22.11.79

Die Hamburger Krankheit (Peter Fleischmann, 1979)

»Man muß die Abenteuer in seinem eigenen Land bestehen, auch wenn es manchmal nur kleine, graue Abenteuer sind.« Von Hamburg aus tritt eine geheimnisvolle Krankheit ihren tödlichen Siegeszug durch die Republik an: Menschen sterben wie die Fliegen, vor dem Exitus krümmen sie sich zusammen wie Embryos im Mutterleib. Die Medizin ist ratlos, die Politik errichtet ein autoritäres Gesundheitsregime mit Massenquarantänen und zwangsweisen Breitbandimpfungen. Einem bunt zusammengewürfelten Haufen – junge Naive, geschäftstüchtiger Würstchenbrater, seriöser Wissenschaftler, boshafter Krüppel (¡Fernando Arrabal!) – gelingt die Flucht. Wohin? Ganz egal. Nur weg. Peter Fleischmann folgt dieser sonderbaren Schar, die sich im Verlauf des zunehmend konfusen Geschehens immer wieder neu formiert, auf dem Weg durch die Schneise des zivilisatorischen Zerfalls, den die Epidemie hinterläßt. Auch wenn »Die Hamburger Krankheit« einige Motive aufgreift, die in Erzählungen über die großen Seuchen stets eine Rolle spielen – gemeine Beutelschneiderei, verzweifete Lustigkeit, verquaste Spiritualität –, richtet sich das künstlerische Augenmerk weniger auf sozialkritische Analyse oder gar moralische Bewertung sondern vielmehr auf das Entwickeln einer speziellen Form von filmischem Aktionismus, auf die genüßliche Dekonstruktion gesellschaftlicher Wirklichkeit (durch deren Trümmer unter anderem Peter von Zahn, Rainer Langhans, Romy Haag und Evelyn Künneke irrlichtern). Den adäquat deplazierten Synthie-Sound zu dieser seltsamen Borderline-Satire liefert Jean-Michel Jarre.

R Peter Fleischmann B Peter Fleischmann, Otto Jägersberg, Roland Topor K Colin Mounier M Jean Michel Jarre S Susan Zinowsky P Peter Fleischmann D Helmut Griem, Carline Seiser, Ulrich Wildgruber, Fernando Arrabal, Rainer Langhans | BRD & F | 118 min | 1:1,66 | f | 22. November 1979