mit der nüchternen Sentimentalität der hinterbliebenen Kameraden – von Leben, Zeiten und Tod des legendär-historischen Jagdfliegers Hans-Joachim Marseille (158 Abschüsse bis zu seinem eigenen), zeichnen das kritiklose, vielleicht eben darum beklemmend anschauliche Bild einer Altersgruppe, die sich blind in ihre Berufung und damit in ihr Verderben fügt – »weil es keinen Ausweg gibt. Man ist einfach irgendwie drin in so einem Schicksal, und …« Und? Nichts weiter. Nur Ritterkreuz, Schwerter, Eichenlaub, schließlich ein Sturz in die ägyptische Wüste. Mit »Der Stern von Afrika« empfehlen sich drei Debütanten zur weiteren Verwendung: Horst Frank (außerordentlich als empfindsamer Zyniker), Hansjörg Felmy (rührend als pflichtbewußter Melancholiker), Joachim Hansen (repräsentativ als Draufgänger ohne Eigenschaften). PS: »Ein toter Mann ist kein guter Mann, ist überhaupt kein Mann.« (Eine ebenso wahre wie folgenlose Erkenntnis.)

R Alfred Weidenmann B Herbert Reinecker K Helmuth Ashley M Hans-Martin Majewski A Max Mellin, Wolf Englert S Carl Otto Bartning P Rüdiger von Hirschberg D Joachim Hansen, Marianne Koch, Hansjörg Felmy, Horst Frank, Peer Schmidt | BRD & E | 107 min | 1:1,37 | sw | 13. August 1957