31.8.64

Tonio Kröger (Rolf Thiele, 1964)

Künstler-Bürger-Problematik, unfreiwilliges Außenseitertum, Sehnsucht nach den Wonnen der Gewöhnlichkeit, die Enge der Heimat, die trügerischen Versprechungen der Fremde, Komik und Elend – Thomas Mann hat seine großen Themen in »Tonio Kröger« geradezu kontormäßig korrekt durchgearbeitet. Daß sich die Novelle nicht nur zur Quälerei unschuldiger Deutschschüler eignet, sondern auch die Vorlage zu einem gelungenen Film liefern kann, beweist Rolf Thiele: Seine formalen Gespreiztheiten (die sich hier gleichwohl in verträglichem Rahmen halten) bilden ein nicht unpassendes Pendant zu Manns fast possenhafter sprachlicher Überfeinerung. Die schwarzweiße Kameraarbeit (Wolf Wirth) und die elegische Komposition (Rolf A. Wilhelm) bewegen sich auf hohem Niveau; Jean-Claude Brialy in der Titelrolle tut einfach gar nichts, verzieht keine Miene, bleibt als Tonio (Mathieu Carrière spielt ihn als Jungen) Zaungast seines bourgeoisen Dichter-Lebens – uns taugt so paradoxerweise nicht schlecht als Medium zur Einfühlung in die schwierige Figur. Des weiteren trumpft »Tonio Kröger« mit sympathisch-manierierten schauspielerischen Kabinettstückchen: Gert Fröbe (als eine Art Wachtmeister Dimpfelmoser), Theo Lingen (als französelnd-effeminierter Tanzlehrer), Günther Lüders (als beflissener Volksbibliothekar), Walter Giller (als seekranker Kaufmann mit Weltschmerz), Rudolf Forster (als serviler Hoteldirektor) und Beppo Brem (als lebensvoller Literat). Einzig Nadja Tiller (als russischstämmiges Malweib mit rrrollendem R) trifft hier nicht ganz den richtigen Ton.

R Rolf Thiele B Erika Mann, Ennio Flaiano V Thomas Mann K Wolf Wirth M Rolf A. Wilhelm A Wolf Englert S Ingeborg Taschner, Heidi Genée P Franz Seitz D Jean-Claude Brialy, Mathieu Carrière, Nadja Tiller, Werner Hinz, Rudolf Forster | BRD & F | 90 min | 1:1,66 | sw | 31. August 1964

21.8.64

Der Hexer (Alfred Vohrer, 1964)

Von Alfred Vohrer routiniert durchgeführte, aber weitgehend schwunglose Edgar-Wallace-Adaption um Rache, Recht und Richten. Im Gegensatz zu anderen Filmen der Reihe steht nicht die Ermittlung eines Mörders im Zentrum des undurchsichtigen Geschehens sondern die Frage nach der Identität des geheimnisvollen, ›Hexer‹ genannten, Vergelters Arthur Milton, der verwirrende Spiele mit Masken treibt und unter den Augen der Polizei ein Netzwerk schändlicher älterer Herren – allen voran der feiste Jochen Brockmann als Anwalt Maurice Messer (!) – für böse Taten zur tödlichen Rechenschaft zieht … Daß »Der Hexer« keinen subtilen Diskurs über Selbstjustiz führt, liegt in der Natur eines parodistischen Kriminalfilmes, dennoch hätten das Thema und vor allem die originelle Anlage der Erzählung mehr erlaubt, als ab und zu ein selbstreferentielles Mätzchen zu machen (der ›Hexer‹ liest den Roman »Der Hexer«, um sich über den Fortgang der Handlung zu orientieren), ansonsten aber aufs Neue (respektive: aufs Alte) die restlos bekannten Gestaltungsklischees abzuspulen.

R Alfred Vohrer B Herbert Reinecker V Edgar Wallace K Karl Löb M Peter Thomas A Walter Kutz, Wilhelm Vorweg S Jutta Hering P Horst Wendlandt D Joachim Fuchsberger, Heinz Drache, Margot Trooger, Siegfried Lowitz, Siegfried Schürenberg | BRD | 85 min | 1:2,35 | sw | 21. August 1964