22.2.68

Negresco**** – Eine tödliche Affäre (Klaus Lemke, 1968)

Der mittelmäßige Fotograf Roger (Gérard Blain) erhält in Berlin rein zufällig vage Hinweise auf ein möglicherweise profitables Geheimnis und folgt dessen mondäner Trägerin Laura Parrish (It-Lady Ira von Fürstenberg) durch teure Hotels und prächtige Villen, an die (sonnige) Côte d’Azur und weiter ins (tödliche) Engadin. In seinem zweiten Spiel-Film kokettiert Klaus Lemke wiederum schaulustig-eskapistisch mit bekannten Kinomotiven (verbotene Liebe, dunkle Geschäfte, undurchschaubare Ränke), schießt kolportagehafte Momentaufnahmen aus der großen, weiten Illustriertenwelt der reichen Männer und schönen Frauen, der flotten Boote und schnellen Schlitten, des heißen Geldes und gefährlichen (Zu-viel-)Wissens. Die flüchtig-spekulativen, nicht immer ganz scharfen Paparazzoblicke fügen sich kaum zu einer schlüssigen Story, reihen sich vielmehr assoziativ aneinander wie eine Folge von leicht verdruckten Bildern in einem Regenbogenblatt. Die berühmte Nizzaner Luxusabsteige, die dem Werk den wohlklingenden Titel leiht, und die exklusive Jet-Set-Hauptdarstellerin stehen emblematisch für jene mystische Society-Sphäre, die ein ehrgeiziger Arrivist zwar vorübergehend betreten aber in Wahrheit nicht erreichen kann.

R Klaus Lemke B Max Zihlmann, Klaus Lemke, Ingo Hermes K Michael Marszalek M Klaus Doldinger S Renate Willeg P Peter Berling D Gérard Blain, Ira von Fürstenberg, Paul Hubschmid, Serge Marquand, Ricky Cooper | BRD | 95 min | 1:1,66 | f | 22. Februar 1968

19.2.68

Vargtimmen (Ingmar Bergman, 1968)

Die Stunde des Wolfs 

Surrealistisches Nachtstück um die seltsamen Leiden einer Künstlerseele. »Die Stunde des Wolfs ist die Stunde zwischen Nacht und Morgen. Es ist die Stunde, in der die meisten Menschen sterben, in der der Schlaf am tiefsten ist, in der Alpträume Realität gewinnen. Es ist die Stunde, in der Dämonen ihre Macht entfalten, und es ist die Stunde, in der die meisten Kinder geboren werden.« Mit der fiktiven Rekonstruktion des sonderbaren Geschehens aus den nachgelassenen Papieren des verschwundenen Malers Johan Borg (Max von Sydow) und den Erzählungen seiner Frau Alma (Liv Ullmann) stellt sich Ingmar Bergman in die Tradition schwarzromantischer Spukphantasien à la E. T. A. Hoffmann (Kapellmeister Kreisler höchstselbst hat einen Auftritt), um ein dunkles Spektakel über Kreativität und Heimsuchung, Empathie und Besessenheit abrollen zu lassen. Die Einöde, in die sich das Ehepaar Borg zurückgezogen hat, wird plötzlich bevölkert von einer Reihe erst masken-, dann fratzenhafter Gestalten, die der Erinnerung und Imagination des Künstlers entspringen; auf einem Gruselschloß geraten Johan und Alma, die sich in ihren Mann so bedingungslos einfühlt, daß seine wahnhaft-sensibilisierte Wahrnehmung auch zu ihrer wird, in die Fänge dieser fellinesk-unheimlichen Gesellschaft von dekadenten Aristokraten und aufdringlichen Kulturbürgern: Sie erscheinen als Spiegelungen innerer und äußerer Realitäten – als Blutsauger des Kunst betriebs, als Gespenster der Vergangenheit, als Nachtmahre sexueller Obsessionen, als Totenvögel der Kreativität. In erbarmungslos hartem Schwarzweiß schaffen Bergman und sein Kameramann Sven Nykvist mit »Vargtimmen« ein vielschichtiges, gotisch-geisterhaftes Wechselspiel zwischen (seelischer) Inbesitznahme und (künstlerischer) Entäußerung, zwi­schen schöpferischer Explosion und depressiver Leere.

R Ingmar Bergman B Ingmar Bergman K Sven Nykvist M Lars Johan Werle A Marik Vos S Ulla Ryghe P Lars-Owe Carlberg D Max von Sydow, Liv Ullmann, Ingrid Thulin, Erland Josephson, Gertrud Fridh, Naima Wifstrand | S | 90 min | 1:1,37 | sw | 19. Februar 1968