7.2.51

Journal d’un curé de campagne (Robert Bresson, 1951)

Tagebuch eines Landpfarrers

Die Geheimnisse eines Lebens, das kein Geheimnis hat … Schon in den ersten Bildern des Films ist das ganze Drama aufgehoben: ein Ortsschild; ein erschöpfter Ankömmling, ganz in Schwarz, hinter einem hohen Gitter; ein Mann und eine Frau, die sich abwenden und fortgehen, als sie den Fremden bemerken. Von Beginn an schlägt dem jungen Priester (Claude Laydu), der im nordfranzösischen Dorf Ambricourt, seine erste Pfarrstelle antritt, Ablehnung entgegen. Wo er sich nach Freundschaft und Zugehörigkeit sehnt, erlebt er fast ausschließlich Gleichgültigkeit und Spott, Feindschaft und Haß. All das vollzieht sich in kurzen Szenen, die von häufigen Ab-, Auf- und Überblendungen auf das Wesentliche reduziert werden. Der Pfarrer (der sich – bezeichnenderweise – nur von rotem Wein und trockenem Brot ernährt) erträgt seine Einsamkeit mit trauriger Gleichmut, führt gewissenhaft Protokoll über die offenen und verdeckten Demütigungen. Immer wieder zeigt Robert Bresson Bilder der schreibenden Hände, die Seite um Seite des Tagebuchs füllen, während die Einträge gleichzeitig mit nüchterner Stimme gesprochen werden. »Und Gott war das Wort«, sagt der Evangelist Johannes, und es scheint, als fände der Landpfarrer auf seinem Leidensweg im Wort, das er schreibt und spricht, den Abglanz von jener Liebe, die er so schmerzlich entbehren muß. Natürlich gehören zu einer Passion nicht allein (körperliche) Qual und (seelische) Not, sondern auch Momente des Trostes und der Zuversicht – so wie das Kreuz, das am Ende steht, zugleich den Tod und die Gewißheit der Gnade bedeutet: »Qu’est-ce que cela fait? Tout est grâce.«

R Robert Bresson B Robert Bresson V Georges Bernanos K Léonce-Henri Burel M Jean-Jacques Grunenwald A Pierre Charbonnier S Paulette Robert P Robert Sussfeld D Claude Laydu, André Guibert (= Adrien Borel), Marie-Monique Arkell, Jean Riveyre, Nicole Ladmiral | F | 117 min | 1:1,37 | sw | 7. Februar 1951

# 956 | 19. Juni 2015

1.2.51

Pandora and the Flying Dutchman (Albert Lewin, 1951)

Pandora und der Fliegende Holländer

»The measure of love is what one is willing to give up for it.« Barock-phantastischer amour fou zwischen zwei Mythen im spanischen Fischerdorf Esperanza (!) zu Anfang der 1930er Jahre: Pandora Reynolds (überirdisch: Ava Gardner), atemberaubend schön, unfähig zu lieben, umschwärmte Nachtclubsängerin und Inkarnation der femme fatale, die den ihr verfallenden Männern mit zerstörerischer Freude Unglück und Verderben bringt, trifft auf Hendrick van der Zee, den legendären Fliegenden Holländer (metaphysisch: James Mason), der, nachdem er einst im Affekt seine vermeintlich untreue Gattin tötete, solange auf einem Geisterschiff über die Weltmeere kreuzen muß, bis er einer Frau begegnet, die bereit ist, ihr Leben für seine Erlösung zu geben … Writer-producer-director Albert Lewin segelt mit seinem überlebensgroßen Technicolor-Melodram allzeit hart am Wind des Kitsches und rauscht immer wieder voll unbändiger Lust mitten hinein in die schäumenden Brandungswellen des emotional-visuellen Exzesses. Jack Cardiff (der als Kameramann zuvor einige opulente Farborgien für Powell und Pressburger realisierte) taucht »Pandora and the Flying Dutchman« bevorzugt in das romantische Tiefblau amerikanischer Nächte und kreiert surreal-außerzeitliche Bildkompositionen, die an die imaginativen Visionen von Salvador Dalí oder Max Ernst erinnern. Ein schwüler Kinotraum von bedingungsloser Liebe und rettendem Tod. PS: »To understand one human soul is like trying to empty the sea with a cup.«

R Albert Lewin B Albert Lewin K Jack Cardiff M Alan Rawsthorne A John Bryan S Ralph Kemplen P Albert Lewin, Joe Kaufmann D Ava Gardner, James Mason, Nigel Patrick, Sheila Sim, Harold Warrender | UK | 122 min | 1:1,37 | f | 1. Februar 1951