24.6.63

Murder at the Gallop (George Pollock, 1963)

Der Wachsblumenstrauß

Miss Marple hoch zu Roß – natürlich nicht rittlings und in neumodischen Reithosen, sondern, wie es sich für eine traditionsbewußte Sportsfrau gehört, kultiviert gewandet im Damensitz. Noch lieber als ein Vollblut reitet die rüstige Amateurdetektivin (in allen Sätteln gerecht: Margaret Rutherford) freilich ihr Steckenpferd: die Aufklärung von Gewaltverbrechen in gepflegt-ländlicher Atmosphäre. »Murder at the Gallop« erlaubt es ihr, das Angenehme mit dem Angenehmen zu verbinden, und so untersucht sie ein, zwei, drei rätselhaften Todesfälle, in die (neben diversen raffgierigen Mitgliedern einer (nicht besonders) respektablen Familie) auch eine Katze, eine Hutnadel und ein Gemälde verwickelt sind. Im Zuge der (selbstverständlich erfolgreichen) Ermittlungen erliegt – außer dem bänglich-zuverlässigen Gefolgsmann Mr. Stringer (Davis) und dem liebenswert-beschränkten Inspektor Craddock (Charles Tingwell) – auch ein beleibter Pferdenarr (Robert Morley) dem resoluten Charme des altehrwürdigen Fräuleins. Wer könnte es ihm verdenken?

R George Pollock B James P. Kavanagh V Agatha Christie K Arthur Ibbetson M Ron Goodwin A Frank White S Bert Rule P George H. Brown, Lawrence P. Bachmann D Margaret Rutherford, Stringer Davis, Robert Morley, Flora Robson, Charles Tingwell | UK | 81 min | 1:1,66 | sw | 24. Juni 1963

21.6.63

Der Würger von Schloß Blackmoor (Harald Reinl, 1963)

Kurz vor Erhebung in den Adelsstand wird der steinreiche Lucius Clark (Rudolf Fernau) von einem maskierten Unbekannten bedroht: Der Nabob müsse dafür bezahlen, daß er sein Vermögen durch tödlichen Verrat an einem früheren Partner gemacht habe. Alle Versuche Clarks, seinen Edelsteinschatz zu verhökern, werden von dem anonymen Rächer hintertrieben … Zwar schleppt sich die Story ein wenig lustlos durch die vertrauten Gruselkulissen des bundesdeutschen Britenkrimis (Schloß, Park, Spelunke, Friedhof, Keller), aber Harald Reinl darf, auf Schloß Blackmoor und im ›Old Scavenger (≈ Aasfresser) Inn‹, ein stimmiges Ensemble fragwürdiger Typen inszenieren: Hans Nielsen als raffgieriger Hehler, Richard Häussler als wendiger Anwalt, Ingmar Zeisberg als zweideutiges Weibsbild und vor allem Dieter Eppler als diamantenfetischistischer Butler Anthony. Ein besonders schräges Highlight des Films ist zudem die Elektronenmusik von Oskar Sala, ein am Mixturtrautonium erzeugtes Klanggewebe aus Klirren, Sirren, Scheppern und Blubbern, Gurgeln, Pochen.

R Harald Reinl B Gustav Kampendonk, Ladislas Fodor V Bryan Edgar Wallace K Ernst W. Kalinke M Oskar Sala A Werner Achmann S Walter Wischniewsky P Artur Brauner D Karin Dor, Harry Riebauer, Rudolf Fernau, Walter Giller, Dieter Eppler | BRD | 87 min | 1:1,66 | sw | 21. Juni 1963

12.6.63

Cleopatra (Joseph L. Mankiewicz, 1963)

Cleopatra

Tage und Nächte einer Königin: nachdem sie ihren Bruder und Mitregenten mit Hilfe Cäsars (Rex Harrison) in die Wüste geschickt hat, strebt die ägyptische Pharaonin Cleopatra (Elizabeth Taylor) nach der Weltherrschaft. Dazu hängt sie sich zunächst an den liebestollen römischen Diktator, nach dessen Meucheltod an den Feldherrn Marc Anton (Richard Burton), der zwar das Schwert zu führen weiß, auf dem politischen Kampfplatz jedoch konsequent die falschen Entscheidungen trifft ... Joseph L. Mankiewicz’ vierstündiges Spektakel um Macht und Gier, Ehrgeiz und Leidenschaft offeriert Weltgeschichte als kolossale Seifenoper, als multiplen Kulissenorgasmus, als römisch-ägyptische Modenschau in DeLuxe Color und 70mm Todd-AO. Taylor, bis zum finalen Schlangenbiß variantenreich coiffiert, stets exaltiert geschminkt und in jeder Szene aufregend neu gewandet, gibt mit der Inbrust des millionenteuren Superstars das widerspenstig-ungestüme royale Vollweib: »My breasts are full of love and life. My hips are rounded and well apart.«

R Joseph L. Mankiewicz B Joseph L. Mankiewicz, Ranald MacDougall, Sidney Buchman V Plutarch, Sueton, Carlo Maria Franzero K Leon Shamroy M Alex North A John DeCuir S Dorothy Spencer P Walter Wanger D Elizabeth Taylor, Rex Harrison, Richard Burton, Hume Cronyn, Martin Landau, Roddy McDowall | USA | 248 min | 1:2,20 | f | 12. Juni 1963

# 995 | 10. April 2016

6.6.63

Reserviert für den Tod (Heinz Thiel, 1963)

Trau! Schau! Wem? Ein artifizielles Agentendrama im Interzonenzug D 104 zwischen Frankfurt am Main und Erfurt. DDR-Wissenschaftler Jadenburg soll in den Westen gelockt werden. Zwei seiner ehemaligen Assistenten, die beide mittlerweile im Sold des Bundesnachrichtendienstes stehen, sowie Jadenburgs eigene (politisch-moralisch gefallene) Tochter sind auf das wertvolle Zielobjekt angesetzt … Regisseur Heinz Thiel erörtert in kammerspielhafter, beinahe klaustrophobischer Verdichtung Fragen von Vertrauen und Zweifel, von Verrat und (zu) später Einsicht. Natürlich erscheint die Wühlarbeit des imperialistischen Klassenfeindes in einem Defa-Film als mieses Komplott der Niedertracht, während den Mitarbeitern der Staatssicherheit aus ihrer gesinnungsmäßigen Überlegtheit die (vorläufige) historische Überlegenheit zuwächst. In den bedrückend kalt arrangierten Schwarzweiß-Bildern des Kameramanns Horst E. Brandt wirkt allerdings das geheimdienstlich-ideologischen Gegenspiel insgesamt wie in ein unmenschliches Raster der Ausweglosigkeit gepreßt.

R Heinz Thiel B Gerhard Bengsch K Horst E. Brandt M Helmut Nier A Alfred Tolle S Anneliese Hinze-Sokolowa P Erich Kühne D Hans-Peter Minetti, Peter Herden, Irma Münch, Martin Flörchinger, Hannjo Hasse | DDR | 85 min | 1:1,37 | sw | 6. Juni 1963

# 808 | 27. November 2013

5.6.63

Irma la Douce (Billy Wilder, 1963)

Das Mädchen Irma la Douce

Die Geschichte der Irma la Douce, »a story of passion, bloodshed, desire and death ... everything, in fact, that makes life worth living«. In Alexandre Trauners verwinkelt-pittoresken Studionachbauten des quartier des Halles entfaltet sich, zwischen Theke und Stundenhotel, Mansarde und Marktständen, ein Possenspiel um die ganz große (und ziemlich verrückte) Liebe, eine Tragikomödie der Eifersucht und vor allem ein Loblied auf die Philosophie des Lebens und Lebenlassens, die vom charmanten Bistrowirt Moustache (schnauzbärtig-weise: Lou Jacobi) postuliert wird. Billy Wilder gestaltet die menschlich und erzäh­lerisch vertrackte Romanze zwischen einem gefallenen Mädchen (reizend-vulgär: Shirley MacLaine) und einem gefallenen Polizisten (arglos-raffiniert: Jack Lemmon) als grell-melan­cholische Hommage an den legendären Bauch von Paris, so als ahnte er, daß das quirlig-sündige Viertel nur wenig später dem rigiden Säuberungsfuror moderner Stadtplaner zum Opfer fallen würde. »But that's another story.«

R Billy Wilder B Billy Wilder, I. A. L. Diamond V Alexandre Breffort K Joseph LaShelle M André Previn, Marguerite Monnod A Alexandre Trauner S Daniel Mandell P Billy Wilder D Jack Lemmon, Shirley MacLaine, Lou Jacobi, Bruce Yarnell, Herschel Bernardi | USA | 147 min | 1:2,35 | f | 5. Juni 1963

4.6.63

The Nutty Professor (Jerry Lewis, 1963)

Der verrückte Professor

»Are you tired of being a square? Are you tired of a dull, dull, dull existence?« Nach drei Werken, die auf Entwicklung einer Fabel mehr oder weniger entschlossen verzichteten, unternimmt »total film-maker« Jerry Lewis erstmals den Versuch, seine Gags in eine (halbwegs) konventionell aufgebaute Handlung zu integrieren. Durch erzählerische Konzentration und eine exstatische Farbdramaturgie nähert sich Lewis’ Inszenierung dabei deutlich dem Vorbild seines Regie-Mentors Frank Tashlin. »The Nutty Professor« schildert (inspiriert von Stevensons »Strange Case of Dr. Jekyll and Mr. Hyde«) einen krassen Fall von Persönlichkeitsstörung (»split, schizo, and all that jazz«): Um das Herz einer Studentin zu erobern und einigen jugendlichen Raufbolden zu trotzen, befreit Chemielehrer Julius F. Kelp (Lewis), ein kurzsichtiger, hasenzähniger, piepsstimmiger Katheder-Tolpatsch, mittels einer selbstgebrauten Wundermixtur sein Alter Ego Buddy Love (Lewis), einen schmalzlockigen, großmäuligen, schlagkräftigen nightclub-crooner … Basierte der Erfolg seiner zehnjährigen Komikerehe mit Dean Martin in erster Linie auf den lustvoll ausgereizten Gegenspielen zweier antithetischer Typen (»a handsome man and a monkey«), bündelt Jerry Lewis den Dualismus nunmehr in einer einzigen, in seiner eigenen Person: Der nette, gute Trottel und der große, böse Wolf erscheinen als zwei widerstreitende Seiten desselben (Show-)Charakters; jeder von beiden ist der »inner man« des anderen … Der Film endet (nach dem larmoyanten Vorbild des späten Chaplin) mit einer überlangen, belehrenden Botschaft von Professor Kelp: »You might as well like yourself. If you don’t think much of yourself, how can others?« Der Geist von Buddy Love obsiegt jedoch in einem fiebrig-zynischen Nachklapp: »Try Kelp’s Kool Tonic! You too can be the life of a party.«

R Jerry Lewis B Jerry Lewis, Bill Richmond K W. Wallace Kelley M Walter Scharf A Hal Pereira, Walter Tyler S John Woodcock P Ernest D. Glucksman D Jerry Lewis, Stella Stevens, Del Moore, Kathleen Freeman, Howard Morris | USA | 107 min | 1:1,85 | f | 4. Juni 1963

# 794 | 9. November 2013