8.2.80

Cruising (William Friedkin, 1980)

Cruising

»I am with someone.« – »Aren’t we all?« William Friedkins in eiskaltes Blau und ledernes Schwarz getauchter Großstadt-Thriller bietet zwar eine Reihe von brutal abgestochenen schwulen Leichen auf, aber mehr als für die Identität des Täters interessiert sich »Cruising« für die Identität des (verdeckten) Ermittlers: Steve Burns (Al Pacino) entdeckt als Undercover-Cop nicht nur eine fremde, seltsame Welt, sondern stößt dort vor allem auf ihm bislang unbekannte Seiten seiner selbst. Während die hochempfindliche Kamera (James Contner) sowie der flimmernd-nächtliche Score (Jack Nitzsche) zu jedem Zeitpunkt das Schlimmste erwarten lassen, verstört die (niemals abschätzige) Inszenierung immer wieder gezielt durch radikale Ellipsen, in denen fünfaktige persönliche Dramen verschwunden sein könnten, und durch unbegreifliche Momente, die keinerlei Erklärung erfahren – wie zum Beispiel der Deus-ex-machina-Auftritt eines muskelbepackten, Cowboyhut, Jockstrap und Stiefel tragenden Schwarzen, der beim Verhör auf dem Polizeirevier schallende Ohrfeigen verabfolgt. Wenn Steve am Ende der Erzählung sich selbst – und damit dem Zuschauer – via Spiegel in die Augen schaut, scheint er weniger zu fragen, wer er (geworden) ist, als vielmehr die – vielleicht unbequeme, vielleicht befreiende – Antwort zu kennen. Seine Freundin (Karen Allen) probiert unterdessen die Ledermütze auf … »Who’s here? I’m here. You’re here.«

R William Friedkin B William Friedkin V Gerald Walker K James Contner M Jack Nitzsche A Bruce Weintraub Ko Robert De Mora S Bud Smith P Jerry Weintraub D Al Pacino, Paul Sorvino, Karen Allen, Richard Cox, Don Scardino | USA & BRD | 102 min | 1:1,85 | f | 8. Februar 1980

6.2.80

On a volé la cuisse de Jupiter (Philippe de Broca, 1980)

Wer hat den Schenkel von Jupiter geklaut?

»Quel voyage de noces!« Le retour du »Tendre poulet«: Nachdem sie noch schnell ein paar Drogendealer hopsgenommen hat, eilt Kommissarin Tanquerelle aufs Rathaus, um ihren geliebten Professor Lemercier zu ehelichen. Gleich nach dem Jawort reisen Lise (Annie Girardot) und Antoine (Philippe Noiret) in die Flitterwochen nach Griechenland, wo sie – zusammen mit einem anderen französischen Paar – unversehens in einen Fall von mörderischem Kunstraub und internationalem Antikenschmuggel verwickelt werden. Statt über dem (nicht mehr ganz so) jungen Glück den ägäischen Honigmond scheinen zu lassen, schickt Philippe de Broca seine Protagonisten in halsbrecherischem Schweinsgalopp durch ein bald postkartenidyllisches, bald gefahrenträchtiges Klischeehellas voller klassischer Altertümer und sirtakidurchklungener Landschaften, malerischer Sonnenuntergänge und begriffsstutziger Beamter. Ein mediterranes Divertimento ohne störenden Tiefsinn.

R Philippe de Broca B Michel Audiard, Philippe de Broca K Jean-Paul Schwartz M Georges Hatzinassios A Mikes Karapiperis Ko Catherine Leterrier S Henri Lanoë P Alexandre Mnouchkine, Georges Dancigers, Robert Amon D Annie Girardot, Philippe Noiret, Catherine Alric, Francis Perrin, Marc Dudicourt | F | 100 min | 1:1,66 | f | 6. Februar 1980

# 1002 | 15. Mai 2016

1.2.80

American Gigolo (Paul Schrader, 1980)

Ein Mann für gewisse Stunden

»Emotions come, I don't know why.« Paul Schrader präsentiert in überaus geschmackvollen Bildern, erzählerisch aber relativ mitleidlos die thrillereske Höllenfahrt eines schönen, eitlen, dummen Mannes, des professionellen Frauenbeglückers Julian Kay (für die Rolle geboren: Richard Gere). Etwas gemildert wird die Fallhöhe allein dadurch, daß Los Angeles, der Ort, an dem dieser Pfau seine Federn spreizt, selbst wie ein Kreis der Hölle wirkt. Gerettet (jedenfalls emotional) wird der tief (auf sich selbst zurück-)gefallene Engel des Hochmuts durch die (echte) Liebe einer (verheirateten) Frau (mit sexy Zahnlücke: Lauren Hutton). Was durch Look (John Bailey), Outfits (Giorgio Armani) und (freundlich gesagt) Musik (Giorgio Moroder) ganz dem Geist (?) seiner Zeit verhaftet scheint, erhält durch Schraders präzisen, gleichwohl transzendentalen Style überraschend gül­tige, dem flüchtigen Moment enthobene Bedeutung. PS: »Was hülfe es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewönne und nähme doch Schaden an seiner Seele?« (Nichts.)

R Paul Schrader B Paul Schrader K John Bailey M Giorgio Moroder A Edward Richardson Ko Giorgio Armani, Alice Rush S Richard Halsey P Jerry Bruckheimer D Richard Gere, Lauren Hutton, Hector Elizondo, Nina Van Pallandt, Bill Duke | USA | 117 min | 1:1,85 | f | 1. Februar 1980